Patentierung von Mensch-Tier-Chimären

Jeremy Rifkin, der bekannte Kritiker der Gentechnik, landet einen geschickt inszenierten Coup

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Der Ansatz von Jeremy Rifkin, Leiter der Foundation for Economic Trends, und dem Biologen Stuart A. Newman vom New York Medical College in Valhalla und Mitglied des Council for Responsible Genetics ist ein geschickter Schachzug: Sie haben am 18. Dezember 1997 ein Patent für die Herstellungsmethode von Mensch-Tier-Chimären und die daraus entstehenden Lebewesen beim amerikanischen Patentamt beantragt, auch wenn diese Experimente noch nicht ausgeführt wurden. Während die Erzeugung von derartigen Chimären in verschiedenen Ländern, z.B. Deutschland, verboten ist, ist die Rechtslage in den USA einerseits ungeklärt und andererseits muß eine patentierbare Technik nicht auf einem wirklichen Experiment beruhen. Es reicht, so Nature vom 2.4., wenn sie auf der Beschreibung eines hypothetischen Experiments basiert, von dessen Glaubwürdigkeit das Patentamt überzeugt werden kann und das die normalen Kriterien zur Patentierung beachtet.

Der Kritiker und der Wissenschaftler wollen die Technik nicht wirklich ausprobieren, sondern erneut eine Debatte über die Patentierbarkeit von Lebewesen auslösen. Wenn sie das Patent bewilligt bekommen, so wollen sie erreichen, daß die Technik zur Erzeugung solcher Chimären wirkungsvoll blockiert wird und sie niemand anwenden kann, da sie ja dann geschützt ist. Falls ihr Antrag abgewiesen wird, werden sie vor Gericht gehen, damit in allen Einzelheiten darüber diskutiert wird, bis zu welchem Ausmaß menschliches Leben patentierbar ist. Diese Provokation des Rechtssystems zeigt jedenfalls Phantasie und ist auf jeden Fall, auch wenn sie scheitert, wirkungsvoller als alle theoretische Empörung und Kritik der Gentechnik.

Die Idee ist ganz einfach, die Methode an sich bekannt, nur noch nicht auf die Schaffung von wirklichen Mensch-Tier-Chimären angewendet worden. Man kann sogenannte embryonale Stammzellen, die noch undifferenziert sind, verwenden und sie mit Zellen von Embryos verwenden. Eine andere Methode ist, menschliche embryonale Zellen mit solchen eines Affen zu mischen. Schon vor einigen Jahren hat man mit dieser Methode die "Schiege", eine Chimäre zwischen einer Ziege und einem Schaf, zustandegebracht. Da Menschen und Affen, insbesondere Schimpansen, aber näher miteinander verwandt sind, besteht Grund zu der Annahme, daß sich zumindest in einigen Fällen die artverschiedenen Zellen zu einem chimärischen Embryo verbinden, der anschließend in den Uterus einer tierischen oder menschlichen Gebärmutter eingepflanzt werden kann. Von diesen Embryonen könnten wiederum einige zu einem mehr oder weniger lebensfähigen Mensch oder Tier heranwachsen.

Solche Chimären wären nicht nur bizarre Ausgeburten einer fehlgeleiteten Gentechnik, sondern könnten, so Newman, wirklichen Nutzen bringen, weswegen man sie irgendwann auch möglicherweise erzeugen wird. Die Embryonen oder Föten könnte man abtreiben, um zu einem besseres Verständnis der Entwicklung des Menschen zu gelangen. Menschliche Gewebe, die in Tieren wachsen, ließen sich zum Testen von toxischen Substanzen einsetzen, und menschliche Organe zur Transplantation verwenden.

Neu sind freilich Mensch-Tier-Chimären keineswegs, denn bereits jetzt existierende transgene Tier wie die Onkomaus oder Polly tragen menschliche Gene in sich. Seit vielen Jahren stellt man transgene Tiere etwa mit menschlichen Genen her, um ihr Wachstum zu beschleunigen. Noch ist zwar die Patentierung von Tieren und menschlichem Leben umstritten, aber transgene Organismen wurden bereits patentiert. Begonnen hatte dies 1980, als der Oberste Gerichtshof der USA entschied, daß im Falle eines Bakteriums, das Öl abbaut, nicht nur dieser biologische Prozeß, sondern der gesamte Mikroorganismus patentiert werden kann, weil hier die Tatsache, daß Mikroorganismen Lebewesen sind, rechtlich ohne Bedeutung sei, es vielmehr nur darauf ankäme, ob das lebende Produkt eine menschliche Erfindung sei.

