Was ist Wohlstand?

Geld ist wie beim BIP entscheidend, es kommt nur darauf an, wie man es berechnet

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"Wohlstand für alle" forderte Ludwig Erhard 1957 und die groß angekündigte Agenda 2010 soll nichts Geringeres bewirken, als unser aller Wohlstand sichern. Doch wie ist Wohlstand eigentlich definiert? Lässt sich Wohlstand messen oder vergleichen und wenn ja mit welcher Methode? Und wie fühlt er sich an?

Das Wohlstandsgefälle zwischen der DDR und der Bundesrepublik betrug präzise 1,2 Zentimeter. Die unterschiedliche Versorgung der jeweiligen Bürger mit Lebensmitteln, abweichende Qualitäten der medizinischen Leistungen und andere ökonomische und soziale Einflüsse hatten über Jahrzehnte dafür gesorgt, dass der Wessi den Ossi im Durchschnitt um die Kantenlänge eines Zuckerwürfels überragte. Das zumindest stellte der Mediziner Michael Hermanussen im Jahre 1992 beim Vermessen von einigen tausend 19-jährigen Wehrpflichtigen fest. Mittlerweile ist diese Lücke auf 0,4 Zentimeter geschrumpft und hat sich offensichtlich vorgenommen, sich langsam aber sicher gänzlich zu verabschieden.

Als Maßstab für den jeweiligen Wohlstand eines Volkes taugt der Vergleich der durchschnittlichen Körpergröße jedoch nur bedingt, daher werden die Wirtschaftswachstumsprognosen der sechs Weisen auch nach wie vor nicht in Millimetern angegeben.

Alles in den Beutel

Klassischerweise verwendet man in der Ökonomie das Bruttoinlandsprodukt - oder kurz BIP - als Wohlstandsmessgerät. Laut Lehrbuch misst das BIP "die Gesamtheit aller mit Marktpreisen bewerteten Güter und Dienstleistungen, die von einer Volkswirtschaft jährlich erbracht werden". Das Statistische Bundesamt drückt sich da zwar wesentlich komplizierter aus, meint aber im Kern das gleiche und veröffentlicht vierteljährlich die entsprechenden Zahlen. Das BIP ist also ein großer Beutel, in den jede neu gebaute Schnellstraße zum gerade erschlossenen Gewerbegebiet in Oer-Erkenschwick, jeder Kinobesuch in einem Multiplex, jede Olympiabewerbung von Stuttgart oder Düsseldorf, jeder Werbespot für Monatsbinden, jede Packung Bratkartoffeln aus der Tüte, jede Tonne Braunkohle aus Garzweiler II und jeder gekaufte Gemüsehobel aus der Fußgängerzone von Darmstadt gefüllt werden.

Nach einer festgelegten Zeitpanne wird dieser Beutel schließlich zugebunden und gewogen und danach sein Gewicht in Geld angegeben. So einfach ist das. Teilt man das Beutelgewicht nun durch die Nasenanzahl einer Nation, so erhält man als Resultat das 'Bruttoinlandsprodukt pro Kopf', das dem Vergleich der wirtschaftlichen Produktivität unterschiedlicher Staaten dient.

Nun basieren ja bekanntermaßen viele große Erfindungen auf relativ simplen Ideen. Wird dadurch aber im Umkehrschluss aus einer simplen Idee zwangsläufig eine große Erfindung?

Verquere Wirtschaftserfolge

Den Wohlstand nach dem Beutelprinzip zu messen birgt einige Gefahren in sich und kann zu folgenreichen Missinterpretationen und Fehleinschätzungen führen. Das BIP wertet nicht, urteilt nicht und unterscheidet nicht. Es zählt nur zusammen, was durch offizielle Monetenflüsse fließt. Ob eine Wirtschaftsaktivität langfristig wohlstandssteigernd ist, wie beispielsweise eine Innovation im Energiesparbereich, oder aber das Leben der nachfolgenden Generationen erheblich erschweren wird, wie etwa zügelloser Raubbau an der Natur oder Verschwendung von Rohstoffen, bleibt hierbei vollkommen unberücksichtigt.

