Wanted im Internet

Das FBI geht mit Bannern auf Verbrecherjagd, die deutsche Polizei ist noch skeptisch

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Das klassische Fahndungsplakat an der Tür der Polizeidienststelle, auf dem Bahnhof oder an der Bushaltestelle hat noch nicht ausgedient, aber das Internet könnte ihm in Sachen Aktualität und breitenwirksame Aufmerksamkeit ganz schnell den Rang ablaufen. Das FBI macht es jetzt vor.

Anstatt wie bisher zur öffentlichen Fahndung ausgeschriebene Personen nur auf der FBI-eigenen Homepage zu präsentieren, sucht die Polizeibehörde jetzt den 18-fachen und seit 1995 untergetauchten Mörder James "Whitey" Bulger auf Werbebannern mit seinem Konterfei im Internet. Bulger ist der Bruder des früheren Präsidenten der Universität von Massachusetts und zählt zu den zehn meistgesuchten flüchtigen Verbrechern in den USA.

Letzten Mittwoch vereinbarte das FBI mit der spanischen Firma Terra-Lycos, dass der Webportal-Betreiber auf seinen amerikanischen Auftritten wie Lycos, Wired News oder quote.com sowie in seinem lateinamerikanischen Netzwerk kostenlos Banner mit dem Fahndungsfoto Bulgers setzt. Die Hoffnung ist, aus der Bevölkerung Hinweise auf den gegenwärtigen Aufenthaltsort des Verbrechers zu erhalten, auf den das FBI inzwischen ein Kopfgeld von einer Million US-Dollar ausgesetzt hat. Wer auf das Werbebanner klickt, wird direkt auf die FBI-Seite mit den zehn meistgesuchten Straftätern geleitet, wo sachdienliche Hinweise an das FBI hinterlassen werden können. Insgesamt deckt Terra-Lycos 42 Länder in 19 Sprachen ab. Das weltweite Netzwerk von Terra-Lycos könnte von großer Bedeutung bei der Fahndung sein, denn die Spur von Bulger zieht sich von Europa über Kanada bis nach Mexiko.

"Es kann sein, dass ein Mann in die Bäckerei geht, am Abend im Internet surft und zufällig feststellt, dass er die gesuchte Person möglicherweise zuvor bei seinem Einkauf gesehen hat", meinte der Staatsanwalt Michael Sullivan hoffnungsvoll auf der Pressekonferenz am vergangenen Mittwoch in Boston. Noch sind die Werbebanner ein Experiment, so ein FBI-Sprecher, doch bei Erfolg denke man darüber nach, diese Methode auch bei anderen Top-Flüchtigen einzusetzen. Ob es hingegen bei Bulger klappen wird, ist fraglich, war doch der jetzt vom FBI Gejagte früher selbst ein Undercover-Mitarbeiter der Polizeibehörde, der gegen die Mafia spionieren sollte.

Auch in Deutschland setzt man in Sachen Öffentlichkeitsfahndung auf die Neuen Medien, allerdings noch in entschärfter Form. "Die Sache mit der Bannerwerbung ist uns bekannt und wurde geprüft", erläutert Christian Brockert vom Bundeskriminalamt (BKA), "letztendlich aber aus Gründen der Seriosität verworfen, da wir nicht genau wissen, auf welchen Seiten unser Banner überall geschaltet wird."

Erst seit kurzem sendet das BKA Täterbeschreibungen per SMS auf das Handy von registrierten Bus- und Taxifahrern. Vor etwa zwei Wochen hatte Bundesinnenminister Otto Schily mit RTL, Sat1, ProSieben, N24, VOX und Kabel 1 vereinbart, dass Fahndungen des BKA, der Landespolizeien und der Justizbehörden nach Straftätern oder nach Diebesgut ab sofort einheitlich auf den Videotextseiten 895 bis 899 rund um die Uhr tagesaktuell nachzulesen sind.

"Wir beschreiten damit einen neuen Weg, um Straftätern auf die Spur zu kommen", so Schily. "Die Fahndungen im Fernsehen erreichen die Menschen nicht nur in Deutschland, sondern auch überall dort, wo die Programme der sechs Sender per Satellit zu sehen sind", meint der Innenminister und hofft auf eine verstärkte Mithilfe aus der Bevölkerung. Entsprechende Verknüpfungen ins Internet sind auf den Seiten angegeben, wo weitere Informationen wie zum Beispiel das Fahndungsfoto angesehen und mit den dort genannten zuständigen Dienststellen Kontakt aufgenommen werden kann. In Zukunft sollen zudem "Eyecatcher" auf großen Portalen im Internet die Surfer auf die Homepage des BKA lotsen, um sich dort über aktuelle Fahndungen zu informieren.