Der nächste Schritt geschah 1988 mit der Onkomaus der Harvard University. Durch das Einklonieren eines menschlichen Krebsgens wurde eine Mauslinie geschaffen, deren Mitglieder Tumorarten entwickeln, um mit diesem "Tiermodell" therapeutische Behandlungsmethoden von Krebs bei Menschen zu entwickeln. Mit diesem Patent sind auch sämtliche andere transgene Arten "geschützt", deren Keim- und Somazellen eine rekombinierte aktive Sequenz der Krebsgene enthalten.Heute sind bereits an die 80 andere Tiere patentiert.

Mehr als 1800 Patente wurden auch für Gene und gentechnisch veränderte Zellenlinien bewilligt, wozu auch menschliche Zellen gehören. So wurde etwa im Jahre 1983 dem Amerikaner John Moore seine Milz herausoperiert und, ohne seine Einwilligung, mit deren Zellen von der University of California eine Zellreihe entwickelt, die als Patent anerkannt wurde. Das Patent wurde schließlich für 1,7 Millionen Dollar an eine Firma verkauft. Moore ging zunächst leer aus, vom Berfungsgericht aber wurde ihm schließlich ein Eigentumsrecht an seinen Körperzellen und damit ein Teileigentumsrecht an der Zellinie zuerkannt. 1990 aber entschied dann das Oberste Gericht Kaliforniens, daß menschliche Zellen kein Eigentum sein können, also auch von demjenigen, aus dem sie entnommen wurden. 1991 schließlich erwarb Systemix Inc. das erste Patent auf unveränderte menschliche Stammzellen des Knochenmarks, nicht nur auf die Methode der Gewinnung derartiger Zellen. Wie also steht es um Chimären und Klone? Da es sich bislang nur jeweils um einige Gene handelte, stellten die vagen Formulierungen der Gesetze, die die Patentierung von Lebewesen und vor allem von Menschen verhindern sollen, kein wirkliches Problem dar.

Während die Patentierung in den USA relativ einfach ist, da zwar ganze Menschen, nicht aber Embryonen, menschliche Gewebe, Zellen oder Gene, nach der Verfassung nicht patentierbar sind, läßt die EU prinzipiell noch die Patentierbarkeit von Pflanzensorten, Tierarten und biologischen Erfindungen nicht zu, die gegen die "guten Sitten" verstoßen. In Deutschland etwa gibt es das Verbot der gezielten Erzeugung von Chimären- und Hybridwesen aus Mensch und Tier (§ 7 ESchG). Auch diese Möglichkeit steht dem amerikanischen Patentamt nicht offen. Die Ausweitung der Patentierungsmöglichkeiten steht allerdings auch in Europa vor der Tür. Und es wurden bereits gentechnische Organismen wie die Onkomaus patentiert.

Patente auf menschliche Gene stellen womöglich eine erste Form der Patentierung des Menschen dar. Geht man wie bei der Onkomaus vor, so wären etwa Frauen, die nach einem gentechnischen Eingriff in ihren Milchdrüsen bestimmte Proteine produzieren, patentierbar. Derartige Anträge liegen dem Europäischen Patentamt nach Andrew Kimbrell (Ersatzteillager Mensch, Frankfurt a. M. 1994) bereits vor, ebenso wie Anträge auf gentechnisch veränderte Säugetiere, deren Patentierung auch gentechnisch veränderte Menschen umfassen soll.

Wie die Washington Post vom 2. April Experten zitiert, sind zwar die Patentierung von Menschen nach der Verfassung nicht möglich, aber es stünde nach den geltenden Gesetzen einer Patentierung eines teilweise menschlichen Lebewesens nichts entgegen: Wenn wir ein menschliches Gen oder zwei oder drei Gene in ein Tier einbringen", so Thomas Murray, Direktor des Center for Biomedical Ethics an der Case Western Reserve University, "dann werden vielleicht bereits manche nervös, aber man schafft damit ganz eindeutig noch keine Person. Aber wenn man über einen großen Anteil an Zellen spricht, die menschlich sind, dann ist das wirklich problematisch. Dann muß man die äußerst schwierigen Fragen darüber stellen, was es heißt, ein Mensch zu sein." Und eben eine Diskussion darüber wollen Rifkin und Newman erzwingen.