Die Erfassung des Bruttoinlandproduktes kennt keine Zukunft und auch keine Vergangenheit, sie ist eine Momentaufnahme, ein Schnappschuss der augenblicklichen wirtschaftlichen Produktivität. Eine Regierung, die die Ressourcen ihres Landes plündern lässt, seine Atemluft und sein Trinkwasser verseucht und seine Bewohner krank macht, kann sich auf dem Papier unter Umständen durchaus mit einem beachtliches Inlandsprodukt brüsten. Fraglich ist, ob die Bürger dieses Landes das noch als Wohlstand empfinden würden.

Und es kommt noch bunter: Auch die Beseitigung von Umweltschäden, die Behandlung von Berufskrankheiten, die Entsorgung von Sondermüll, das Abtragen von Altlasten oder Klinikaufenthalte von Verkehrsunfallopfern landen nach dieser Berechnungsmethode ebenfalls auf der Haben-Seite einer Gesellschaft. Alles im Beutel, alles gewogen. Einer Meldung der Postbank zufolge, hat die Flutkatastrophe 2002 in Süd- und Ostdeutschland und die Bewältigung ihrer Schäden, das allseits so beliebte Bruttoergebnis der Nation um 0,3 Prozent erhöht. Die Betroffenen sollte man vielleicht besser nicht fragen, was sie von diesem Wohlstandsanstieg halten.

Clifford Cobb und Ted Halstead brachten in einer ihrer Arbeiten einmal das Beispiel eines Krebspatienten im letzten Stadium, der sich gerade scheiden lässt und obendrein noch den Wohnsitz wechselt. Die Summe der Wirtschaftsaktivitäten, die er auslöst, lassen den armen Kerl schnell zum 'Wirtschaftshelden' werden, obwohl er dies kaum genießen dürfte.

Zukunftsfähigkeit als Messlatte

Doch was von der einen Sorte zuviel in den Beutel fällt und fröhlich mitgewogen wird, dass fällt von der anderen Sorte unbeachtet daneben und taucht in den Berechnungen gar nicht erst auf: ehrenamtliche Arbeit, Familien- und Gemeinschaftsarbeit, Selbstversorgung Tauschhandel und Schwarzarbeit. In vielen Länder sind dies aber oft entscheidende wirtschaftliche Beiträge, die es durchaus verdient hätten mitgewogen zu werden.

Schon in den Siebzigern schickten sich einige kluge Köpfe an, die Schwachstellen in diesem System zu beseitigen. William D. Neuhaus und James Tobin (ja, der mit der Spekulationssteuer) entwickelten mit dem 'Measure of Economic Welfare' (MEW) eine Art Netto-Sozialprodukt, dass wesentlich differenzierter an die Beutelkriterien heranging.

Heraus fielen beispielsweise Staats- und Haushaltsausgaben, die lediglich Vorleistungs- oder korrektiven Charakter hatten. Reparaturen am System konnten also nicht mehr als problemlos als Produktivität verkleidet werden. Außerdem zogen sie einen Posten ab, in dem sie sämtliche Nachteile der Verstädterung und Zersiedlung zusammenfassten, also Umweltzerstörung, Luftverschmutzung Lärmbelästigung und Unfallhäufungen. Und erstmals wurden endlich auch Teile der Leistungen erfasst, die nicht monetär vergütet werden, wie etwa Haushaltseigenproduktionen oder der Wert der Freizeit. Die Summe dieser Berechnungen ergibt so das Maß des langfristig möglichen Wohlstandes.

Auf dieser Basis lässt sich sowohl das aktuelle Wohlstandsmaß, als auch die Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft ermitteln. Vom Schnappschusscharakter des BIP war nicht mehr viel übrig geblieben. Und schon ergaben sich erhebliche Abweichungen zwischen dem offiziellen Bruttoinlandsprodukt und dem MEW.

Die Marktwirtschaften verkommen zur eigenen Reparaturwerkstatt

1989 verfeinerten Herman E. Daly und John B. Cobb Junior dieses Berechnungssystem zum 'Index of Sustainable Economic Welfare' (ISEW), also zum Index eines nachhaltigen wirtschaftlichen Wohlstands. Der ISEW berücksichtigt Kosten für den Verlust von Ackerland, den Ozonabbau, Auto- und Industrie-Unfälle, Arbeitslosigkeit, wertet unbezahlte Hausarbeit und Kindererziehung und trägt schon im Namen die Zielrichtung dieser Berechnungen: Nachhaltigkeit.

