Zusammenprall der Kulturen

Der falsche Umgang mit verschiedenen Unternehmenskulturen verhindert den Erfolg vieler Fusionen

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Derzeit existieren rund um den Erdball etwa 65.000 transnationale Unternehmen, die 54 Millionen Mitarbeiter beschäftigen. Die Öffnung der internationalen Märkte hat den Global Playern ungeahnte Perspektiven eröffnet, und doch ist der Traum von endloser Gewinnmaximierung und allseitiger Zufriedenheit nur in seltenen Fällen Realität geworden. Nach vorsichtigen Schätzungen scheitert momentan etwa die Hälfte aller Unternehmensfusionen. Wenn man den Fachleuten aus Wirtschaft und Wissenschaft glauben darf, die sich vor kurzem auf einem Symposium der Bertelsmann Stiftung trafen, spielen dabei wirtschaftliche und finanzielle Gründe allerdings nur eine vergleichsweise untergeordnete Rolle. Das internationale Expertenteam ist davon überzeugt, dass in 70% aller Fälle das unbewältigte Aufeinandertreffen verschiedener Kulturen für den Misserfolg der Fusionen verantwortlich ist.

Probleme mit der jeweiligen Unternehmens- und Landeskultur ergeben sich selbstverständlich nicht nur bei Fusionen, sondern auch bei Firmenübernahmen oder auch Neugründungen mit eindeutigem Auslandsbezug. Die Bertelsmann Stiftung hat deshalb unter der Federführung von Prof. Wolfgang Dorow von der Europa Universität Viadrina in Frankfurt/Oder schon vor geraumer Zeit das großangelegte Projekt Unternehmenskulturen in globaler Interaktion ins Leben gerufen. Hier werden mit Hilfe eines fragebogenbasierten Evaluationsinstrumentariums Fallstudien in zahlreichen Großunternehmen durchgeführt und so transnationale Geschäftsbeziehungen untersucht, um einen Leitfaden für interkulturell erfolgreiches Management zu entwickeln.

Der Erfolg transnationaler Geschäftsbeziehungen hängt - so Martin Spilker im Gespräch mit Telepolis - "nicht allein von Geschäftspotenzialen, Marktanteilen oder Gewinnchancen ab". Der persönliche Referent von Präsidiumsmitglied Liz Mohn ist vielmehr der Meinung, dass die Frage, wie mit der Unternehmenskultur des jeweiligen Partners umgegangen wird, trotz vieler wissenschaftlicher Untersuchungen noch immer unzureichend beantwortet wird. Das sieht auch Wolfgang Dorow so, der es für einen Kardinalfehler hält, wenn "eine Kultur der anderen übergestülpt oder Kulturen zwanghaft harmonisiert werde".

Dieses Problem stellt sich nicht nur bei Partnern, die geografisch und eben kulturell weit voneinander entfernt sind, sondern auch bei guten Nachbarn wie etwa Deutschland und Frankreich. Spilker weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Stellung eines französischen Managers mit der einer deutschen Führungskraft nur schwer zu vergleichen ist, wohingegen hiesige Mitbestimmungsmodelle im Nachbarland regelmäßig auf Unverständnis stoßen.

Ein interkulturell erfolgreiches Management muss seiner Einschätzung nach also zunächst auf Respekt vor dem neuen Partner basieren. Dabei sollen insbesondere die unterschiedlichen Arbeitsgewohnheiten, Führungsstile und Entscheidungsbeteiligungen, aber auch landestypische Besonderheiten berücksichtigt und fair aufeinander abgestimmt werden:

"Nicht nur die jeweiligen Unternehmens-, sondern auch viele Landeskulturen geraten im Verlauf der Globalisierung unter extremen Druck, und der ist nur dann auszugleichen, wenn sich die Beteiligten aufeinander zu bewegen."

Das kann durch gemeinsame Veranstaltungen und regelmäßige Gespräche geschehen, aber auch die gezielte Suche nach Führungskräften vor Ort, die bereit sind, neue Werte mitzutragen, scheint nach der bisherigen Auswertung von Modellprojekten in Asien, Nordamerika und Europa ein probates Mittel zu sein, um die Identifikation mit dem Unternehmen insgesamt zu steigern.

Der Maßnahmenkatalog, der eine effiziente Fusion der Unternehmenskulturen bewirken soll, muss nach Spilkers Ansicht eine Vielzahl unterschiedlicher Aspekte tangieren, die von der Auswahl einer auf nationale Besonderheiten abgestimmten Produktpalette bis zur Basis jeder innerbetrieblichen Kommunikation reichen:

"Wer die englische Sprache so einfach als Welt- und Unternehmenssprache festschreibt, der vergisst, dass mit dem nationalen Idiom nicht nur ein Stück Identität, sondern auch ein unter Umständen sehr hoher Prozentsatz von wichtigen Informationen verloren gehen kann."

Bis Mai 2003 soll das Projekt "Unternehmenskulturen in globaler Interaktion" einen diskussionsfähigen Rohentwurf mit den wichtigsten Ergebnissen erarbeitet haben, die in den Folgemonaten dann noch einem weltweiten Praxistest unterzogen werden. Dass sich der Aufwand im Erfolgsfalle lohnen wird, steht für Projektleiter Dorow außer Frage. Denn sollte es Unternehmen mit Hilfe dieser Erkenntnisse tatsächlich gelingen, unterschiedliche Kulturen sinnvoll in Einklang zu bringen, dann "kann die kulturelle Vielfalt auch zum Erfolg eines Unternehmens beitragen."