Der Sieg des Kriegers

Sicherheit war das bestimmende Wahlkampfthema in Israel, der Wahlgewinner steht nach Umfragen schon fest: Ariel Scharon

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Ende Oktober letzten Jahres zerbrach die israelische Regierungskoalition, weil die linke Arbeitspartei die Politik von Ministerpräsident Scharon nicht mehr mittragen wollte. Man befürchtete einen weiteren Popularitätsverlust, der sich bereits in Umfragen abzeichnete, und war nicht mehr dazu bereit, mit international angesehenen Personen wie dem Friedensnobelpreisträger Shimon Peres eine aggressive Politik gegenüber den Palästinensern zu legitimieren. Die Koalition der Nationalen Einheit zerstritt sich zuletzt über der Frage, wie das Problem der Siedler behandelt werden sollte. Neuwahlen wurden angesetzt für den morgigen 28. Januar. Wie es aussieht, hat sich die Arbeitspartei unter ihrem neuen Spitzenkandidaten (vormals der ehemalige Verteidigungsminister Ben-Eliezer) Amram Mitzna bereits mit einer Niederlage abgefunden: "Wenn wir morgen nicht gewinnen, gewinnen wir am nächsten Tag."

Aller Wahrscheinlichkeit nach wird sich der ehemalige Bürgermeister von Haifa auf den nächsten Wahltermin konzentrieren müssen. Für die Wahlen morgen geben ihm die Umfragen keine Siegeschance. Die aktuellste Haaretz-Umfrage prognostiziert eine solide Mehrheit von 67 von insgesamt 120 Knessetsitzen für das Bündnis der rechten Parteien (siehe dazu das Internet-Wahlspecial von Haaretz) unter der Führung von Scharons Likud-Partei, der in übereinstimmenden Umfragen 30 bis 31 Sitze vorhergesagt werden. Die Arbeitspartei kann höchstens mit 19 Sitzen rechnen, das linke Bündnis insgesamt nur mit 37. Drittstärkste Partei soll die säkulare "Schinui"-Partei mit 14 Sitzen werden. Für die religiöse Schas-Partei werden 13 Sitze erwartet.

Natürlich gab es im Vorfeld der Wahlen zuhauf Spekulationen über mögliche Koalitionen, in deren Mittelpunkt vor allem der Chef der Schinui-Partei, Yosef (Tommy) Lapid stand. Er wurde als potentieller "Königsmacher" gehandelt, der - je nach Parteiperspektive - sowohl Scharon, als auch Mitzna zum Premier machen könnte. Man ging davon aus, dass Schinui, eine Partei, die sich vor allem durch eine starke Abneigung gegen die orthodoxen Parteien und generell gegen Religion in der israelischen Politik auszeichnet, von dem Popularitätsschwund der Linken wie von den Skandalen der Likudpartei profitieren könnte.

Zunächst sah es auch ganz danach aus, dass die Bestechungsskandale der Likud-Partei - Abgeordnete erkauften sich einen guten Listenplatz, sogar Verbindungen zur israelischen Unterwelt wurden ihr nachgesagt - wertvolle Stimmen kosten würden. Zumal auch ein Ermittlungsverfahren gegen Scharon selbst und dessen Söhne (wegen "illegaler Wahlkampffinanzierung") eingeleitet wurde. Doch der "Kämpfer", so der Titel seiner Autobiographie, blieb unbeirrt auf eisernem Kurs. 70% der 6,6 Millionen Israelis geben ihm recht. Sie finden Sharon "gut". Und die Umfragen über das Wahlverhalten am Dienstag bestätigen die Popularität Sharons. Er scheint als einziger Spitzenpolitiker das Vertrauen der Israelis zu haben, gerade was die Sicherheit des Landes betrifft.

Mitzna, Spitzenkandidat der Arbeitspartei, der öffentlich für einen einseitigen Abzug der Israelis aus den besetzten Zonen und für eine Trennung von den Palästinensern eingetreten ist, erinnert wohl allzu sehr an die erfolglosen Bemühungen Ehud Baraks. Zumindest hat die Likudpartei mit dieser Parallelisierung Wahlkampf betrieben und in den letzten Tagen damit viele Stimmen gesammelt.

Das entschiedene Vorgehen Scharons gegen "Terrornester" in den besetzten Gebieten erzielt anscheinend größere Wirkung als wohlmeinende Friedensabsichten, selbst wenn sie im Einklang mit der Meinung des Großteils der israelischen Bevölkerung stehen. Die Mehrheit der Israelis ist für einen Rückzug und für einen palästinensischen Staat, was sich immer wieder in Umfragen dokumentiert. Allerdings hat man kein Vertrauen zu den palästinensischen Verhandlungspartnern und große Angst vor neuen Anschlägen der fanatischen Terrorgruppen, die nach wie vor von ihren extremen Positionen nicht abrücken und von benachbarten Ländern, wie etwa Syrien, unterstützt werden.

In diesem Klima der Unsicherheit scheinen vor allen Dingen die eigenen Menschenrechte im Vordergrund zu stehen. Militärische Aktionen wie die Operation "Hot Iron" am Wochenende, wo in einer von Panzern und Hubschraubern geführten Attacke im Gazastreifen, der größten seit Beginn der zweiten Intifada, 13 Menschen getötet und nebenbei ganze Geschäftszeilen der ohnehin notleidenden dortigen Bevölkerung dem Erdboden gleichgemacht wurden, dürften Sharons Popularität keinen Schaden zufügen. Im Gegenteil: Immerhin wurden von dortigen Hamas-Stützpunkten aus Siedlungen in der israelischen Negevwüste und im Gazastreifen beschossen. Die Politik der eisernen Faust, die noch immer ein Stück härter auf solche Provokationen antwortet, scheint der Mehrheit mehr Schutz zu versprechen als jede andere Politik. Aus Angst vor Terroranschlägen während der Wahlen hat Israel bereits das Westjordanland und die Gazastreifen abgeriegelt.