Geschichten von der Veralterung

Die 80er Jahre waren ein Jahrzehnt des Schlachtens in der Maschinenwelt

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Vor Jahren, um genau zu sein: am 24. November 1983, kaufte ich mir eine Schreibmaschine für 1.100 Pfund. Es war eine Olympia Supertype, eine Büromaschine so groß wie ein Schreibtisch, das neueste Modell in der langen Folge von deutschen Schreibmaschinen, die wie Gewehre gebaut waren und ewig halten sollten. Natürlich kannte ich Computer für Textverarbeitung, aber ich benötigte eine wirkliche Schreibmaschine. Nebenbei war die Supertype keine alte Technik. Sie war eine Übergangsmaschine mit einem winzigen Bildschirm über der Tastatur, auf der die letzten 24 Buchstaben zu sehen waren, die ich getippt hatte. Das nannte man einen Buffer. Er ermöglichte es mir, meine Fehler zu korrigieren, bevor sie auf das Papier kamen. Kein Tipp-Ex mehr! Die Supertype besaß auch einen 8k-Speicher. Er konnte 16 unterschiedliche Geschäftsbriefe oder ein einziges Dokument mit 1000 Worten speichern.

Als ich gelernt hatte, die Maschine zu benutzen, war ich mit ihr sehr zufrieden. Bis 1984 dachte ich, dass sie großartig sei. Ab 1985 gab es dann sogar eine Supertype II mit einem Buffer für 48 Buchstaben und einem 16k-Speicher. Doch die Wahrheit war, dass diese Maschinen aus der Jurazeit, die Olympias, Olivettis, Remingtons und IBMs, nicht nur der Höhepunkt einer hundertjährigen Geschichte der Schreibmaschinen, sondern auch den ihren Schwanengesang darstellten.

Kurz vor Weihnachten 1985 kaufte ich meinen ersten Computer, ebenfalls für 1.100 Pfund. Es war ein Atari 520ST mit einem monochromen Bildschirm und einem Epson-Drucker. Für denselben Preis wie die Supertype konnte man mit ihm Dokumente auf einem Bildschirm, der so groß wie der eines Fernsehgeräts war, schaffen und verändern und 32 Mal soviel Daten speichern. 1988 hatte der verbesserte Atari ST-FM einen 1MB-Arbeitsspeicher und eine ebenso große Festplatte. Er hatte sich so sehr verbessert, dass er nun einen 1024 Mal großen Speicher wie die Olympia Supertype besaß, aber nur die Hälfte kostete.

Zehn Jahre, nachdem ich meine Supertype gekauft hatte, konnte ich Texte 10 Mal schneller auf einem PC mit einem 20.000 Mal größeren Speicher für kaum mehr als 500 Pfund verarbeiten. Die Wahrheit ist, dass in den 80er Jahren etwas Schreckliches mit den Schreibmaschinen geschehen ist. Sie haben sich von einer wichtigen Büroausstattung zu Symbolen der Veralterung verändert. Heute sind sie praktisch ausgestorben. Es gibt keine Verwendung mehr für sie, nicht einmal für den Zugang zu alten Daten, was der Hauptzweck von alten Computern ist.

Veralterung ist ein interessantes Thema, nicht nur bei Büromaschinen. Die 80er Jahre waren ein Jahrzehnt des Schlachtens in der Maschinenwelt. Die Schwarzweiß-Fotografie erhielt durch die Farbfotografie einen schweren Schlag, dann begannen computergenerierte Bilder die ganze Zukunft des Films in Frage zu bedrohen. In den Medien ersetzte das Videoband den Film im Fernsehen. In den Büros ersetzten Hot Desks die Zellenbüros, Faxgeräte sind wieder auferstanden, während Briefe verschwanden, und schließlich starteten Emails einen Gegenangriff und warfen sie aus der Bahn. Auf den Straßen ersetzte die Benzineinspritzung den Vergaser und unterschiedlichste Accessoires wie Laptops, Telefone und Becherhalter breiteten sich um den Zigarettenanzünder aus, den man nicht mehr für Zigaretten benötigte. In der Unterhaltung zogen CDs zusammen mit Kassetten ein und die LPs verschwanden. Im Freizeitsport wurden Dinghis von Surfbrettern und Schnellbote von Jet-Skis überrundet.

Was lässt sich aus all dem lernen? Dass die Technologie, aus der permanent neue Arten entstehen und die keine Nischen im Markt bestehen lässt, hinter sich eine Spur aus Leichnamen hinterlässt. Millionen von alten Maschinen und veralteten Geräten. Die meisten gelangen irgendwann in die Mülldeponien, aber einige geraten auch in die Hände von Innenarchitekten, Museumskuratoren, privaten Sammlern und Restaurateuren. Und diese Leichenfledderer verwandeln diesen Abfall wieder zur Kultur. Was die Veralterung uns lehrt, ist, dass Kultur nur eine andere Form des Konsums ist.