Leben in glühendem Gestein

Mikroben fraßen sich vor 3,5 Milliarden Jahren ihren Weg in Lavaströme

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Vulkane sind eine lebensfeindliche Umgebung - und dennoch finden sich auch in kochenden Schwefelwasserseen Mikroben. Doch sogar auf noch heißerem Pflaster, nämlich in vulkanischer Lava, wurde nun urzeitliches Leben gefunden

Das Leben auf der Erde hatte es anfangs schwer, weil der ganze vor etwa 4,6 Milliarden Jahren entstandene Erdball zunächst eine glühende, nur langsam erkaltende Kugel war. Doch wurden in Grönland Spuren von Leben entdeckt, das schon vor 3,8 Milliarden Jahren existiert haben muss. Und nun finden sich sogar in Lavagestein Spuren des Werkens der ersten Mikroben der Erde.

"Dichte Populationen von Bakterien ähnelnden Lebewesen finden sich als zylinderförmige Strukturen in dem gut erhaltenen vulkanischen Gestein," so Harald Furnes von der Stanford Universität in Science. Er und seine Kollegen lokalisierten dabei nicht die Reste der eigentlichen Mikroben, sondern ihren Abfall: Kohlenstoff, Stickstoff und organische Säuren wie Nukleinsäuren, allerdings auch die durch die Mikroben angelegten Strukturen im Gestein. Die Steine kommen vom Barberton Greenstone Belt in Süd Afrika und ihr Alter wird auf 3,2 bis 3,4 Milliarden Jahre geschätzt. Die Wissenschaftler sind der Meinung, dass Bakterien, die sich in den Stein hinein fressen, solche Stoffwechselprodukte zurück lassen. Diese Substanzen oxidieren die glasartige Substanz der Lava und hinterlassen ihre Spuren, nämlich körnige Formationen und röhrenförmige Strukturen.

Durch Mikroben entstandene röhrenförmige Struktur in Kissenlava vom Barberton Greenstone Belt in Südafrika (Bild: Science)

Dazu kommen als Zeichen biologischer Aktivität fadenartige Gebilde aus dem organischen Abbau. Sie messen ein bis neun Mikrometer in der Breite und bis zu 200 Mikrometer in der Länge. Diese Strukturen sind mit Titan ausgekleidet. Ferner sind Hohlräume bis zu neun Mikrometer erkennbar, die als Heime der Bakterien anzusehen sind. Schließlich zeigen die Analysen, dass der Kohlenstoff in diesen Röhrenstrukturen nicht als Karbonat gebunden wird. Das spricht für den mikrobiellen Abbau und nicht für eine chemische Reaktion. Auch sind Kalzium, Eisen und Magnesium nur vorhanden, wenn der Kohlenstoff fehlt. Diese Ergebnisse sind eine Überraschung. Sie bieten Hinweise auf die frühe Geschichte der Erde und sind dennoch nur Abfallprodukte der wissenschaftlichen Forschung.

In den Dehnungsfugen des Meeresbodens ("seafloor spreading"), in denen aufsteigende vulkanische Schmelzen untermeerische Schwellen bilden, werden ständig neue ozeanische Krusten gebildet, die sich symmetrisch nach beiden Seiten hin ausbreiten. Zugleich findet hier die Abkühlung der Erde statt. Doch nicht nur im Meer halten sich die Dehnungsfugen - auch überirdisch finden sich Formationen, in denen die Erde vor Millionen von Jahren dieser Dehnung ausgesetzt war. Sei es in China oder am Barberton Greenstone Belt in Südafrika: Die Wissenschaftler untersuchen Steine (Kissenlava), die unter Hitze und Druck entstehen. Der Stein gilt als glasartig, wenn er wie ein Obsidian durch den Einschluss kleinster Eisenkristalle schwarz aussieht. Obsidian wird häufig unter starker Abkühlung geformt, was ihn an seinen Kanten scharf wie die Klingen feinster Stahlblätter macht. So sind die Vorgänge zwischen dem Meeresboden, dem Wasser und den Steinen für Geologen interessant geworden und sind als "ophitische Struktur" bekannt geworden. Es gibt also gute Gründe, sich näher mit den Dehnungsfugen zu beschäftigen.

Kissenlava (A,B) und mikrobielle Muster vom Barberton Greenstone Belt in Südafrika (Bild: Science)

Dass hierbei nun die Entstehung der Erde im Archaikum verfolgt werden kann, ist ein Zufall. Viele Untersuchungen haben sich dieser Frage zugewandt und festgestellt, dass RNA und DNA die Voraussetzung des Lebens bilden. Der nächste Schritt ist die Bildung der Prokaryonten (Viren und gewöhnliche Bakterien) und der Archaebacteria, die als wärmeliebend (thermophil), methanliebend (methanogen) oder salzliebend (halophilic) eingestuft werden. Eine weitere Milliarde Jahre dauert es, bis die Eukaryonten entstehen, mit Kernen versehene Zellen, aus denen schließlich auch die Menschen hervor gehen.

Die ersten Lebewesen waren anaerob, weil der Sauerstoff in der Atmosphäre fehlte. Ferner waren sie wahrscheinlich wärmeliebend und zersetzend (fermentativ). Zunächst fand man Steine in Australien, welche Stromatoliten enthalten. Inzwischen fanden die Forscher solche Bakterien in der ganzen Welt. Ferner entstand die erste Photosynthese etwa zu dieser Zeit, vor 3,4 Milliarden Jahren. Die Photosynthese ermöglicht die Bildung von Glukose aus Kohlendioxyd (CO2) und Hydrogensulfid (H2S, Schwefelwasserstoff) mit Schwefel als Abbauprodukt.

Die Prokaryonten - primitive Lebewesen, die keinen Zellkern und keine Organellen besitzen -, stellen die Masse der Lebewesen dieser Zeit. Die neueren Untersuchungen zeigen nun, dass nicht nur die Stromatoliten zu den frühen Lebewesen zählen, sondern die steinfressenden Mikroben, die von Harald Furnes und anderen entdeckt worden sind.

Die zylindrischen Strukturen unterscheiden sich in Größe, Aussehen und Verteilung zwischen Trodoos ophiolite in Zypern (A und B) und in modernen Meereskrusten (C und D) (Bild: Science)

Das Argument, die chemische Reaktionen zwischen der Ozeankruste und dem Ozean rufe ähnliche Veränderungen hervor, konnte widerlegt werden. Denn sie sind völlig anders als bei den biologischen Vorgängen, was der Vergleich alter Bilder mit den neuen Aufnahmen aus frischer Lava zeigt. Die Autoren sind der Auffassung, dass weder das Muster noch die Strukturen bei der Bearbeitung entstehen, denn das Schneiden in kleine Schnitte und Segmente führt zu den bemerkenswerten Unterschieden, wie es in den Bildern zu erkennen ist. Insofern haben die neuen Ergebnisse frühere Zweifel an der Herkunft ausgeräumt. Damit gehören die Bakterien zu den frühen mikrobiellen Strukturen und waren möglicherweise sogar früher vorhanden als die Stromatoliten, die auch heute noch zu finden sind.