"Alle ins Gefängnis?

Basken und Katalanen wollen mehr Autonomie, die spanische Regierung will mit Androhung von Gefängnisstrafen unerwünschte Volksabstimmungen verhindern

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Unter heftigem Protest der Opposition hat die in Spanien regierende Volkspartei (PP) ihre umstrittene Strafrechtsreform durch den Kongress gebracht (Volksbefragungen sollen in Spanien strafbar werden). Kriminalisiert werden sollen damit nun auch die neue katalanische Linkskoalition.

Alle Oppositionsparteien verweigerten aus Protest die Abstimmung und riefen gemeinsam mit den Zuschauern: "Hände hoch, das ist ein Überfall". Die Vereinte Linke (IU) entrollte ein Transparent mit der Aufschrift: "Alle ins Gefängnis". Deren Parlamentssprecher Felipe Alcaraz erklärte den Parlamentariern der PP, die angesichts der Kritik auffällig still blieben, nach dem Ende der Diktatur würden erneut "politische Delikte eingeführt, welche direkt die Präsidenten von Autonomen Regionen mit Gefängnis bedrohen". Von drei bis fünf Jahren Knast sind nach der Veröffentlichung der Reform im Gesetzesblatt alle bedroht, die ein Referendum abhalten, das Madrid nicht genehm ist. Man könne doch nicht wegen jedem "politischen Problem das Strafrecht ändern und versuchen Leute ins Gefängnis zu werfen", klagte Alcaraz.

Zunächst hatte sich die Reform gegen Bestrebungen im Baskenland gerichtet, ein neues Autonomiestatut auszuarbeiten und die Bevölkerung über den "freien Anschluss an Spanien" abstimmen zu lassen (Spanien will "Präventivschläge" auch im Innern ausführen). Doch nun hat die PP unter José María Aznar klar gestellt, das sie auch auf die neue Linksregierung in Katalonien zielt. Seit der Regierungsbildung am vergangenen Wochenende droht Aznars PP dem neuen sozialistischen Regierungschef Pasqual Maragall offen mit "Gefängnis".

Denn auch die von den Sozialisten (PSOE) geführte Regionalregierung, die von der Republikanischen-Linken Kataloniens (ERC) und der kommunistisch dominierten Initiative für Katalonien/Grüne (IC-V) abhängt, will ein neues Autonomiestatut für die Region ausarbeiten. Katalonien soll damit eigenständiger werden und ein eigenes Finanzierungssystem erhalten.

Die Zentralregierung stört, dass der Koalitionsvertrag vorsieht, wenn nötig, ein Referendum über das neue Statut abzuhalten. Innerhalb der nächsten 100 Tage wird es ausgearbeitet und soll dann bis im Frühjahr 2005 beiden Häusern des Madrider Parlaments vorliegen. Zur Abstimmung käme es, erklärte der am Dienstag zum Regierungschef gewählte Maragall, wenn die Reform dort abgelehnt oder behindert werde.

Der PP-Gründer Manuel Fraga Iribarne, Ex-Minister der Diktatur und heute Regierungschef in Galicien, ging angesichts der Bestrebungen in Katalonien sogar soweit, mit der Aussetzung der Autonomie und der Besetzung Kataloniens durch das spanische Militär zu drohen. Die Armee habe die Aufgabe die "Souveränität, Unabhängigkeit und die territoriale Einheit" zu schützen. "Wenn einige dieses Drama in Angriff nehmen wollen, nur zu", sagte Fraga. Mit einem "Hoch auf die Verfassung", die seine Parteifreunde, wie Aznar einst bekämpft haben, endete er.

Sein politischer Ziehsohn Aznar bringt vor allem ein Passus im Koalitionsvertrag der Katalanen auf die Palme, der nur Bündnisse mit demokratischen Parteien vorsieht. Seine mit absoluter Mehrheit und harter Hand regierende PP wird explizit ausgeschlossen. Aznar ließ es sich deshalb nicht nehmen, am Mittwoch im Parlament die Passage des Vertrags vorzulesen. Eigentlich sollte er sich für die Blockade rechtfertigen, welche beim EU-Gipfel die Verabschiedung einer EU-Verfassung zum scheitern brachte.

Jetzt bedrohen Aznars Mannen auch wieder die Sozialisten, weil sich Maragall gegen den harten Widerstand der Parteizentrale zu einem Bündnis mit der linksnationalistischen ERC durchgesetzt hat, die bei den Wahlen im November ihren Stimmanteil auf fast 17 Prozent verdoppelt hat. Die Drohungen aus Madrid zeigen, was von der Antiterror-Rhetorik zu halten ist, die stets im Fall der Basken zur Rechtfertigung undemokratischer Maßnahmen angeführt wird. Nun sind auch wieder Sozialisten von der Repression bedroht, die bisher alle Aktionen der PP unterstützt haben: Sei es das neue Parteiengesetz zum Verbot der baskischen Partei Batasuna, Verbote von baskischen Zeitungen und sogar die systematische Folter hat die PSOE gedeckt.

Eduardo Zaplana, Sprecher der spanischen Regierung, erklärt sich den Schwenk der PSOE mit ihrem Bündnis in Katalonien, sonst hätten die Sozialisten wohl auch diese Reform gestützt. Nur so lässt sich tatsächlich erklären, warum die Sozialisten nun Verfassungsklage dagegen eingelegt haben. Doch inhaltlich ist die PSOE zerstritten und hat keine klare Linie. Das zeigt sich auch daran, dass ihr Parteichef José Luis Rodríguez Zapatero noch am vergangenen Samstag im Baskenland gegen den Plan der Basken demonstrierte, der den Katalanen als Vorbild dient.

Der sozialistische Regierungschef in Katalonien zeigte sich gegenüber den Drohungen aus Madrid selbstbewusst. Zum Regierungsantritt erklärte er, die PP werde ohnehin im Frühjahr abgelöst und ihre Politik gestoppt. "Das neue Autonomiestatut ist kein Wunsch mehr, sondern schon jetzt eine Realität". Eine neue Etappe Kataloniens im Zusammenleben "mit den Völkern in Spanien, Europas und der Welt" werde jetzt definitiv eröffnet.