Spurensuche nach außerirdischen Welten

Mit COROT schickt die ESA das weltweit erste Weltraumteleskop in den Orbit, das schwerpunktmäßig nach extrasolaren Planeten Ausschau halten soll

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Ein europäisches Team von Wissenschaftlern aus fünf Nationen sowie der Europäischen Raumfahrtorganisation ESA bereitet gegenwärtig die erste Satellitenmission vor, bei der aus der Erdumlaufbahn heraus gezielt nach außerirdischen Welten in fremden Sonnensystemen gefahndet werden soll. Die Vorbereitungszeit ist knapp bemessen; die heiße Phase hat gerade begonnen. Bereits im November 2005 soll COROT starten und nach der "zweiten Erde" suchen. Aufgrund der extrem genauen Teleskop-Auslegung kann das orbitale Teleskop Planeten von nur wenigen Erdradien Größe detektieren, die sich auf relativ nahen Bahnen um ihre jeweilige Sonne bewegen. Wenn COROT die neue Ära der weltraumgestützten Planetensuche einläutet, stehen seine Nachfolger bereits in den Startlöchern.

Bilder: ESA

Von Aristoteles bis Kant haben sich die klügsten Männer den Kopf zerbrochen, ob in unserem Universum andere Lebensformen existieren. Und jetzt stehen wir kurz davor, endlich dieses Jahrtausende alte Geheimnis zu lüften.

Geoffrey W. Marcy, der zu den weltweit führenden Planetenjägern zählt, ist sich durchaus darüber im klaren, dass er als Forscher des 21. Jahrhunderts in einem entscheidenden Punkt zu den privilegierten seines Genres zählt, entstammt er doch schließlich einer Astronomen-Generation, die sich - offensiv wie nie zuvor - der Suche nach Lebensformen im All, ob primitiver oder intelligenter extraterrestrischer Natur, verschrieben hat und dabei durchaus Chancen auf Erfolg hat.

Wettrennen zwischen NASA und ESA

Getragen von diesem Motiv, inspiriert von dem Unbekannten und beseelt von dem Gedanken, als erste einen handfesten Beweis der Existenz einer fremden Lebensform vorlegen zu können, kommen Marcy und seine Kollegen aus der Planetenjäger-Zunft sowie Exobiologie diesem selbst gesteckten Ziel scheinbar stückweise immer näher. Dabei profitieren sie in gewisser Weise auch von dem schon seit länger währenden Konkurrenzkampf zwischen der NASA und der ESA.

Dass beide Weltraumagenturen sich den "astrobiologischen" Auftrag auf ihre Fahnen geschrieben haben, manifestiert sich deutlich in vielen anstehenden, kurz- und langfristig geplanten Weltraummissionen. Geradezu symbolisch hierfür steht die neue Generation der Weltraumteleskope, von denen einige sogar ausschließlich für die Suche nach erdähnlichen Planeten und Spuren von Lebensformen konzipiert wurde.

Auf die Spurensuche nach Exoplaneten wird sich bald auch die ESA begeben - und en passant vielleicht sogar die alles entscheidende Zäsur in der Planetenforschung markieren, indem sie den ersten erdähnlichen Planeten außerhalb des Sonnensystem an Land zieht. Denn wenn die NASA im Jahr 2007 mit dem Kepler-Satelliten ihr erstes spezielles Fernrohr für Exoplaneten in die Erdumlaufbahn schießt, könnte das europäische COROT-Observatorium womöglich schon eine neue Seite im Buch der bisher noch recht jungen Geschichte der Exoplaneten-Forschung aufgeschlagen haben. Dann könnte sich bereits der zeitliche Vorsprung des (COnvection ROtation and planetary Transits) amortisiert haben.

Bis zu 60.000 Sterne im Visier

Wenn der 4,20 Meter hohe und 670 Kilogramm schwere COROT-Satellit in einer polaren Umlaufbahn in 826 Kilometer Höhe Position bezieht und alles - wie Commander Data sagen würde - im Bereich normaler Parameter funktioniert -, beginnt eine insgesamt zweieinhalb Jahre währende Mission, bei der COROT fünf Himmelssektoren für jeweils etwa fünf Monate anvisieren wird. Für diese Prozedur ist das satelliteneigene 27-Zentimeter-Teleskop zuständig, das zwischen 30.000 bis 60.000 Sterne nach so genannten Transits durchforstet. Bei der Transit-Technik visiert das Weltraumteleskop ferne Planeten an, die vor ihrem jeweiligen Heimatstern vorbeiziehen. Sobald der Sterntrabant zwischen Teleskop und extrasolarer Sonne tanzt, wird das Licht, das der Heimatstern aussendet, zwar nur geringfügig abgeschwächt, aber immer noch stark genug, um den unsichtbaren Planeten indirekt sichtbar zu machen.

