Erste bemannte Mars-Mission bis 2010?

US-Präsident Bush will so schnell wie möglich zum Mars und ein neues nukleares NASA-Antriebssystem könnte ihm dabei helfen

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Die Spatzen sollen es bereits von den Dächern im Weißen Haus gepfiffen haben. Sofern die Ohren der Reporter der "Los Angeles Times" und vom NASA TV richtig gespitzt waren, und die possierlichen Vögel den Journalisten keinen waschechten Bären aufgebunden haben, wird US-Präsident George W. Bush in seiner heutigen mit Spannung erwarteten "Rede an die Nation" auch eine andere gefahrenträchtige, aber weitaus sinnvollere "Wüstenexpedition" thematisieren: Amerika soll bis zum Jahr 2010 eine bemannte Mission zum Mars starten. Bush verwegener Plan klingt abgehoben, wäre aber, wie NASA-Chef Sean O‚Keefe bestätigt, realisierbar. Ein nuklearer Raketenantrieb namens Prometheus könnte eine Astronautencrew binnen zwei Monaten zum Roten Planeten befördern.

Mars macht mobil (Bild: NASA)

Anfangs sah es noch danach aus, als würde in der Gerüchteküche der NASA wieder einmal heiß gekocht. Doch was der Chefkoch der US-Raumfahrtbehörde jetzt auftischte, entpuppte sich nicht als lahme Ente. Im Gegenteil, was Sean O'Keefe da jüngst servierte, dürfte immerhin den Gourmets der bemannten Raumfahrt durchaus geschmeckt haben, bestätigte doch der erste Mann der NASA kürzlich im hauseigenen NASA-Television"-Channel aus Marshall Space Flight Center in Huntsville, Alabama, dass man derzeit fieberhaft an einem neuen nuklearen Raketenantrieb arbeite, mit dem es in absehbarer Zeit möglich sein soll, den Roten Planeten im Rahmen einer bemannten Mars-Mission in nur zwei Monaten zu erreichen.

Bush will Nuklearantrieb

Erste Gerüchte, dass die NASA an einem Atomantrieb für eine Mars-Rakete arbeitet, verdichteten sich bereits in der vorletzten Woche, als NASA-Chef Sean O'Keefe in einem Interview mit Peter Pae von der Los Angeles Times freimütig einräumte, dass über diesen Aspekt US-Präsident George W. Bush noch in seiner heutigen "Rede zur Lage der Nation" vor beiden Häusern des Kongresses sprechen werde; spätestens aber am 3. Februar bei der Bekanntgabe des Etats für die Weltraumbehörde die geplante bemannte Mars-Mission ansprechen werde.

Er, wie O'Keefe betont, gehe davon aus, dass der staatliche Zuschuss dieses Mal üppiger ausfalle, weil eine große "Anzahl von sehr wichtigen Initiativen" anstehe. Momentan sei das Projekt immerhin mit einer Milliarde Dollar für fünf Jahre finanziert.

Nach einigen Irritationen scheint sich nunmehr zu bestätigten, dass die NASA von der US-Regierung den erforderlichen finanziellen Zuschlag für die Entwicklung und für den Bau des neuen Raketenmotors ‹Prometheus" tatsächlich erhält. Alles spricht dafür, dass die US-Raumfahrtbehörde dem Projekt demnächst oberste Priorität zugestehen wird, zumal so viel Zeit nicht mehr bleibt. Geht es nämlich nach George W. Bush, dann soll - ungeachtet der beträchtlichen Probleme und Gefahren, welche die erste Mars-Crew lösen und überstehen muss - die erste interplanetare bemannte Mission bereits bis zum Jahr 2010 eine neue Seite im Buch der Weltgeschichte aufschlagen.

Hin- und zurück in nur vier Monaten

So utopisch das Vorhaben auch klingen mag - technisch wäre es machbar, sofern der Trip zum Mars, dessen Entfernung zur Erde je nach Umlaufbahn zwischen 56,8 und 399,4 Millionen Kilometern beträgt, nicht auf der Basis eines chemischen, sondern eines atomaren Antriebs erfolgt. Denn während konventionelle chemische Raketen- und Raumsondenantriebe gerade mal auf rund 29.000 Stundenkilometer beschleunigen können und somit eine Mission zum Mars mindestens sechs Monate dauert, würde sich der Flug mit einem Atomreaktor auf ein Drittel der ursprünglichen Zeit verringern.

