Alarmstufe Rot in Australien

"Code Red", eine Konferenz über strategische Interventionen in Medien, Macht, Kunst und Kommunikationstechnologien. Sydney, Australien, November 1997

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Es gibt zwar zeitgenössische Kunst, die sich als politisch betrachtet, selten allerdings schafft sie es, von Politikern wahrgenommen zu werden. Anders bei CODE RED. Die Aktivitäten im Performance Space, Sydney, zogen sogar das Interesse des Verteidigungsministeriums auf sich!

Im Ausstellungsteil der mehrtägigen Konferenz präsentierte der slowenische Telekommunikationskünstler Marko Peljhan sein Projekt "178* East - Another Ocean Region". Peljhan, der durch seine Präsenz auf der diesjährigen Documenta, wo er ausserhalb von Kassel, die Forschungsstation "Makrolab" installiert hatte, bekannt wurde, setzte in Sydney die vergleichende Analyse der Gesetzgebung verschiedener Länder in Bezug auf Telekommunikation fort. Vorangegangen waren Studien, zusammen mit Brian Springer, über die Situation in den USA, Kanada, England und Deutschland.

Mit der Installation einer einfachen Antenne, einer Satellitenschüssel, eines Verstärkers und eines empfindlichen Empfängers ermöglichte er es den Besuchern im Performance Space, Telefongespräche, die über den Satelliten Inmarsat geführt wurden, abzuhören. Und das - ganz legal. Anders als in Deutschland zum Beispiel, verbietet das Australian Interception Telecommunications Law lediglich, die Gespräche aufzunehmen oder daraus gewonnene Informationen weiterzuverwenden. Aber darum geht es Peljhan auch nicht. Er benutzt den Kunstkontext dazu, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf Kommunikation via Satellit und damit verbundene Sicherheitsrisiken zu richten. So wissen in der Regel Inmarsat-Kunden nicht, dass ihre Gespräche ganz einfach mitgehört werden können.

Bei seinen Recherchen stiess der Künstler auf Dr. Adam Cobb, ein Mitarbeiter des Strategic Defense Institute in Canberra, der mit seiner Analyse "The Vulnerability of Australian Telecommunication" ein ähnliches Anliegen verfolgte wie Peljhan, lediglich vor einem anderen Hintergrund. Zuerst skeptisch, stimmte Dr. Cobb dann zu, CODE RED mit seiner Anwesenheit zu bereichern. Mit seinem Beitrag über Hintergründe der australischen Telekommunikation setzte er eine rege Diskussion in Gang und begrüsste letztendlich den interdisziplinären Austausch.

Einen weiteren Beitrag zur surveillance art lieferte die Australierin Zina Kaye. Was sie im Juni 1997 mit Humble Underminded Psychic Rumble (I) in der Backspace Gallery in London begonnen hatte, setzte sie als (II) in Sydney fort. Im Gegensatz zu Peljhan empfing sie nicht aus dem All und übertrug es in den Performanceraum, sondern sie hörte die Räume ab, nahm alle Schwingungen auf und übertrug diese live ins Internet.

Das Anliegen von CODE RED sei, so die Kuratorin Julianne Pierce, kritisches Bewusstsein im Umgang mit neuen Medien in Australien zu fördern und einen Beitrag zu einer vielfältigen, unabhängigen Medienkultur zu leisten. Als Mitglied der cyberfeministischen Gruppe VNS Matrix hatte sie in den letzten Jahren zahlreiche Medienevents in Europa und den USA besucht und wollte ihre Erfahrungen und Kontakte benutzen, um in ihrem eigenen Land die Diskussion voranzutreiben. So lud sie Sprecher aus Australien und Europa ein, Künstler, Aktivisten, Medienproduzenten, Kuratoren und Kritiker.

"Es ist durchaus möglich, europäische und amerikanische Kulturmodelle nach Australien zu 'importieren'", sagt der Schriftsteller MacKenzie Wark:

Man muss halt ganz pragmatisch dabei vorgehen, weniger programmatisch. Schliesslich bringen wir alles zum Funktionieren, obwohl wir Spezialisten darin sind, die Dinge immer falsch zu verstehen. Das ist wahrscheinlich typisch fuer ein 'kleines' Land, das die Sprache mit einem grossen teilt.

MacKenzie Wark

In einem Land, das durch seine neugewählte, äusserst konservative Regierung für schlechte Nachrichten sorgt, ist es umso wichtiger den Boden für eine kritische Auseinandersetzung zu schaffen. Zum grossen Bedauern der Medienszene wurde unlängst die Publikation des Magazins 21.C vom Verleger eingestellt.

Aber Organisationen wie ANAT, das Australian Network for Art and Technology, AFC, die Australian Film Commission und das Australian Council for the Arts bemühen sich weiterhin, progressive Medienaktivitäten zu unterstützen.

Neben dem Austausch von Ideen zwischen Europa und Australien, dem Schaffen von persönlichen Beziehungen, dem Networking, ist die Einrichtung einer Mailinglist als Ergebnis von CODE RED zu begrüssen. "re.code" wird nach dem Vorbild von "nettime" ein Forum bilden, um weltweite Entwicklungen zu diskutieren und lokale Modelle zu entwicklen. CODE RED hat endlich gezeigt, dass es Leute in Australien gibt, die mehr wollen, als nur ihre persönlichen Karrieren voranzutreiben.

Wer die Mailinglist subscriben möchte, sendet ein e-mail an: Julianne Pierce