Ed Mayo, der Direktor der New Economics Foundation in London, veröffentlichte 1997 ein paar interessante Grafiken, die dem Verlauf des Inlandsprodukt von hoch entwickelten Ländern den entsprechenden ISEW-Chart gegenüber stellten. Das Resultat war verblüffend: Stiegen BIP und ISEW von den fünfziger bis zu den siebziger Jahren beide fleißig an, so koppelten sie sich Mitte der siebziger Jahre vollständig voneinander ab und der ISEW fiel stetig nach unten, trotz weiterhin steigendem Bruttoinlandsprodukt. In den USA hatte sich beispielsweise das Bruttoinlandprodukt zwischen 1950 und 1990 zwar nahezu verdoppelt, der ISEW fiel im gleichen Zeitraum jedoch von 5.800 auf 4.500 Dollar pro Kopf. In anderen Industrienationen gestaltet sich das Bild ähnlich.

Die Schlussfolgerung aus diesen Zahlen ist so einfach wie fatal: Seit geraumer Zeit verkommen die fortgeschrittenen Marktwirtschaften zur eigenen Reparaturwerkstatt. Die zunehmenden Aufwendungen um selbstgeschaffene Schäden zu beseitigen, und die Grundfunktionalität des Wirtschaftssystems zu sichern, sehen zwar auf dem Papier hübsch aus, sie mindern aber de facto den gesellschaftlichen Wohlstand und die allgemeine Lebensqualität.

Wohlstand und Lebensqualität

Lebensqualität. Nach 1.021 Wörtern oder 7.721 Anschlägen (inklusive Leerzeichen und ohne Redaktionseingriffe wie Zwischentitel) steht es nun endlich da: das Zauberwort. Lebensqualität ist das, was wir meinen, wenn wir Wohlstand sagen.

Vielleicht handelt es sich wirklich schlicht um eine Begriffsverwirrung? Der englische Begriff 'Welfare', der nicht ohne Grund auch von Tobin und Nordhaus benutzt wurde, meint u.a. auch Wohlergehen oder Gemeinwohl. Das deutsche Wort 'Wohlstand' hingegen stammt noch aus einer Zeit, als der 'Stand' einer Person eine erhebliche Rolle spielte. Damals war Lebensqualität nur Personen hohen Standes ('wohl anständigen Leuten') zugänglich und qua Definition mit Reichtum identisch.

Hier genau liegt der Casus Knacktus: Sowohl sprachlich, als auch gedanklich wird gnadenlos an einer Definition aus dem vorvergangenen Jahrhundert festgehalten, obwohl sich die Welt mittlerweile massivst verändert hat und jedem, dem ein Stück gesunder Menschenverstand zugänglich ist, klar sein sollte, dass hier irgendwas nicht stimmen kann und wir mit diesem Anachronismus nicht mehr weiter kommen.

Ludwig Erhard mag man diese Gleichsetzung noch nachsehen, stammt sein Zitat doch aus einer Zeit, in der die individuellen wirtschaftlichen Grundbedürfnisse der Bevölkerung noch alles andere als gesichert waren und die primäre Aufgabe seiner Wirtschaftspolitik darin bestand, die Grundlagen eben dafür zu schaffen.

Und heute? Sicherlich ist uns unser Lebensstandard wichtig, aber was ist er uns wert?

Der gefühlte Wohlstand

Was nützt ein hübsches Eigenheim, wenn drumherum eine vierspurige Autobahn nach der anderen gebaut wird, oder künstliche Flussbegradigungen das kleine Bächlein vor dem Gartenzaun jeden Winter so sehr anschwellen lassen, dass der Tannenbaum unter Wasser steht? Was nützt mir ein fester Arbeitsplatz der mich zwar finanziell absichert, mich mittelfristig aber krank macht? Lohnt es sich für mich, einen neuen Job anzunehmen, der zwar mehr Geld bringt, der meine Freizeit aber auch halbieren wird? Hat sich die Neuansiedlung des Industriebetriebs für den Ort in dem ich wohne unter dem Strich gerechnet? Das Unternehmen hat zwar eine ganze Menge Arbeitsplätze mitgebracht, die Wasserqualität hat seitdem aber spürbar abgenommen und die Gemeinde ist gezwungen, ein neues Klärwerk bauen. Hat sich der Wohlstand erhöht?

