Wo ein Jahr nur 3,5 Tage dauert

Erste Beobachtung eines sonnennahen Planeten, der verdampft

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Die Suche nach Exoplaneten bringt immer wieder wichtige Grunderkenntnisse über die Entstehung und Entwicklung von Sonnensystemen. In der aktuellen Ausgabe der Wissenschaftszeitschrift Nature berichten Astronomen über die erste Beobachtung eines sonnennahen Planeten, der langsam verdampft.

Künstlerische Vorstellung vom verdampfenden Planeten HD209458b. Abbildung: European Space Agency, Alfred Vidal-Madjar

Das Hubble Space Telescope und der Spektograph STIS macht es möglich: zum ersten Mal konnte die Atmosphäre eines Planeten außerhalb unseres Sonnensystems beobachtet werden, die langsam in den Weltraum verdampft. A. Vidal-Madjar, A. Lecavelier des Étangs, J.-M. Désert, R. Ferlet, G. Hébrard vom Institut d'Astrophysique de Paris, G. Ballester vom Lunar and Planetary Laboratory der University of Arizona und der bekannte Planetenjäger M. Mayor vom Observatoire de Geneve nahmen den Planeten HD209458b, der seit 1999 bekannt ist, genauer ins Visier. HD209458b war der erste Exoplanet, der direkt beobachtet werden konnte, weil er von der Erde aus gesehen, vor seiner Sonne vorbeizieht und dabei einen Teil ihres Lichts verdeckt. Der Rückgang der Helligkeit der Sonne während der dreistündigen Eklipse ermöglichte die Bestimmung der Größe und Beschaffenheit des Planeten (vgl. Erstmals wurde ein Planet außerhalb unseres Sonnensystems beobachtet). 2001 gelang es mittels des Hubble Teleskops das Element Natrium in der Atmosphäre nachzuweisen - der erste Beweis für die Atmosphäre eines extrasolaren Planeten überhaupt.

HD209458b kreist um den Stern HD209458 im Sternbild Pegasus (s. Karte Position HD209458), der 150 Lichtjahre von der Erde entfernt ist und unserer Sonne ähnelt. Der Planet ist ein heißer Gasriese, ähnlich Jupiter, aber er kreist hundert Mal näher an seiner Sonne. Ein "Jahr" dauert auf HD209458b nur 3,5 Tage. In einer Distanz von nur 7 Millionen Kilometern wird er intensiv bestrahlt und muss sich gegen Hitze und Gravitation seiner Heimatsonne behaupten. Seine Chancen stehen in diesem Kampf nicht sehr gut und die neuen Analysen seiner Atmosphäre zeigen, dass er langsam verdampft, bis nur noch ein dichter Kern von ihm übrig sein wird.

Die Analyse seiner Atmosphäre ist durch die Veränderung des ultravioletten Strahlenspektrums seiner Sonne möglich, während er vor ihr vorbeizieht. Das Team um Vidal-Madjar richtete sein Augenmerk auf die charakteristische Signatur des Wasserstoffs, die so genannte Lyman-Alpha-Strahlung (vgl. Lyman alpha systems and cosmology). Die Wissenschaftler beobachteten drei Transite des Planeten, um ihre Ergebnisse abzusichern. Es zeigte sich, dass die Wasserstoff-Atmosphäre von HD209458b sich über 200'000 Kilometer ausbreitet. Das heiße Gas strömt mit einer Geschwindigkeit von 100 km pro Sekunde vom Planeten weg. Einer der Autoren, Alain Lecavelier des Étangs, erklärt:

Die Atmosphäre ist aufgeheizt, der Wasserstoff entflieht der Schwerkraft des Planeten und wird vom Sonnenlicht abgestoßen, um dann als langer Schweif hinter dem Planeten herzuziehen - wie bei einem Kometen.

Mindestens 10'000 Tonnen Wasserstoff gibt der Planet dabei pro Sekunde ins Weltall ab. Wahrscheinlich ist der Verlust aber noch wesentlich höher und führt dazu, dass er irgendwann nur noch ein kleiner, dichter Planet ohne Wasserstoff mit der Masse Neptuns sein wird.

Spannend ist diese Entdeckung nicht nur bezüglich HD209458b. Von den inzwischen mehr als 100 entdeckten extrasolaren Planeten, kreisen 15 Prozent sehr nahe an ihren Sonnen und erleiden dadurch wahrscheinlich das gleiche Schicksal wie der verdampfende Planet im Pegasus-Sternbild. "Daraus kann man schließen, dass Planeten, die sich anfänglich noch näher an ihren Sternen befinden, gar nicht erst lange überleben", erläutert David Charbonneau vom California Institute of Technology in Pasadena in einem begleitenden News&Views-Artikel. Das könnte der Grund sein, warum nur so wenige Exoplaneten in vergleichbar sternnahen Orbitalbahnen gefunden wurden.