Daten für die Polizei

Das französische Parlament hat am Dienstag das umstrittene Gesetz für die innere Sicherheit abgesegnet, das die Sicherheitskräften mit einer Unmenge an persönlichen Daten versorgen wird

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Um "die Entschlossenheit der Regierung" im Kampf gegen die herrschende "innere Unsicherheit" zu demonstrieren, wie es Innenminister Sarkozy vor der Abstimmung im Nationalrat formulierte, wurden die Polizeibefugnisse durch das neue Sicherheitsgesetz beträchtlich erweitert: Neben der Aufhebung der Verpflichtung, Personen, die in Polizeigewahrsam genommen wurden, von ihrem Schweigerecht zu informieren, der Ausdehnung des Deliktes der Beamtenbeleidigung oder -bedrohung auf deren Familienmitglieder (bis zu 2 Jahren Gefängnis und 30.000 Euro Geldstrafe) und der Erweiterung der nationalen Gendatenbank auf Verdächtige (DNA-Profiling à la Française), genehmigt das Gesetz den Beamten der Polizei und der Gendarmerie den Zugriff auf ihre Datenbanken. Wobei die Megadatei der Polizei, die Big-Brother-gekrönte STIC, laut der nationalen Datenschutzkommission CNIL, eine Fehlerquote von 25% aufweist. Die Datenbank der Gendarmerie hingegen, die JUDEX, ist derzeit noch ohne jeglichen rechtlichen Rahmen in Betrieb.

Doch das dürfte für die Regierung nicht wirklich ein Problem darstellen, war doch auch das 1995 ins Leben gerufene STIC (Verarbeitungssystem der festgestellten Straftaten) 6 Jahre lang auf illegalem Datenfang. Erst ein Dekret vom Juli 2001 lieferte die legale Basis nach. Laut einem Bericht des Senats enthielt das STIC letzten Sommer nominative Informationen über 4,5 Millionen Personen, die in eine Rechtsprozedur verwickelt waren (Täter, Opfer, Zeugen), 19,7 Millionen Prozeduren und 21,8 Millionen Straftaten.

Ein Zugangsrecht für die Betroffenen existiert nur auf indirekte Art und Weise: Wer über die gesammelten Daten zu seiner Person Bescheid wissen möchte, muss sich an die Datenschutz-Kommission wenden, die den Antrag auf Einsicht an die Behörden weiterleitet. Eine recht komplizierte und langwierige Prozedur, die für so manchen einige Überraschungen zu Tage fördern könnte: So veröffentlichte der Internetverband FIL eine Fehlerliste der CNIL, wonach eine beunruhigende Anzahl von Zeugen oder Opfern vom STIC in Täter verwandelt wurde. Die Datenschützer berichten, dass sie allein für das Jahr 2001 eine Fehlerquote von 25% feststellen konnten, wobei es sich hierbei nur um die Spitze des Eisberges der Verfehlungen handeln dürfte, da sie Einträge in die Polizeidatenbank nur auf eine Anfrage hin prüfen.

Kein Wunder also, dass sich die CNIL äußerst besorgt ob der beträchtlichen Erweiterung des Personenkreises zeigt, der mit dem Sarkozy-Gesetz nun Zugriff auf die Datenbanken bekommt: "Die Dienste der nationalen Polizei und der Gendarmerie können automatisierte Verarbeitungen von nominativen Daten betreiben", welche "Informationen über Personen ohne Alterbeschränkung enthalten, gegen die schwere oder übereinstimmende Indizien existieren, welche es als wahrscheinlich erscheinen lassen, dass sie als Autor oder Komplize an (...) einer Straftat teilgenommen haben", heißt es im neuen Sicherheitsgesetz.

Zugreifen können aber auch Zollbeamte, Staatsanwälte, U-Richter und "bevollmächtigtes Personal" der Behörden, welche einen Antrag auf Gewährung der französischen Staatsbürgerschaft oder einer Aufenthaltsgenehmigung bearbeiten. Auch Kandidaten für Posten in der öffentlichen oder privaten Sicherheit oder Bereichen, welche die nationale Souveränität und Verteidigung betreffen , können mit Hilfe der STIC oder JUDEX einer solchen behördlichen Prüfung unterzogen werden. Wobei auch Informationen über laufende Justizprozeduren aufgerufen werden dürfen.

