Den Ein-Liter-Block Uran in einer Lastwagenladung Schafe entdecken

Kosmische Strahlen können besser als Röntgenstrahlen extrem dichte Materie wie Uran und Plutonium aufspüren

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Mit Myonen auf der Jagd nach Uran und Plutonium: In der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsjournals Nature berichten darüber Forscher des Los Alamos National Laboratory.

Eine durch ein Neutrino erzeugtes Myon in AMANDA. Die dünnen Linien deuten die Trossen an, die Punkte die Photomultiplier. Die dicke Linie mit Pfeil stellt die rekonstruierte Bahn des Myons dar. Die Farbkodierung der getroffenen Photomultiplier indiziert die Ansprechzeit, von rot (früh) über grün, gelb und blau zu violett (spät). Die gemessene Amplitude wird durch Größe der Kreise symbolisiert. Bild: AMANDA

Das Los Alamos National Laboratory wird sich unter anderem durch die National Nuclear Security Administration finanziert, und macht sich nicht zuletzt deshalb Gedanken über die nationale Sicherheit und die Möglichkeit, dass Terroristen "schmutzige Bomben" bauen könnten (vgl. Über dreckige Bomben und Saubermänner). Entsprechend lautet die Überschrift der Pressemitteilung des Labors zur neuesten Entdeckung: "Cosmic particles find potential role in homeland security".

Die Mitarbeiter Konstantin N. Borozdin, Gary E. Hogan, Christopher Morris, William C. Priedhorsky, Alexander Saunders, Larry J. Schultz und Margaret E. Teasdale stellten fest, dass kosmische Teilchen eine wichtige Rolle beim Aufspüren radioaktiver Materialien spielen können. Sie bauten einen Detektor, der den Weg der Myonen aufzeichnet, während sie dichtes Material wie Plutonium und Uran durchdringen. Diese Informationen können dann sofort verwendet werden, um mithilfe eines Computers ein dreidimensionales Bild des untersuchten Objekts anzufertigen. Das Verfahren eignet sich sehr gut, um Nuklearmaterial aufzuspüren, selbst wenn es gut kaschiert in sehr großen Objekten wie Lastkraftwagen, Autos und Schiffscontainer transportiert wird.

Myonen sind Elementarteilchen und natürlicher Teil des Zerfalls Kosmischer Strahlung in der Erdatmosphäre (vgl.AMANDA: Durchbruch auf der Jagd nach unsichtbaren Phantomen). Sie sind die "schweren Brüder" des Elektrons mit gleicher einfach negativer Ladung, aber dem 205-fachen Gewicht. Ihre Lebensspanne ist extrem kurz, nach nur zwei Mikrosekunden zerfallen sie wieder (vgl. Lebensdauer von Myonen). Diese Partikel können aber auch künstlich hergestellt werden und dienen in der Forschung bereits zum Entdecken von Magnetfeldern in der Größenordnung von weniger als einem Nanometer (vgl. Myonen als magnetische Mikrosonden).

Im Gegensatz zum Röntgen ist der Beschuss mit Myonen für den Menschen gesundheitlich vollkommen ungefährlich. In jeder Minute durchdringen 10'000 dieser Teilchen pro Quadratmeter die Erdoberfläche, wie sind ihnen also ständig ausgesetzt, ohne nachteilige Folgen. Mindestens fünf Myonen durchqueren unseren Kopf in jeder Sekunde.

Bei der neuen Detektormethode werden sie in ihrem natürlichen Fluss durch das zu untersuchende Objekt geschickt und dann ihre Bahn mit simplen Sensoren gemessen. Einfach und wirkungsvoll.

"Es ist eine Menge Arbeit zwischen einer Idee und einem Erfolg", erläutert der Astrophysiker des Projekts William Priedhorsky.

Die meisten Ideen taugen nichts, aber diese hier funktionierte. Neue Ideen für Sensoren und Verarbeitungsmethoden, die aus der Grundlagenforschung kommen, sind wesentlicher Bestandteil unserer nationalen Sicherheitsmission. Es hat unglaublich gut geklappt, wir waren wirklich überrascht. Wir wussten, dass in den 70-er Jahren der Physiker Louis Alvarez die Myonen-Absorption verwendet hat, um das Innere der zweiten Pyramide in Gizeh zu kartieren, aber niemand hatte die verschiedenen Daten auf ihre weitere Nützlichkeit hin erforscht. Wir haben heraus gefunden, dass wir zum Beispiel einen Ein-Liter-Block Uran inmitten einer Lastwagenladung Schafe entdecken könnten...

Im Unterschied zur Röntgenografie ist dieses bildgebende Verfahren mit Myonen eine kostengünstige und gefahrlose Methode zum Aufspüren von geschmuggeltem radioaktiven Material. Aus den Gebieten der ehemaligen Sowjetunion verschwindet ständig waffenfähiges Nuklearmaterial, aber auch in Japan fehlt mal das ein oder andere (vgl. Alles nur ein Rechenfehler), und die US-Regierung ist sehr beunruhigt, dass Terroristen es in die Hände bekommen könnten. Die Wissenschaftler aus Los Alamos - wo auch schon einiges verschwunden ist (vgl. Supraleitendes Plutonium) - sind zuversichtlich, bald ein praktisches Anwendungssystem ihres neuen Myonen-Detektors zu realisieren. "Wir denken, wir können in einem Jahr ein solches System bauen," meint der Co-Autor Christopher Morris.