Doch nur wenig "Teuro"?

Ganz entgegen der massiv hochgefahrenen Medienschelte verlief im Rückblick die Euro-Einführung erstaunlich preisstabil. Es gab dennoch Mängel.

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Ein Jahr und mehr als ein Monat nach der Euro-Bargeldeinführung liegen nun die Jahresdaten zur Inflationsentwicklung vor - also ein Urteil zur Preisstabilität und den ökonomischen Effekten der neuen Währung. Es fällt, was die technische Seite und insgesamt (!) die Preisdisziplin der Unternehmen anlangt, auf den ersten Blick gar nicht schlecht aus. Aber es gab psychologische Probleme, die nicht nur bis heute ungelöst blieben, sondern deren Lösung gar nicht erst angegangen wurde.

Die Preisentwicklung über das Jahr 2002 ist nunmehr von den nationalen statistischen Ämtern publiziert worden. Deutschland hat dabei in der Eurozone am besten abgeschnitten, nämlich mit nur 1,3 % Preissteigerung, Belgien an zweiter mit 1,6 % und Österreich an dritter Stelle mit 1,7 % (harmonisierte Indizes). Das passt überhaupt nicht mit den Erfahrungen der meisten Menschen zusammen, die sofort und bitter antworten: Alles ist teurer geworden. Nun, was war da wirklich? Zuerst ein kleiner Rückblick.

Technokratie versus Populismus

Die Technokraten der EU-Kommission, der EZB (Europäische Zentralbank), der nationalen Zentralbanken und Regierungen, wollten die neue Währung blitzartig einführen. Sie setzten dabei auf gute logistische Vorbereitungen und eine intensive PR bis zum 1. 1. 2002. Mit einem Schlag war dann das neue Geld da, sehr schnell wurden tatsächlich die alten Währungen abgesaugt. Aber als die Verbraucher zusehends in Probleme kamen, waren weder Geld noch Plan für nachbereitende Informationen vorhanden.

Die konsum- bzw. wirtschaftspsychologische Seite einer solchen Jahrhundertveränderung, wie das die Einführung einer ganz neuen Währung über Staatsgrenzen hinweg ist, blieb völlig unbeachtet. Das mussten dann die Verbraucher in mühsamer tagtäglicher Arbeit für sich alleine lösen. Eine umfassende systematische Begleitforschung gab es auch nicht.

Fehlmeinungen vorab

Die meisten Beteiligten und die überwiegende Mehrheit der Verbraucher meinten, dass die Umgewöhnung flott, etwa so wie im Urlaub, in vierzehn Tagen oder so, vor sich gehen würde. Das war, und davon hätte man sich bei den Briten mit ihrer Pfund-Dezimalisierung 1971 (vgl. Keine Probleme mit der Euro-Umstellung?) umhören können, überhaupt nicht der Fall. Mit dem neuen Geld gab es trotz der allseits verkündeten guten Absichten natürlich auch die ersten Umstellungssünder: Teile der Gastronomie und etliche Dienstleister erhöhten mit der Euroeinführung auf etwas, manchmal auch auf deutlich höhere glatte Europreise.

Kollektive Teuro-Psychose?

Folge war: Die Befürchtung der Verbraucher, dass Unternehmen die Währungsumstellung zu Preiserhöhungen nutzen könnten, traf ein (siehe Gastronomie). Diese Preissteigerungen wurden von den aufgebrachten Medien ("Teuerungswelle droht !") an die Verbraucher aufgebracht zurückgemeldet, diese fanden den medialen Aufschrei wiederum im Alltagsleben öfter bestätigt: Eine Teuerungswahrnehmungsspirale begann sich damit zu entwickeln - objektive Wirklichkeit und subjektives Empfinden klafften dabei zusehends auseinander.

Die kollektive Teuro-Psychose befiel nach den Medien (deutsche Bild-Zeitung und österreichische Kronenzeitung kampagnisierten munter drauflos, was zumindest ihrer Auflage gut tat) natürlich auch die Politik, die ja immer ganz nervös auf die Medien hört (aufmerksamkeitsökonomisch). Erst das Hochwasser brachte eine Beruhigung an der medialen und politischen Teuro-Front.

Adverse selection

Allerdings hatte das wiederum einen positiven Aspekt: Der Druck auf die Unternehmen, an ihren Preisen nicht weiter oder nur vorsichtig zu drehen, wurde - parallel zu einer wohl auch konjunkturell bedingten Kaufzurückhaltung - intensiver. Es gab im Lauf des Jahres 2002 im Handel Preisaktionen wie noch nie zuvor, aber das waren eigentlich die Falschen, die da reagierten, denn die echten Preissünder (Gastronomie, Dienstleister) ließen die Preise cool oben.

Den echten Sündern hilft das Verbraucherverhalten: Gerade in der Gastronomie gibt es eine Art "adverse selection". Wenn das Lieblingslokal die Preise erhöht (was die Gastronomie übrigens regelmäßig tut), wird privat gemault, sich woanders, z. B. bei einer Zeitung beschwert, dennoch aber weiter hingegangen.

Wie es wirklich aussah...

Der Einzelhandel verhielt sich in Deutschland wie auch in Österreich recht preisstabil. Lebensmittel wurden im Jahresschnitt in Deutschland um 1% billiger, Alkohol und Tabak hingegen um 3,8 % teurer. Die Gastronomie und eine Reihe anderer Dienstleister (vom Friseur bis zum Museum) haben in Deutschland schlagartig mit 2002 und in Österreich langsamer, so nach einigen Monaten, ihre Preise auf glatte (runde) Euro- bzw. 10er-Centpreise aufgerundet, einige Betriebe haben dabei auch ordentlich zugelangt.

Das heißt, die durchschnittlichen Haushalte dürften euro-bedingt eigentlich nur wenig bis gar nichts in der Geldbörse gespürt haben, jene aber, die regelmäßig zum Friseur, und öfter zum Italiener gehen - manche DINKS (Doppelverdiener ohne Kinder) kochen kaum mehr selbst -, dazu noch häufig Alkohol und Tabak konsumieren, die spürten das ein Stück deutlicher. Was dennoch aber am Bierkonsumnichts geändert hat.

Ein Jahr nach dem Euro, dessen Einführung die Verbraucherzentrale-Bundesverband ja insgesamt nicht negativ bilanziert, schmälern nun die erhöhten Sozialbeiträge, erhöhte Tabaksteuer und Ökosteuer den Inhalt der deutschen Geldbörsen - den Teuro kann man hier allerdings vergessen...