Alles nur ein Rechenfehler

Einer japanischen Wiederaufbereitungsanlage "fehlen" über 200 Kilogramm Plutonium

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Es ist keines der Länder, die der US-Präsident der von ihm ausgemachten "Achse des Bösen" zugerechnet wird. Es ist auch kein "Schurkenstaat", der zum Bau von Massenvernichtungswaffen notwendiges Material an Terroristen liefert. Vermutlich ist in Japan auch nichts Unrechtes geschehen, vielleicht hat man sich nur an irgendeiner Stelle verrechnet. Jedenfalls "fehlen" 200 Kilogramm Plutonium, die von einem Atomkraftwerk produziert wurden. Damit ließen sich einige Atombomben oder auch "dirty bombs" herstellen.

Die japanische Regierung hat der International Atomic Energy Agency (IAEA) den erstaunlichen Vorfall mitgeteilt. Seit 1977 wurden in der Wiederaufbereitungsanlage in Tokai 6890 Kilogramm Plutonium aus verbrauchten Brennstäben gewonnen. Das sind 206 Kilogramm weniger, als es eigentlich sein sollten. Zu dem Ergebnis kam man in Japan allerdings erst nach 16 Jahren, denn 1986 wurde bereits von der IAEA darauf hingewiesen, dass von der Wiederaufbereitungsanlage weniger Plutonium ausgewiesen wurde, als eigentlich anfallen müsste.

Keiji Tsukamoto, der Sprecher des dafür zuständigen Bildungs- und Wissenschaftsministeriums, verwies auf den von der japanischen Regierung in Auftrag gegebenen Untersuchungsbericht, der zur Schlussfolgerung kommt, dass das fehlende Plutonium wohl entweder sicher verwahrt wurde oder gar nicht wirklich existiert. Entschieden wurde vom Ministerium der Verdacht zurückgewiesen, dass das gefährliche Material unrechtmäßig aus der Anlage weggebracht worden sei oder gar zur Herstellung von Waffen abgezweigt worden sein könnte.

Am liebsten hätten es Japan und auch die IAEA, die seit langem schon genauere Messtechnologien fordert, wenn das fehlende Plutonium nur ein Papiertiger wäre und sich Rechen- oder Messfehlern verdanken würde. Das IAEA führt die Diskrepanz allerdings bereits auf die Einführung neuer Messverfahren zurück, so dass die Zahlen "korrigiert" werden mussten. Neben Rechenfehlern könnte nach Regierungsmitgliedern die falschen Zahlen auch dadurch entstanden sein, dass ein Teil des fehlenden Plutoniums vom Kühlwasser aufgenommen worden sei. Gestärkt wird Japan jedenfalls vom IAEA-Direktor ElBaradei, der sagte, er sei davon überzeugt, dass kein nukleares Material verschwunden sei.

Japan, das einzige Land ist, das mit Atombomben angegriffen wurde, betreibt zahlreiche Atomkraftwerke, bezieht ein Drittel des Stroms von diesen und ist nicht besonders bekannt für deren Sicherheit. Just in der Wiederaufbereitungsanlage in Tokai, die in den 70er Jahren gebaut wurde, kam es 1997 zu einer Explosion, bei der 37 Arbeiter radioaktiv verstrahlt wurden und Plutonium sowie Cäsium freigesetzt wurde. Neben weiteren Unfällen kam es 1999 zu einem weiteren schweren Unfall, durch den zwei Angestellte starben. Aufgrund dessen beschloss die Regierung schließlich zumindest, weniger als die vorgesehenen AKWs zu bauen.

Zwischen 5 und 8 Kilogramm Plutonium wird zum Bau einer Atombombe benötigt. Bislang sind vor allem ehemalige Staaten der Sowjetunion dafür bekannt geworden, dass aus ihnen nukleares Material verschwunden ist oder leicht zu besorgen wäre (Verwaiste Atomgeneratoren). Für einen Terroranschlag wäre auch gar keine Atombombe notwendig, auch eine schmutzige Bombe, die nukleares Material enthält, könnte neben der Verstrahlung eines bestimmten Bereichs vor allem die Panik auslösen, auf die jeder Terroranschlag in seiner medialen Strategie zielt. Vor einem Nuklearterrorismus wurde bereits vor dem 11.9. gewarnt (Nuklearterrorismus).