Der Bose-Chip

Magnetische Teilchenfallen: Ein in einem mikromechanischen Bauelement gefangenes Bose-Einstein-Kondensat könnte sich als Interferometer zum Nachweis von Gravitationswellen eignen

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Ein mikromechanisches Bauelement lässt sich als magnetische Falle für ultrakalte Atomwolken nutzen. Ein Fernziel ist ein Interferometer für de-Brogliesche Materiewellen, ein solches Bauelement ließe sich nutzen als Sensor für winzige Magnetfelder, für Beschleunigungen einschließlich Winkelbeschleunigungen sowie für Gravitationswellen.

Erst 70 Jahre nach der Voraussage der Bose-Einstein-Kondensation gelang es, diesen Phasenübergang im Labor zu demonstrieren. Die Zeitschrift Philosophical Magazine lehnte im Jahr 1924 die Veröffentlichung Boses Manuskript ab, mit Einstein als Seniorautor war die Veröffentlichung bei einer deutschen Zeitschrift hingegen eine Formsache – daher der Doppelname. Das ist eine bissige Anmerkung des amerikanischen Physikers Hans Christian von Baeyer in seinem auf Deutsch erschienenen Buch Fermis Weg.

Das Prinzip der magnetischen Falle: Das von Strom I1 hervorgerufene, zylindersymmetrische Magnetfeld addiert sich vektoriell mit einem zusätzlich angelegten, homogenen Magnetfeld B bias senkrecht zum Strom I1. Die beiden statischen Magnetfelder kompensieren sich entlang einer Linie parallel zum Leiter Nr. 1, hier sind die Atome gefangen, und zwar einige Mikrometer oberhalb des Mikrochips. Das Zusatzfeld Boffset sorgt für ein parabolisches Potential, d. h. die gefangenen Atome schwingen harmonisch um die Gleichgewichtslage herum. Das zusätzliche Leiterpaar Nr. 2 dichtet die Atomfalle an den beiden Enden ab. (Bild: József Fortágh, Uni Tübingen)

Kühlt man eine Wolke von Atomen hinreichend stark ab, so manifestiert sich der Wellenaspekt der Teilchen. Die sich bewegenden Atome lassen sich mathematisch als Wellenpakete beschreiben. Die ungefähre Ausdehnung dieser Wellenpakete ist die thermische de-Broglie-Wellenlänge; diese wird umso größer, je weiter die Temperatur sinkt. Die Bose-Einstein-Kondensation beginnt, wenn die Wellenpakete der Teilchen so groß werden, dass sie beginnen, zu überlappen. Der mittlere Abstand der Atome ist eine Funktion ihrer Teilchendichte. Daher ist es notwendig, die Dichte des Gases zu erhöhen und die Temperatur zu senken, um den Phasenübergang zu erreichen.

Vor drei Jahren bauten zwei Forschergruppen am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching bei München und an der Uni Tübingen Mikrofallen für ultrakalte Atome. Dennoch stecken die Chips für Atomwolken noch in den Kinderschuhen.

Die Tübinger Arbeitsgruppe hat nun eine kompakte, magnetische Falle auf der Oberfläche eines mikromechanischen Bauelements konstruiert, in der sie interferierende Materiewellen aus Rubidium-Atomen beobachtet hat, die Forscher berichten ihr Experiment in der Ausgabe vom 11. Februar 2005 der Zeitschrift Science auf Seite 860 in Band 307. Dieses Bauelement erzeugt ein magnetostatisches Feld, das die ultrakalten Atome führt.

Die dunkelblau gezeichneten Leiter erzeugen das fürs Einsperren des hier vergrößert gezeichneten Bose-Einstein –Kondensats nötige Magnetfeld. Mit den hellblau gezeichneten Leitern lässt sich beispielsweise ein Potential mit zwei Minima erzeugen. Das obere Teilbild ist eine Ausschnittsvergrößerung des unteren. (Bild: József Fortágh, Uni Tübingen)

Hier geht es nicht um Ionen, sondern um neutrale Atome, also wirkt hier keine Lorentz-Kraft. Jedoch greift an einem magnetischen Dipol im ansteigenden statischen Magnetfeld eine Kraft an. Die Atome lassen sich einfangen in dem Bereich, in dem der absolute Betrag des Magnetfelds am kleinsten ist. Die Atomwolke in der magnetischen Falle ist thermisch isoliert vom Mikrochip, die ganze Apparatur befindet sich im Ultrahochvakuum. Nach dem Beobachten interferierender Materiewellen planen die Autoren Experimente an einem kohärenten Strahl einzelner Atome.