Vor dem Hintergrund, dass die Knochen und Muskeln der Raumfahrer bei einem längeren Aufenthalt in der Schwerelosigkeit trotz intensivstem Training peu à peu degenerieren und selbst der Kalziumverlust in den Knochen (bis zu 15 Prozent) nicht vom härtesten Fitnessprogramm gebremst werden kann, wäre eine Verkürzung der Reisezeit von sechs auf nur zwei Monaten von enormem Vorteil, liesse sich doch auf diese Weise auch die Einwirkung der hochenergetischen Strahlung, die auf die Besatzung in Form von permanenter kosmischer Strahlung (und Sonneneruptionen) niederprasselt, spürbar reduzieren.

Weiteres Abenteuer im Wüstensand?

Obwohl noch kein Missions-Entwurf zum science-fiction-verklärten Trip zum Mars, dessen Notwendigkeit Ex-Präsident George Bush 1989 noch mit eindringlichen Worten beschworen hatte, bislang auf dem Reißbrett an Konturen gewonnen hat und obgleich die NASA der selbst auferlegten Sparkurs-Devise "schneller, billiger, besser" nach wie vor strikt folgt und George W. Bush sich in der Vergangenheit nicht gerade als Befürworter der bemannten Raumfahrt hervorgetan, sich derweil eher anderen "Abenteuerexkursionen" im Wüstensand verschrieben hat, stehen dennoch die Zeichen für eine baldige bemannte Mars-Expedition nicht schlecht. Nicht schlecht deshalb, weil die jetzige Bush-Administration das Forschungs- und Entwicklungsprojekt für nukleare Antriebe in den letzten Jahren enorm forciert hat -natürlich auch aus militärischen Erwägungen heraus.

Von daher sollte Sean O'Keefes Prognose, dass Präsident Bush in seiner heutigen Rede an das amerikanische Volk das Promotheus-Projekt offiziell zu den wichtigsten NASA-Vorhaben aufwertet, besser mit einem Fragezeichen versehen werden, zumal alles darauf hindeutet, dass Bush aktuelles Abenteuer im asiatischen Wüstensand ohnehin den Schwerpunkt der heutigen Ansprache ausmachen wird. Höchstwahrscheinlich wird die Farbe des Wüstensandes, über dessen Herkunftsland Bush heute mit Sicherheit böse Worte verlieren wird, nicht rötlicher Natur sein.

Atomantrieb kein neuer Hut

Auf der Suche nach einem geeigneten Atomantrieb forscht die NASA bereits seit Jahrzehnten. Schon in den 1950ern und 1960ern investierte die US-Raumfahrtadministration viele Milliarden Dollar in die Entwicklung eines Nuklearantriebs. Auch für die Mondraketen des Apollo-Programms hatten die damaligen Raumfahrtexperten diese Technologie auf ihrer Planungsliste. Doch Unzuverlässigkeit im Betrieb und Rückschläge bei den Tests führten schließlich 1973 zur Einstellung dieses Projekts.

Promotheus soll es besser machen - und umweltfreundlicher. So soll der Atomantrieb nach Aussage von Experten erst nach dem Start mit einem herkömmlichen chemischen Antrieb in einer Erdumlaufbahn zusammengebaut und der Prozess der Kernspaltung erst danach in Gang gebracht werden. Auf diesem Wege soll ein Austritt von radioaktivem Brennstoff - aus welchen Gründen er auch immer geschehen mag - und eine großräumige Verseuchung verhindert werden.

Aber nicht nur für eine bemannte Mars-Expedition, sondern auch für unbemannte Raumsonden könnte sich ein Nuklearantrieb als sehr nützlich erweisen. Die interplanetaren Roboter würden ihre Zielplaneten oder Monde etc. viel schneller erreichen - und mithilfe einer nuklearen Energieversorgung wäre deren Lebensspanne ohnehin länger als mit einer Solarenergieversorgung.

"Moreover, space nuclear power opens up an aperture, dramatically, in terms of the kind of space science experimentation we can pursue," erklärte O'Keefe im NASA-TV. "It's something that we've fantasized about in the past. It's within range. It's within reach. That's a lot of what the Project Prometheus effort is all about."

Näheres zur beabsichtigten Mars-Mission (und darüber hinaus)