Hinterhältige Quasare

700 Millionen Jahre nach dem Urknall wurde in Quasaren ungeheure Menge von Sternen generiert - Viele davon waren und sind Futter für supermassive Schwarze Löcher

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Quasare müssen um ihren schlechten Ruf nicht bangen. Wenn das stimmen sollte, was jüngst ein internationales Radioastronomen-Team in der Fachzeitschrift "Science" (Science Express, April 2003) berichtet, dann gewähren Quasare nicht nur supermassiven Schwarzen Löchern einen Unterschlupf, sondern sorgen zugleich dafür, dass deren Nahrungsquelle nicht versiegt - "heute" wie damals. Wie die Forscher jetzt feststellten, entstand just in der Frühzeit der Quasare - 700 Millionen Jahre nach dem Urknall - eine ungeheure Menge an neuen Sternen. Darauf deutet eine Unmenge von Staub hin, die das Astronomenteam in zwei weit entfernten Quasaren fand. Vor 10 Jahren wäre die Spekulation, dass derart gewaltige Staubkonzentrationen und schwere Elemente bereits so "kurz" nach dem Urknall existierten, noch undenkbar gewesen.

Bilder: NASA

Schwarze Löcher haben sich in verschiedenen Größenklassen und Varianten im Weltall eingenistet. Mal treten sie als normale stellare Bestien von nur wenigen Kilometern Durchmesser in Erscheinung, die einem Muttergestirn entstammen, das nur einige Male schwerer ist als unsere Sonne. Ein anderes Mal präsentieren sie sich als mittelschwere gefräßige Energiemonster, die 10.000 bis 100.000 Massen unserer Sonne aufweisen oder gar als supermassive Ungeheuer, die rund eine Million bis zu einer Milliarde Sonnenmassen haben können, wozu auch das Schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße zählen dürfte.

Schwarzes Gewand

Wenngleich diese in punkto 'Masse' stark voneinander differieren, so weisen sie doch unverwechselbare Charakteristika auf, die ihr "Dasein" entscheidend prägen. In erster Linie macht ihre extreme Kompaktheit, ihre enorme Dichte den Unterschied. Gleiches gilt für deren unbändigen Appetit, der darin gipfelt, dass diese Gebilde jegliche Form von Materie und Energie gründlich und gierig absorbieren.

Signifikant für Schwarze Löcher ist aber auch das schwarze Gewand, das sie tragen. Während nämlich deren verräterische Spuren im optischen Licht bestenfalls als dunkle Schattierungen auszumachen sind, offenbaren sie sich hingegen im Röntgen- und Gammabereich um so deutlicher. Just aus solchen informationsreichen Strahlenemissionen konnten die Astrophysiker bislang ablesen, dass für die immense Leuchtkraft der galaxiengroßen am Rande des Universums driftenden Welteninseln nur Schwarze Löcher "verantwortlich" sein können, die selbst im Zentrum der Quasare heimisch geworden sind.

Da quasistellare (sternähnliche) Objekte sehr aktive in der Frühzeit kreierte extragalaktische Sternsysteme mit ausgesprochen strahlungsintensiven Kernen sind, überstrahlen sie im sichtbaren Spektralbereich das stellare Restsystem glattweg. Ihre Helligkeit kann Billiarden mal heller sein als die der Sonne. Dass Quasare dabei wie ein kosmisches Leuchtfeuer hell aufleuchten, ist auf die in ihren Zentren eingebetteten supermassiven und unersättlichen Schwarzen Löcher zurückzuführen, die beim Verspeisen der Materie für gewöhnlich intensive Radio-, Gamma- und Röntgenstrahlung abgeben.

Gravitationslinse verschaffte Ein- und Durchblick

Während sich die weit entfernten kosmischen Materie-Oasen im "sichtbaren" Licht des elektromagnetischen Spektrums allenfalls als hellen Punkt zu erkennen geben, können indes die Radioastronomen ein weitaus differenziertes Bild von Quasaren malen.

Von dem energie- und informationsreichen Gehalt von Quasaren konnte sich jüngst ein internationales Radioastronomen-Team überzeugen, dem auch einige Mitarbeiter des Bonner Max-Planck-Instituts für Radioastronomie unter der Leitung von Frank Bertoldi angehörten.

Wie die Forscher in der Fachzeitschrift Science nunmehr berichten, konnten sie in zwei weit entfernten Quasaren - darunter waren die katalogisierten Quasare SDSS J1148 und PSS J2322 - große Mengen Staub nachweisen, also Material, aus dem sich neue Sterne bilden.

Beim Gravitationslinsen-Effekt handelt es sich in der beobachtenden Astronomie um ein mittlerweile kaum mehr wegzudenkendes Verfahren, das auf einem natürlichen Prinzip beruht. Liegen zwei Galaxien in Sichtlinie hintereinander, so dass die erste die dahinter liegende verdeckt, wirkt die erste als Gravitationslinse. Ihre Schwerkraft verzerrt das Licht der verdeckten Galaxie - und platziert dadurch ihr Abbild dergestalt, dass es daneben liegend erscheint. Der Beobachter sieht das Objekt mehrfach, weil die Lichtstrahlen unterschiedliche Wege nehmen. Befinden sich das Objekt, die Gravitationslinse und der Beobachter sogar exakt auf einer Linie, werden die Lichtstrahlen des hinteren Objekts zu einem perfekten Ring, einem Einstein-Ring, um die Galaxis abgelenkt.