Konnten die Astrobiologen und Planetenjäger bei ihrer Suche nach extrasolaren Planeten mit den zur Verfügung stehenden bodengebundenen Teleskopen bislang ausschließlich über 100 extrem heiße, saturn- und jupitergroße ferne Welten aufspüren (abgesehen von einigen, die mit dem Hubble-Teleskop entdeckt wurden), die allerdings samt und sonders außerhalb der habitablen Zone liegen, so steht den Forschern mit dem im Orbit treibenden COROT-Observatorium alsbald ein hochempfindliches Messinstrument zur Verfügung, mit dem sie unabhängig von atmosphärischen Effekten, schlechtem Wetter und dem Wechsel von Tag und Nacht einen ungetrübten Blick ins All werfen können.

COROT kann Exoplaneten ab 2 Erdradien detektieren

Von daher könnte COROT als erster den Coup landen, einen extrasolaren Planeten von nur wenigen Erdradien Größe zu entdecken, der sich auf einer relativ nahen Bahn um seine Sonne bewegt. Immerhin halten selbst Experten diesen Optimismus für gerechtfertigt. "Wir erwarten von COROT die erstmalige Entdeckung kleiner, terrestrischer Planeten", sagt Frau Dr. Heike Rauer vom Institut Weltraumsensorik und Planetenerkundung des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum, dessen Abteilung Physics of Small Bodies and Extrasolar Planets sich primär mit der Erforschung der Kometen und Asteroiden in unserem Sonnensystem sowie mit der Suche nach extrasolaren Planeten befasst.

Die Abschätzungen sagen eine Messgenauigkeit von Planeten ab wenigen Erdradien Größe voraus. Diese müssen aber kürzere Umlaufzeiten als die Erde um die Sonne haben, da COROT ja nur 5 Monate kontinuierlich auf ein Bildfeld schaut und man einen Transit mindestens drei Mal beobachten möchte um sicher zu sein,

so Frau Rauer.

Voller Optimismus blickt auch Dr. Günther Wuchterl vom MPI für extraterrestrische Physik, Garching in die Zukunft.

Eines ist klar, COROT wird weit unter die Radien der Gasplaneten kommen. Und ein Planet mit zum Beispiel zwei Erdradien ist für mich ein erdähnlicher, terrestrischer Planet. Mit etwas Glück wird der erste erdähnliche extrasolare Planet von COROT entdeckt werden. Das wäre ein ganz großer Schritt in Richtung zum Nachweis einer zweiten Erde. Ich glaube, dass COROT die Chance hat, nachzuweisen, dass erdähnliche Planeten etwas verbreitetes sind.

Dr. Martin Pätzold vom Institut für Geophysik und Meteorologie der Universität Köln relativiert den Sachverhalt mit nüchternen Zahlen.

In der Beschreibung der Instrumente und in den Veröffentlichungen wird von einem minimalem Radius von 1,5 Erdradien gesprochen, mit der die Verdunklung der Sternscheibe durch einen Planeten detektiert werden kann. Dies wären drei Erdmassen. In anderen Diskussionen wurde von 3 Erdradien gesprochen; dies wären 10 Erdmassen.

In Bezug auf die Ausbildung von extraterrestrischen Lebensformen ist Pätzold wie die meisten seiner "Kollegen" durchaus zuversichtlich.

Ich bin grundsätzlich davon überzeugt, dass das Universum von Leben nur so erfüllt ist. Die Spanne der Lebensformen reicht eben vom einfachen Bakterium bis zu einer intelligenten (?) Lebensform als Vertreter einer hochstehenden technischen Zivilisation oder anderen Formen, die wir uns (noch) gar nicht vorstellen können. Aber hier ist das Problem 'die Verifikation'.

COROT ist Produkt multinationaler Anstrengung

Außer den Wissenschaftlern aus Deutschland vom DLR, der Thüringer Landessternwarte, der Universität Köln und dem Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching sind auch Forscher aus Österreich und Belgien sowie Spanien und Forscherteams aus der Europäischen Weltraumagentur ESA zusammen mit ihren französischen Kollegen an der Mission beteiligt. Zwar steht das Projekt unter der Federführung der französischen Raumfahrtagentur CNES, dennoch wird COROT in dem ESA-eigenen Forschungs- und Technologiezentrum ESTEC in den Niederlanden auf Herz und Nieren getestet, wobei der Empfang der Daten in der bei Madrid gelegenen ESA-Bodenstation Villafranca erfolgen soll, von wo dieselbigen an die beteiligten Institutionen weitergeleitet werden.

