Die IP-Zwillinge

Prominenter Befürworter von Waffenbesitz in den USA fälschte sich im Web seinen größten Fan

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Der Ökonom und Buchautor (More Guns, Less Crime) John R. Lott Jr., der auch zu dem der Bush-Regierung nahestehenden neokonservativen Think Tank "American Enterprise Institute" (AEI) gehört, ist sein eigener größter Fan, und der Titel - "Mehr Waffen, weniger Verbrechen" - gleichzeitig die Quintessenz seines dreisten Werkes.

Wenn also alle good guys Waffen hätten, dann würden die bad guys brav zu Hause bleiben. So dumm diese Logik auch sein mag, bei vielen Verteidigern des Waffenbesitzes verschoss sie ihr Feuer nicht umsonst.

Manche Menschen tun fürchterliche Dinge mit einer Waffe und andere benutzen eine Waffe, um fürchterliche Dinge zu verhindern,

hat Lott in einem Interview gesagt.

Lott jongliert mit Statistiken wie der, dass Staaten mit einer geringen Anzahl von Waffen Verbrechensraten aufweisen würden, die über der von Texas liegen, wo die höchste Waffendichte zu finden ist. Die wissenschaftliche Sauberkeit von Lotts selbst durchgeführter Survey, die ihn u.a. zu der (im Text fast fünfzigmal wiederholten) Behauptung führte, dass 98 Prozent weniger Verbrechen verübt würden, wenn jeder eine Knarre hätte, wird allerdings in verschiedenen Weblogs immer wieder bezweifelt. Es wurde sogar vermutet, dass Lotts gesamte Erhebung fabriziert ist und sich aus fremden und erfundenen Zahlen speist.

Seit drei Jahren hatte Dr. Lott im Netz eine vehemente, eine wütende und dabei auch noch äußerst informierte Verteidigerin. Sie hieß Mary Rosh, eine ehemalige Studentin ("Er ist der beste Lehrer, den ich je hatte"); sie kämpfte für ihn in Online-Foren und Weblogs und sie verfasste eine hymnische und viel zitierte 5-Sterne-Rezension seines Buches bei Amazon.

"Lott writes very well. He explains things in an understandable commonsense way. I have loaned out my copy a dozen times and while it may have taken some effort to get people started on the book, once they read it no one was disappointed." - Amazon-Kritik von Mary Rosh

Ein Fan und Lobbyist? Ja, und zwar wie sich jetzt herausgestellt hat, einer, der dem Wirtschaftswissenschaftler mehr als nur nahe steht. Im Weblog Julian's Lounge fiel auf, dass Mary Rosh sich exaltiert beschwerte, warum man sich nicht zuerst an Lott selbst wende, bevor man etwas über ihn poste. Doch woher wusste sie, dass man Lott nicht geschrieben hatte? Der feine Doktor selbst hielt sich übrigens ausdrücklich von den "ordinären" Bloggern fern:

Ich nehme an der Schusswaffen-Diskussionsgruppe nicht teil, und ich nehme auch nicht an den Online-Newsgroup-Diskussionen teil, aber ich beantworte Emails. Wer Fragen hat, kann sie stellen, aber ich mache nicht bei diesen Online-Gruppen mit.

zit. bei Notes from the Lounge

Mary Rosh war dafür umso öfter vertreten und sie hatte, wie sich jetzt herausstellte, einen IP-Zwilling, der wie sie in Pennsylvania lebt... und John Lott heißt, eine Entdeckung, die einigen Wirbel auslöste und sogar der Washington Post einen Artikel wert war.

MaRyRoSh sind, so hat Lott mittlerweile zugegeben, die ersten Buchstaben der Namen seiner Söhne. Ist doch schön, wie Pseudonyme immer etwas bedeuten. Angeblich posteten der 13jährige Sohn und Lotts Frau die Texte. Viel wahrscheinlicher ist, dass der Mann selbst hinter dem nom de net stand, um seine Kritiker ins Kreuzfeuer zu nehmen.

Wahrscheinlich hätte ich das nicht tun sollen, nein, ich bin sicher, dass ich das nicht hätte tun sollen

John Lott

Wäre schön, wenn Lott das auch über sein Buch sagen würde.