Lebensqualität ist der wahre Wohlstand, frei nach Kachelmann: der gefühlte Wohlstand. Und wenn wir den Lebensqualitäts-Beutel füllen wollen, dann müssen da noch eine ganze Menge mehr Zutaten hinein: Möglichkeiten zur Bildung und Weiterbildung, kulturelles Angebot, freie Medien, freie Zeit, gute Freunde, eine glückliche Partnerschaft, Gesundheit, ein befriedigender Job, die Wahl, Kinder großzuziehen oder es halt bleiben zu lassen, gutes Essen, kühles Bier, schönes Wetter, spannende Fußballänderspiele...

Moment mal, haben wir uns da jetzt nicht ein klitzekleinwenig zu weit von den Wirtschaftswissenschaften entfernt und sind bei 'Wünsch dir was' gelandet?

Zurück zum Geld

Nicht ganz. Wenn wir Wohlstand nicht mit Kontostand gleichsetzen wollen, kommen wir um Faktoren, die das Wohlbefinden und die allgemeine Zufriedenheit beeinflussen, nicht länger herum. Fortschrittliche Ökonomen haben das schon seit einigen Jahren entdeckt und machen sich jetzt daran, immaterielle Einflüsse und Lebensumstände zu bewerten. Aber wie lässt sich der Impact, den zunehmender Fluglärm oder die Höhe der Inflationsrate auf unser Wohlergehen haben, formulieren? Ganz einfach, antworten Wirtschaftswissenschaftler wie der Brite Andrew Oswald: in Geld. Präziser: In der Summe Geldes, die nötig wäre, den negativen Einfluss, den eben Fluglärm oder die Höhe der Inflationsrate, auf ein Leben hat, vergessen zu machen.

Oswald und seine Kollegen gehen davon aus, dass nahezu jeder positive oder negative Lebensumstand in barer Münze ausgedrückt werden kann. Auf den ersten Blick eine gewagte Hypothese, je näher man sich mit der Idee beschäftigt, um so beeindruckender wird sie jedoch. Hier sind keine Zyniker am Werk, die uns hinten herum klar machen wollen, dass eben doch jeder seinen Preis hat, sondern Ökonomen und Psychologen, die sich vom 'Geld macht nicht glücklich' des Volksmundes nicht abschrecken ließen, mehrere tausend Personen befragten, die Ergebnisse auswerteten und danach eben ihre Schlüsse zogen. Wie Wissenschaftler das nun mal so tun.

Was kostet das Glück?

Oswald und sein Kollege Andrew E. Clark veröffentlichten 2002 ein Papier, in dem sie das erste mal konkrete Zahlen nannten. Der Verlust des Jobs schlägt dort beispielsweise mit 22.500 Euro zu Buche. Monatlich. Wohlgemerkt zusätzlich zu den finanziellen Einbußen, die Arbeitslosigkeit so oder so mit sich bringt. Demnach wäre der das plötzliche Ausbleiben der Erfolgs- und Misserfolgserlebnisse, die eine regelmäßige Beschäftigung mit sich bringt, der Verlust des Kollegenkreises, die Abnahme des Selbstwertgefühls und die Herabstufung im gesellschaftlichem Ansehen mit dieser relativ hohen Summe zu kompensieren. Statistisch gemittelt.

Oswald und seine Mitstreiter nutzten bei ihren Ermittlungen übrigens keine plumpen Was-wäre-es-Ihnen-wert-Fragen um zu diesen Ergebnissen zu gelangen, sondern sie ermittelten über zehn Jahre, wie persönliche Tragödien, freudige Ereignisse, Krankheit, Tod im Freundeskreis und andere Plot-Points des Lebens, sich auf das subjektive Wohlbefinden des Befragten auswirkten. Gleichzeitig analysierten sie, welchen Einfluss plötzlicher Reichtum, stetiger Gehaltszuwachs oder der Verlust größerer Summen Geldes auf die Zufriedenheit haben. Danach brauchten sie die entsprechenden Formeln nur noch miteinander zu verbinden und so umzustellen, dass auf der rechten Seite des Gleichzeichens ein Geldbetrag stand und: Voila, was kostet die Welt? Nach dieser Methode gehen die Glücksforscher momentan daran, den monetären Wert demokratischer Mitbestimmung, die Belastung von Berufspendlern, das Auswirkung von schweren Erkrankungen und den Verlust des Ehepartners zu definieren.

