"Don, lass' die Finger davon!"

Margarete Rumsfeld im Gespräch mit Telepolis

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Margarete Rumsfeld ist zuerst in den Tagesthemen aufgetreten, sozusagen als menschliche, alteuropäische Stimme gegen den bösen US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, der kaum einen Tag auslässt, um Deutschland und West-Kontinental-Europa irrelevantes, undankbares oder gefährliches Politikverhalten vorzuwerfen. Nun ist sie dabei ein Medienstar zu werden.

Nach der Pressemitteilung der ARD Tagesthemen droht jetzt ein kleiner Familienboykott in Deutschland. Rumsfeld sei sozusagen familial oder sippentechnisch isoliert. Von der aktuellen Münchener Sicherheitskonferenz aus gebe es für den US-Hardliner keine offene Tür mehr bei Rumsfeld in Weyhe bei Bremen. In dem Tagesthemen-Feature drohte die resolute Verwandte sogar damit, ihrem berühmten Familienmitglied mal so richtig den Kopf zu waschen. O-Ton: "Dem wird ich..." Das klang nach der mütterlich-beherzten Zivilcourage einer neuen Inge Meysel aus dem niederdeutschen Flachland. Der Wortlaut der Tagesthemen-Presse-Begleitmeldung:

"US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hat nie einen Hehl aus seinen deutschen Wurzeln gemacht. Mehrmals besuchte der US-Politiker seine Verwandtschaft im niedersächsischen Landkreis Diepholz. Bisher war er dort auch immer herzlich Willkommen. Doch die Bande über den Atlantik drohen zu zerreißen: Familie Rumsfeld kann nicht verstehen, warum der Verwandte aus Amerika mit seiner Politik auf einen drohenden Irak-Krieg zusteuert. "Für uns ist das nur noch der Verteidigungsminister", sagte Margarete Rumsfeld in einem Zeitungsinterview.

Ein öffentlich-rechtliches Übertreibungsmärchen oder Realität? Rufen wir doch mal an: "Rumsfeld?" Eine temperamentvoll-herzliche norddeutsche Frauenstimme erklingt durch die Leitung. Magarete Rumsfeld meldet sich persönlich, 85 Jahre jung und heiter, mit klaren menschlichen Ansichten und einem Leben, das 1917 im Ersten Weltkrieg begann und das die Schrecken des zweiten Weltkriegs in aller Deutlichkeit erfahren musste. Sie pendelte zwischen Dänemark, wo sie in ihrer Kindheit und Jugend aufwuchs, und Bremen, der Stadt, aus der ihr späterer Mann stammte. Als im Zweiten Weltkrieg die Luftangriffe auf Bremen einsetzten, ging sie nach Danzig, wo sie als Rüstungsarbeiterin tätig war.

Margaretes verstorbener Mann Dietrich und Don, wie sie ihn immer noch liebevoll nennt, sind über einen 1866 in die USA ausgewanderten Ururgroßvater Rumsfeld, der sieben Kinder hatte, verwandt. Es waren keine engen Familien- oder Sippenbande, die die Rumsfelds über ein Jahrhundert zusammenhielten. Sondern die Ahnenforschung, über einen gleichnamigen Deutschlehrer in den USA, schuf die Kontakte, die dann bis zu Donald R. weitergeknüpft wurden. Anscheinend ein lockeres Band zwischen Club, Patenschaft und interatlantischer Adoption, mit dem man sich wahrlich schmücken konnte. Dreimal kam Donald Rumsfeld bei Bremen persönlich zu Besuch: 1972, 1974 und 1976.

Margarete bezieht dies auf die Epoche, bevor Donald bei Ford Verteidigungsminister wurde. Man schrieb sich zu den offiziellen Anlässen, Geburtstagen und Festen. Tatsächlich war Rumsfeld beim ersten Besuch 1972 unter anderem Berater bei Nixon, 1974 US-Vertreter bei der NATO in Brüssel und 1976 bereits Kabinettsleiter (als Nachfolger von Dick Cheney) und der jüngste US-Verteidigungsminister unter Gerald Ford. Erst ab 1977, nach seinem Einstieg als Präsident des Pharmakonzerns G.D. Searle & Co. und seinem späteren Engagement als Militär- und Politikberater Reagans (1982-86) kamen keine weiteren Besuche mehr zustande.

Die Familientreffen bei Bremen verliefen in "freundlicher Atmosphäre". Davon waren einige Fotografien in den Tagesthemen zu sehen. Spiegel und Spiegel-TV legen jetzt nach. Eine Gratwanderung zwischen sachlicher Berichterstattung und Gegenpropaganda.

Vor zwei Jahren dann der entscheidende Einschnitt: Donald Rumsfeld macht in Washington weiter Karriere als erneuter Verteidigungsminister unter Bush junior. Und die Familie Rumsfeld schickt über einen jungen Spross in Berlin einen Glückwunschbrief mit einem letzten Original-Bruchstück von der Mauer. Alles Gute, Don. Aus seinen Händen wünschte man sich auch alles Gute für Deutschland und Europa und die Welt. Er bedankte sich.

Dann entwickelten sich die Dinge in eine andere Richtung:

"Don war immer sehr herzlich und nett, wenn er uns besuchte. Er hat gelacht und die ganze Familie freute sich. Nun hat er bestimmt keine Zeit mehr, uns zu besuchen. Unglaublich, wie aggressiv er jetzt ist. Er wirkt so aggressiv auf den Bildern im TV und in der Zeitung. Man erschrickt sich ordentlich. Wir sind das so nicht gewohnt. Don ist so anders geworden. Das muß an den Leuten in Washington liegen."

Donald Rumsfeld, ein Opfer der Verhältnisse?

Wie lange wird er das noch aushalten? "Eines haben die Rumsfelds gemeinsam", führt Margarete Rumsfeld stolz aus, "sie sind unglaublich stur und strebsam." Nach der Zeigefinger-Devise: "Wartet bloß ab, ihr werdet noch was erleben." Ist also die undiplomatische Rummy-Show auf urdeutschen Anlagen aufgebaut: "Im Deutschen lügt man, wenn man höflich ist..."?

Die deutsche Familie war immer schon an der Politik und am öffentlichen Leben interessiert. Donald Rumsfeld scheint dieses Talent konsequent zu einer extrem-konservativen Erfolgstrategie ausgebaut zu haben. Das mag manche beindrucken. Die deutschen Rumsfelds sind mit der Kriegs-Politik der US-Regierung, trotz aller Bedrohungen, nicht einverstanden. "Was würden Sie ihm jetzt sagen, wenn er vorbei käme?" Margarete Rumsfeld:

"Zwei Kriege reichen mir. Deshalb bin ich, wie meine Familie hier, gegen den Krieg im Irak. Don, lass die Finger davon!"