"Je größer der Personenkreis, der zugreifen kann, desto höher die Fehlerquote", warnt die FIL. Noch dazu haben die Polizeidatenbanken ein langes Gedächtnis. Das Gesetz sieht die Löschung eines Eintrags nur im Falle eines "definitiven Freispruchs" vor. Es sei denn der zuständige Staatsanwalt ordnet deren Erhalt an. Falls das Verfahren mit einer Einstellung endete, soll dies in Form einer "Erwähnung" gespeichert bleiben. Ein kommendes Dekret wird die genauen Anwendungsmodalitäten, wie die Handhabung des Einsichtsrechtes oder die Aufbewahrungsdauer der Informationen festlegen. Das bereits existierende STIC-Dekret sieht eine Speicherdauer von maximal 5 Jahre vor, sofern der Täter nicht rückfällig wurde. Sieht man sich allerdings die Fehlerliste der Datenschutzkommission an, darf man einige Zweifel an der Genauigkeit bei den Eingaben oder der Entfernung von Informationen aus den Datenbanken hegen: So forderte die CNIL die Richtigstellung eines STIC-Eintrags, indem ein Mann fälschlicherweise als Mörder aus dem Jahre 1965 angeführt wurde....

Polizeidatenbanken als Selbstbedienungsläden

Was nun den bislang noch "fehlenden legalen Rahmen" der Gendarmeriedatenbank JUDEX anlangt, so könnte sich das für das Innenministerium bei der Erstellung des Anwendungsdekretes als problematisch herausstellen. Ein Manko, auf das der für das Sicherheitsgesetz zuständige bürgerliche Abgeordnete, Christian Estrosi, in einem Bericht für das Parlament vom letzten Dezember sogar hinweist: Da das JUDEX "auf keinem einzigen Rechtstext fundiert ist", stelle sich die Frage, ob das kommende "Dekret für die Gesamtheit der Datenverarbeitung der Polizei und der Gendarmerie Gültigkeit haben wird, oder ob es nötig sein wird, mindestens zwei vorzusehen? Das eine für das STIC und das andere für das JUDEX?".

Hier wird wohl besondere Obacht von Nöten sein, ist doch die sechs Jahre währende illegale Vergangenheit der STIC gerade dabei, ihre damaligen User einzuholen. Laut einem Bericht von ZDNet, verlangt ein ehemaliges hochrangiges Mitglied der französischen Freimaurer, dass sämtliche Personen, die das STIC vor seiner offiziellen Autorisierung verwendet haben, von einem Untersuchungsrichter gehört werden. Was eine erkleckliche Anzahl von in Frage kommenden "illegalen" Benutzern ausmachen dürfte, da neben den Offizieren der Kriminalpolizei auch Staatsanwälte Zugang zur Datenbank hatten. Wohl mit ein Grund, warum der Richter das Ansinnen am 9.Januar abgewiesen hat. Der ehemalige Freimaurer hat allerdings bereits ein Berufungsgericht mit der Angelegenheit betraut.

Ebenjener Mann soll es auch gewesen sein, der die längst überfällige Legalisierung der STIC durch die Regierung Jospin ausgelöst hatte. Ende 2000 wusste dieser als Belastungszeuge von den seltsamen Praktiken dreier seiner Logenbrüder, alle drei Kriminalpolizisten, gegen die mittlerweile Untersuchungen eingeleitet wurden, zu berichten: Der Zugang zur STIC sei auch dazu verwendet worden, künftige Freimaurer auf ihre Unbescholtenheit hin zu überprüfen. Allerdings soll auch der "petzende" Logenbruder selbst von diesen Informationen profitiert haben. Dank des neuen Sicherheitsgesetzes wird nun eine ganze Heerschar von Beamten mit der Versuchung konfrontiert sein, die höchst vertraulichen Datenbanken mit einem Selbstbedienungsladen zu verwechseln.