Die Ionosphäre als blinkende Neonreklame

Wissenschaftler schießen mit Kurzwellen auf Nordlichter

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Wieder einmal macht das gigantische Haarp-Projekt in Alaska von sich reden, in dem die Ionosphäre mit gebündelten Kurzwellen-Megawattaussendungen "aufgeheizt" werden soll, um Löcher hineinzubrennen. Zumindest ein Nordlicht konnten die Militärforscher nun erfolgreich mit ihrer persönlichen Note versehen.

Was "Haarp" (High frequency active auroral research program – aktives Hochfrequenz-Nordlichtforschungsprogramm) eigentlich genau macht und tut, ist etwas unklar – und das aus gutem Grund. Offiziell als wissenschaftliche Forschung deklariert, werden hier jedoch nicht etwa nur Nordlichter aktiv erforscht. Die Ionosphäre mit Kurzwellen zu vermessen ist schließlich seit Jahrzehnten üblich, um Werte wie die aktuelle MUF (maximal usable frequency), bei der die Kurzwellen bei senkrechtem Auftreffen nicht mehr an der Ionosphäre reflektiert werden, zu bestimmen und so die zu erwartenden Kurzwellenfunkausbreitungen vorauszusagen. Vielmehr bezeichnet Haarp seine Aufgabe selbst folgendermaßen:

HAARP is a scientific endeavor aimed at studying the properties and behavior of the ionosphere, with particular emphasis on being able to understand and use it to enhance communications and surveillance systems for both civilian and defense purposes.

Haarp program purpose
Webcam-Aufnahme des Haarp-Antennenfelds 2. Februar 2005, 17:31:08 Alaska Time

Es sollen also neue Kommunikations- und Überwachungssysteme – also Funk und Radar – für zivile und militärische Anwendungen weiterentwickelt werden. Dabei sind recht abstruse Techniken im Gespräch; so soll Haarp beispielsweise ein Loch in die Ionosphäre brennen, um durch dieses anschließend die darüber liegenden Partikelströme zu modulieren und so einen gigantischen Verstärker samt Antenne für besonders langwellige Funkwellen (ELF – extremely low frequencies) zu konstruieren. Diese durchdringen auch Wasser und sollen so der Kommunikation mit U-Booten dienen.

Eine andere Theorie: Es soll ein Radar gebaut werden, das ebenfalls mit langen Wellen auch unterirdische Höhlen findet. Ebenso sind Klimabeeinflussungen denkbar und die Erzeugung eigener Nordlichter. Und auf jeden Fall ein Lahmlegen des Kurzwellen-Funkverkehrs, der ja normalerweise weniger anfällig für mutwillige Zerstörungen ist als Satelliten, die in einem "Star Wars"-Szenario als erstes matt gesetzt würden. Ab 1958 schafften die Militärforscher allerdings, mit roher Gewalt in Form von Megatonnenbomben statt Megawattsendern alle drei miteinander zu kombinieren: Wasserstoffbomben in der Ionosphäre führten zu künstlichen Nordlichtern in der Südsee, dem Ausfall des Funkverkehrs und der erfolgreichen Verwandlung der ersten Telekommunikationssatelliten in verstrahlten Elektronikschrott (Atombomben im Weltall).

Deshalb wird Haarp gerne als das "kleinere Übel" anstelle weiterer Experimente mit Megatonnen-Atombomben akzeptiert, bleibt aber umstritten: Ein Array von 180 Antennen mit insgesamt mehreren Megawatt gerichteter Sendeleistung kann zwar keine echten Löcher in die Atmosphäre schießen, ist aber dennoch beängstigend und die Wissenschaftler hielten sich über ihre Forschungsergebnisse lieber bedeckt, zumal diese ohnehin großenteils in den Militärbereich fallen.

Ein Senderaum von Haarp (Bild: Haarp)

Todd. R. Pedersen und Elizabeth A. Gerken beschreiben nun aber in der neuesten Ausgabe von Nature, wie sie die Atome am 10. März 2004 in einem bereits existenten Nordlicht mit Funkbombardment verstärkt zum Leuchten anregen konnten. Und schon sprießen wieder Zukunftsvisionen ins Feld, von der Straßenbeleuchtung per künstlichem Nordlicht bis zur blinkenden Neon-Nordlichtreklame, der man auch auf dem Land garantiert nicht mehr entkommen kann. Die Lichtemissionen natürlicher und künstlicher Nordlichter finden sich dabei hauptsächlich als Spektrallinien atomaren Sauerstoffs bei 630 (rot) und 558 (grün) Nanometern.

Mit einer effektiven (gebündelten) Strahlungsleistung von 95 Megawatt wurde ein Areal von 26 x 37 km in etwa 100 km Höhe auf 5,95 MHz befunkt. Der große Kreis ist der Horizont, der kleine die angestrahlte Region. Die beiden Fotos sind im Abstand von fünf Sekunden aufgenommen (Bild: Todd. R. Pedersen und Elizabeth A. Gerken)

Die beiden Wissenschaftler hatten es dabei diesmal nicht auf die sonst von Haarp meist attackierte F-Schicht der Ionosphäre abgesehen, sondern die erdnähere E-Schicht. In einer bereits abflauenden Aurora wurde die Haarp-Anlage auf einen Himmelsausschnitt gerichtet und jeweils 7,5 Sekunden ein- und ausgeschaltet.

So schön Nordlichter auch sind, kann man nur hoffen, dass die blinkende Coca-Cola-Reklame am Nachthimmel per Haarp nicht in die Tat umgesetzt wird.

Die Kamera ist auf den magnetischen Nordpol gerichtet. In der oberen Fotoreihe war der Sender an und erzeugte Lichtflecken im Nordlicht. Die Bilder bedecken etwa 12°, die Flecken sind 1° oder etwa 1,75 km groß. Der Kontrast ist künstlich angehoben: 2/3 Helligkeit wird in diesen Bildern bereits als "schwarz" wiedergegeben. (Bild: Todd. R. Pedersen und Elizabeth A. Gerken)