Die Invasion der Täufer

In einer Hand ein Glas Wasser, in der anderen die Bibel, welcher "befreite" Iraker könnte da widerstehen?

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Den Glauben teilen und ihn anderen bringen: Charles Stanleys Predigten werden von seiner 40 Millionen Dollar schweren Organisation In Touch Ministries in vierzehn Sprachen übersetzt, in die ganze Welt gesendet und scheuen nicht das politische Engagement.

Im Februar ereiferte er sich mit "Eine Nation im Krieg" für den Feldzug seines Präsidenten, eine Rede, die auch in arabischen Ländern wie Libyen und Iran gehört werden konnte. Fortan wird auch im Irak seine Stimme ertönen, doch konservative Fundamentalisten eilen auch persönlich auf den neuen Markplatz der christlichen Ideologie, die Koffer voller missionarischer Absichten. Wie Geier kreisen radikale christliche Heilsbringer über dem zerstörten Land.

Die "Southern Baptist Convention", der Stanley angehört, ist die zweitgrößte Glaubensgemeinschaft in den Vereinigten Staaten und die einzig große Kirche, welche den Krieg mit Verve befürwortet hat. Obwohl sie sich eigentlich einen anderen Mann hätte wünschen müssen, ihn zu führen; denn nicht Bush, der Ende der achtziger Jahre zur "United Methodist Church", der drittgrößten Glaubensgemeinschaft in den Vereinigten Staaten konvertierte, sondern sein Gegner Clinton und der ehemalige Vizepräsident Gore sind Südliche Baptisten. Der ehemalige Vorsitzende der Baptisten, Jerry Vines, hatte den Propheten Mohammed als einen "von Dämonen besessenen Pädophilen" bezeichnet und sein Nachfolger, James Merrit, verteidigte Vines mit den Worten, dass er "historisch gesehen" recht habe.

Die säkulare Welt neigt dazu, den Islam als ethnisches Phänomen zu betrachten, so dass es für diese Menschen eine Beleidigung wäre, sie zum Christentum zu bekehren. Doch das Christentum ist ein trans-ethnischer Glaube, der alle Menschen erreichen will....Der Christ sieht, dass im Irak Menschen leben, die nichts so sehr brauchen wie das Evangelium. Der Christ wird danach streben, das Evangelium auf liebevolle und einfühlsame, aber auch sehr direkte Weise zu den Menschen im Irak zu bringen. R. Albert Mohler Jr, einer der führenden Sprecher der Südlichen Baptisten

Getting started, preparing to go und returning home, das sind die drei Stufen, welche dem freiwilligen Heilsboten im Internet angeboten werden.

Zum Ärger einiger Männer aus dem Verteidigungsministerium und vieler Muslime weltweit war der Evangelist Franklin Graham am Karfreitag wieder im Pentagon zum Predigen eingeladen. Franklin Graham, Sohn des Großevangelisten Billy Graham, der mehreren Präsidenten als Berater diente und für seinen Antisemitismus bekannt war, zählt nicht nur zu den engen Freunden von George W. Bush. Er hat auch nach dem 11.September den Islam als "bösartige Religion" bezeichnet und führt in seinem neuesten Buch aus, dass Christentum und Islam sich so lange bekämpfen müssten, bis Jesus wiederkehre, was unmittelbar bevorstehe. Schon nach dem Golfkrieg 1991 hatte Graham Norman Schwarzkopf, Befehlshaber über die "Operation Desert Storm", geärgert, indem er Zehntausende von arabischsprachigen Ausgaben des Neuen Testaments nach Saudi-Arabien schickte, was gegen das saudische Gesetz und die Abmachungen der amerikanisch-saudischen Militärallianz verstieß. Graham damals:

Ich sehe ihren Standpunkt. Aber auch ich habe meine Befehle; und zwar vom König der Könige und Herr aller Herren

Graham Initiative Samaritan's Purse steht - im übertragenen Sinne - schon vor den Toren Bagdads, bereit einzumarschieren.

1975 sah Franklin die Armut der heidnischen Religionen und die entsetzliche Verzweiflung der Menschen, die von ihnen versklavt werden. Da hatte Gott sein Herz für die Mission gewonnen.

Samaritan's Purse

In Afghanistan wurden Mitarbeiter der Organisation "Shelter Now" unter dem Vorwurf der Mission von den Taliban inhaftiert. Der christliche Nationalismus einiger extremer Gruppen aus den USA könnte weltweit, vor allem aber unter muslimischen Extremisten große Irritation auslösen. Es geht auch anders: Viele religiöse Einrichtungen leisten Hilfe, ohne sich in religiöse Ideologie zu verstricken. Gerade religiöse und theologische Kreise warnen auch vor dem zusätzlichen Unfrieden, den die geplanten Aktionen wahrscheinlich eher bringen würden als eine Versöhnung.

Wir wissen, daß Versöhnung nach dem 2. Weltkrieg von den ausländischen Christen in ganz starkem Maße ausging. Aber was jetzt anders ist: Die Truppen, die jetzt kommen, sind eines anderen Glaubens. Die können sich nicht mit den Irakern zusammen in einem Gotteshaus versammeln und gemeinsam beten. Wie es hier in Berlin geschehen ist. Jetzt kommen da Christen und machen vieles kaputt und sagen, unsere Religion ist mehr wert als eure. Damit werden sie Schiffbruch erleiden.

Dietmar Lütz, Beauftragter der evangelischen Freikirchen in Deutsche Welle

Auch in den Vereinigten Staaten löst die offenbar bevorstehende Bekehrungswelle einige Skepsis aus. Der Theologieprofessor Walter Brueggemann spricht von typisch westlichem Imperialismus, der in dieser Situation nicht nur unsensibel, sondern schlichtweg absurd sei. Auch die US-Presse, welche manchmal etwas schwerfällig ist, wenn es gilt, kritischen Beitrag zu leisten, sieht, dass die Verantwortung im Irak nicht darin bestehen kann, die Menschen zu konvertieren. Wayne Madsen spricht in Counterpunch sogar recht drastisch und offensichtlich wütend von einem "christlichen Blutrausch":

Die Plünderung der historischen Schätze des Irak ist erklärbar, wenn man bedenkt, was die "blood cult Christians" wirklich vom Islam halten. Franklin Graham, Erbe des Imperiums seines anti-semitischen Vaters, hat beschlossen, dass es finanziell lohnender ist anti-muslimisch zu sein....Graham erfreut sich derselben fragwürdigen Nähe zum Weißen Haus wie sein Vater...und er hat in Bush, dem jüngeren einen fanatischen Anhänger gefunden...Er sieht offensichtlich eine Möglichkeit, Muslime und reuige östliche Christen zu seiner pervertierten Form des Blut-Kult-Christentums zu bekehren. Muslime und Christen im Irak wissen, dass er Essen, Wasser und Medikamente gegen die Taufe eintauscht. Um die Sache noch schlimmer zu machen, erhält Grahams "Samaritan's Purse" auch noch Regierungsgelder, etwas, das jedem amerikanischen Steuerzahler zuwider sein sollte... Gut informierte Quellen aus dem Vatikan wissen, dass der Papst zunehmend beunruhigt ist über Bushs ultimative Ansprüche. Bushs Blutrausch, seine wiederholten Glaubensbekenntnisse und seine ständigen Erwähnungen des Bösen weisen in den Augen vieler gläubiger Katholiken darauf hin, dass er derjenige sein könnte, vor dem in der Offenbarung gewarnt wird - der Anti-Christ