Mag der eine oder der andere auch Bauchschmerzen bekommen oder moralische Bedenken dabei haben, dass Werte wie Freundschaft oder Eheglück plötzlich wie Zahlenkolonnen auf einem Kontoauszug behandelt werden, so ist die konsequente Anwendung dieses Gedankens in ihrem Ergebnis verblüffend: Habe ich das Angebot, einen neuen Job anzunehmen, der mit zwar mehr Geld bringt, aber auch meine Freizeit erheblich einschränken wird, dann werde ich, mit Euro-Zeichen in den Augen, unter Umständen in den sauren Apfel beißen und diesen Job annehmen. Ganz einfach deshalb, weil ich den Wert meiner Freizeit noch nie in Euro und Cent definiert habe und mir daher ein Abwägen schwer fällt. Greife ich aber zu einer imaginären Umrechnungstabelle der Zufriedenheitsökonomen und stelle fest, das dort die Freizeit, die mir zukünftig entgehen würde, im statistischen Mittelwert doppelt so hoch bewertet wird, wie das monatliche Mehreinkommen, das ich zu erwarten habe, so werde ich mir die Sache wahrscheinlich zwei- oder dreimal überlegen.

Somit bringt uns die Einführung des Geldes als Zufriedenheitsmaßstab erstaunlicherweise eher ab vom rein materiellen Wohlstandsdenken, indem es unser Augenmerk auch auf die immateriellen Aspekte der Lebensqualität richtet. Wird uns der Wert von Gesundheit, einer intakten Umwelt, von Kunst und Kultur auf Heller und Pfennig vorgerechnet, sind wir wahrscheinlich eher abgeneigt, zu Gunsten schnellen Geldes darauf zu verzichten.

Und so schließt sich der Kreis: messen wir Lebensqualität in der Maßeinheit des materiellen Wohlstands, in Euro und Cent, dann haben wir Lebensqualität schließlich greifbar, messbar gemacht und Wohlstand letztendlich neu definiert.

BIP bleibt uns - und der Politik - wohl noch einige Zeit erhalten

Nun ist die Glücks- und Zufriedenheitsforschung noch ein sehr junger Zweig der Ökonomie und muss wahrscheinlich noch durch so manchen wissenschaftlichen Diskurs gereicht werden, aber die Aussicht, mit ihrer Hilfe eines Tages einen Wohlstandsindex vor uns liegen zu haben, der neben Produktivität und Wirtschaftlichkeit auch Lebensqualität und Zufriedenheit erfasst, erscheint faszinierend.

Bis das so weit sein sollte, wird wahrscheinlich noch viel Wasser den Rinnstein herunterfließen. Und bis dahin? So traurig es klingt, bis dahin wird der Wohlstand weiterhin als BIP ausgewiesen. Bei dessen Berechnung wird zwar mittlerweile auch hie und da an der einen oder der anderen Justierschraube gedreht, am Grundprinzip dürfte sich jedoch erst mal nichts ändern. So heißt es in einer diesbezüglichen Verordnung der EU aus dem Jahre 1996: Die wirtschaftliche Wohlfahrt hat jedoch viele Dimensionen, von denen die meisten primär nicht in monetären Kategorien dargestellt werden sollten. Für die Zwecke der Wohlfahrtsmessung ist es daher besser, wenn für jede dieser Dimensionen eigene Indikatoren und Maßeinheiten verwendet werden. ... Sie könnten in ein Satellitensystem aufgenommen werden.

Kurz: Uns ist zwar klar, dass das Gewicht des Bruttobeutels den Wohlstand eines Landes nur verzerrt darstellt, anstatt damit aber ein für alle mal Schluss zu machen, führen wir daneben lieber ganz viele, ganz neue Charts und eigene Hitparaden ein.

Dumm nur, dass Entscheidungsträgern und Bürgern somit nach wie vor hauptsächlich Prognosen und Analysen vorgelegt werden, die auf Basis der Alles-zusammen-wiegen-Methode erstellt werden.

Was ist denn nun also Wohlstand und vor allen Dingen wie viel? Vielleicht doch 1,2 Zentimeter?