Dank solcher Phantombilder können die Sterngucker nicht nur hinter kosmische Fassaden blicken, sondern auch Indizien für (beispielsweise) das Vorhandensein von Dunkler Materie (Dark Matter) finden. Beim Quasar PSS J2322 kam in dem aktuellen Fall den Forschern aber der Zufall zu Hilfe: Eine bislang noch nicht identifizierte Gravitationslinse in der Sichtlinie zwischen der Erde und diesem extrem weit entfernten Objekt verstärkte und verzerrte dessen Strahlung zu einem "Einstein-Ring".

Die Forscher erhielten dank der kosmischen Lupe einen unerwartet detaillierten Einblick in die Gasverteilung im Zentrum des Quasars PSS J2322. Beide Beobachtungen belegen, dass bereits im frühen Universum, also etwa 700 Millionen Jahre nach dem Urknall, ungeheure Mengen an Sternen entstanden sind. "Solche starken Gravitationslinsen sind äußerst selten," meint Chris Carilli vom National Radio Astronomical Observatory (NRAO), der die hoch auflösenden Beobachtungen des Einsteinrings am Very Large Array in der Wüste Neu-Mexikos durchführte.

Schon nach den ersten Bolometer-Messungen mit dem 30-Meter-Teleskop von IRAM (Institut de RadioAstronomie Millimétrique), bei denen das Objekt ungewöhnlich hell erschien, hatten wir eine Gravitationslinse vor diesem Quasar vermutet.

Wärmestrahlung und staubige Molekülwolken

Bei den Observationen richtete sich die Aufmerksamkeit der Astrophysiker besonders auf die Wärmestrahlung der Quasare. "Die Wärmestrahlung ist ein starkes Indiz dafür, dass dort extrem viele Sterne entstehen. Die Messungen deuten darauf hin, dass die Sternentstehungsrate in Quasaren tausendmal höher ist als in normalen Galaxien wie unserer Milchstrasse" erläutert Frank Bertoldi.

Tatsächlich verteilt sich die Wärmestrahlung durch die Ablenkung im Gravitationsfeld der Vordergrundgalaxie auf einen runden Ring. Aus der Größe und relativen Position des Rings und des optischen Abbildes des Quasars konnten die Wissenschaftler ableiten, dass Staub und Gas auf eine ausgedehnte und wahrscheinlich abgeflachte Scheibe mit einem Durchmesser von zirka 12.000 Lichtjahren verteilt sind. Dagegen konzentriert sich das Schwarze Loch mit seinem umgebenden heiß leuchtenden Gas auf eine Region von wenigen Lichttagen.

Nunmehr sehen sich Frank Bertoldi und seine Kollegen bestätigt:

Dieser Glücksfall eines durch eine Gravitationslinse verstärkten Quasars hat unsere Vermutung untermauert, dass in den staubigen Molekülwolken der Quasare in großer Zahl neue Sterne entstehen. Denn die Strahlungsintensität der Wolken ist so groß, dass sie bei einem so großen Abstand zum Schwarzen Loch nicht mehr durch dieses selbst verursacht werden kann.

Krönung mehrjähriger Operation

Die Entdeckung des Einstein-Rings und der Staubemission in den entferntesten Quasaren ist die Krönung einer mehrjährigen Kooperation zwischen den Forschern aus Deutschland, Frankreich und den USA. Systematisch hat die Gruppe in den letzten vier Jahren mit der MAMBO-Kamera am 30-Meter-Teleskop von IRAM etwa 150 Quasare auf Wärmestrahlung untersucht. Auch die aktuellen (und letzten) Messungen wurden mit der IRAM-Antenne auf dem Pico Veleta bei Granada in Spanien mit dem am Max-Planck-Institut für Radioastronomie entwickelten hochempfindlichen Wärmesensor MAMBO (Max-Planck-Millimeter Bolometer) und am Very Large Array (VLA) in Socorro/New Mexico durchgeführt.

"Dass solch gewaltige Mengen an Staub und schweren Elementen schon so früh nach dem Urknall in den ersten uns sichtbaren Galaxien existiert haben, hätte vor 10 Jahren noch niemand vermutet," verdeutlicht Frank Bertoldi, der zudem glaubt, dass die ersten massereichen Sterne am Ende ihres kurzen kosmischen Lebens mit gewaltigen Explosionen oder starken Winde viele schwere Atome in das umliegende Gas gemischt haben. Zwangsläufig gäbe es daher in diesen Gebieten, vermutete Bertoldi, bereits nach wenigen hundert Millionen Jahren auch ähnliche Anreicherungen von Kohlenmonoxid und Staub, wie die Astronomen sie heute, 13,6 Milliarden Jahre später, im interstellaren Gas benachbarter Galaxien noch immer vorfinden.