Das Institut für Weltraumsensorik und Planetenerkundung des DLR in Berlin-Adlershof stellt die Flugsoftware her, die für die Steuerung der Instrumente und des On-Board-Computers sowie das Datenhandling zuständig ist. Mit eigenen Suchprogrammen sowie Verfahren zur Dateninterpretation der aus dem All gewonnenen Ergebnisse arbeiten Forscher des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik in Garching, der Universität Köln sowie der Thüringer Landessternwarte in Tautenburg intensiv mit. Aus Österreich sind am COROT-Projekt u.a. das Institut für Weltraumforschung sowie das Institut für Astronomie der Universität Wien besonders mit Fragen der Stern-Seismologie beteiligt. Denn neben dem Aufspüren von Exoplaneten widmet COROT sich auch der hochgenauen Sternenphotometrie. Um Fragen der Astro-Seismologie, der Sternbebenkunde zu beantworten, misst dabei das auf dem Satelliten montierte Teleskop zum einen den Lichtkurvenverlauf heller Sterne; hieraus kann COROT Rückschlüsse auf deren innere Struktur ziehen.

Menschen- oder tintenfischähnlich?

Wenn Corot die neue Ära der weltraumgestützten Planetensuche einläutet, stehen die Nachfolgemissionen bereits in den Startlöchern. Denn als erste Satellitenmission auf diesem jungen, entdeckungsreichen Gebiet der Planetenforschung dient COROT auch der Vorbereitung nachfolgender ESA- und NASA-Missionen wie "Kepler" (2007), Eddington (2008), Gaia (2012) und Darwin (2014).

Ob COROT in den exoplanetaren Atmosphären jedoch irgendwelche Lebensspuren entdecken wird, darf im Gegensatz zu der aktuellen ESA-Pressemeldung, worin diese Spekulation mit einem "offenen" Fragezeichen versehen wurde (so dass ungerechtfertigter Weise der Eindruck entsteht, als wäre COROT theoretisch dazu in der Lage) bezweifelt werden. Hierfür ist das Weltraumteleskop beileibe nicht qualifiziert und technisch adäquat ausgerüstet.

Die Stunde der exoplanetaren Atmosphärenforscher schlägt erst im Jahr 2014, nämlich dann, wenn der Terrestrial-Planet-Finder (TPF) (vgl. Planetendetektive wollen mit Fingerabdruck des Lichts außerirdisches Leben aufspüren) der NASA und kurz darauf die Darwin-Mission der ESA sich auf den Weg ins All machen. Beide auf dem Prinzip der Interferometrie basierenden Super-Teleskope können die eingefangene Strahlung dergestalt überlagern, dass die Bildschärfe fast einem 100 Meter großen Fernrohr entspricht. Zerlegen die teleskopeigenen Spektrographen das von den Planeten reflektierte Licht in seine farblichen Bestandteile, können sie Temperatur und chemische Zusammensetzung der Exoatmosphären ermitteln. Da jedes Element einen eindeutigen chemischen Fingerabdruck besitzt, verraten sich dabei alle potentiellen Biosignaturen, die auf Leben hindeuten.

Fänden die Forscher etwa auf einem erdähnlichen Planeten Sauerstoff, der auf der Erde durch Photosynthese entsteht, und detektierten sie auch noch Ozon, eine andere Form des Sauerstoffs, wäre dies zwar ein starkes Indiz für Leben. Aber eben kein Beweis, zumal die Astrobiologen zahlreiche nicht-biologische Prozesse kennen, die zu einer sauerstoffhaltigen Atmosphäre führen.

Zwar wäre die Entdeckung von Ozon schon einmal ein Schritt in die richtige Richtung, dennoch - und darin sind die Wissenschaftler einmütiger Meinung - sei das beste Indiz für extraterrestrisches Leben die Anwesenheit von Sauerstoff zusammen mit Methan oder Kohlendioxid, zumal diese Kombination auch in der Erdatmosphäre häufig anzutreffen sei. Dennoch: Sollten Darwin oder "TPF" dereinst einen Planeten mit Ozon und Methan finden, wäre damit aber längst noch nicht geklärt, welche Lebensformen die dafür notwendigen chemischen Prozesse in Gang gesetzt haben. Was dort lebt und wie es aussehen mag, ob menschen- oder tintenfischähnlich, ob es sein Dasein als Mikrobe fristet oder selbst die Lichtsignatur unseres Heimatplaneten untersucht - wir werden es zu Lebzeiten höchstwahrscheinlich nicht mehr erfahren. Oder etwa doch?