4Hero: Earth Pioneers

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Das Cover simuliert handfeste Gegenstände. Holz und verblichenes Pergament lassen von Erde halb verschüttete Platinen hervorlugen. Diese generell in einem erdigen Rotbraun gehaltene Verpackung visualisiert bestens die neue Version von Science Fiction, die 4Hero mit "Earth Pioneers" verfolgen. Eine Dekade lang hat das audiovisuelle Design von Techno und Drum+Bass synthetische, möglichst artifizielle Oberflächen bevorzugt, um jetzt die Zonen des Elektronischen und Digitalen wenigstens teilweise wieder zu verlassen. Nachdem schon in den letzten Jahren analoge Synthesizer als Verweise auf frühere Vorstellungen von Zukunft immer beliebter wurden - von Marc Mac und Dego selbst eindrucksvoll auf der 1996er LP "Jacob's Optical Stairways" vorgeführt, kehren 4Hero für diese Platte zu den Sounds nicht-elektrischer Instrumente zurück - natürlich ohne den digitalen Schnittplatz als Kompositionswerkzeug wirklich zu verlassen.

Los gehts mit "Hal's Children", dessen polyrhythmische Drum Patterns sich dem aktuellen Trend zurück zu monotonen, fast schon technoiden Drumsequenzen verweigern, die neuerdings die Dancefloors regieren. Auf "Hal's Children" dominieren sie die ziemlich sparsamen Synthie-Bleeps, die ausser der obligatorischen Bassline zu hören sind. Wie alle folgenden nutzt der Track bemerkenswert echt klingende Drumsounds, die fast schon die Idee eines Schlagzeugs vor dem inneren Ohr entstehen lassen. Dieser Shift vom Artifiziellen zum Quasi-Authentischen wäre für sich genommen schon interessant genug, würde die Idee auf Seite B dem Publikum nicht allzu offensichtlich vor die Nase gehalten werden: "Planetaria" ist vollgepackt mit extra eingespielten, orchestralen Violin- und Cello-Sounds und schrammt so permanent an der Kitschzone entlang. Der Untertitel mag's entschuldigen: Es ist halt "a theme from a dream."

Während Teil 1 der EP eindeutig fürs Wohnzimmer konzipiert ist, drückt "Dauntless" einen clubkompatibel fetten, superplastischen Killerbass durch die Boxen, der den Track in Kürze zum unverzichtbaren Bestandteil jedes besseren DJ-Sets gemacht hat. Auf Seite D schließlich kehren wir zurück ins heimische Studierzimmer mit zwei Versionen von "Loveless", dessen Radioversion Spoken Words von Ursula Rucker mit einer Menge Consciousness transportiert. Die depressiven Soundtracks zur dunklen Seite einer industriellen Moderne, die D+B schon immer generiert hat, werden hier mit ihrer oralen, vormodernen Version kurzgeschlossen. Als letztes Statement Mutter Erdes an ihre Kinder in Form der finalen Ökokatastrophe: "Accept your death sentence." Das alles funktioniert wunderbar im Zusammenspiel mit der Cover Art, die sich jetzt als postapokalyptischer Blick durch die Augen eines Aliens offenbart, und den schon in "Planetaria" benutzten Sounds orchestraler Versatzstücke, die hier allerdings auseinandergenommen und neu zusammengesetzt werden.

Der Einsatz traditioneller Instrumente und einer Erzählstimme scheint dabei einen generellen Trend zu bestätigen, nämlich die Rückbesinnung zum Gegenständlichen, Handlichen als Reaktion auf die körperlosen Produktionsweisen des Digitalen. Puristen werden die Retroelemente von "Earth Pioneers" als schlimme Regression empfinden, aber wie sagte noch eine der Protagonistinnen von William Gibsons "Idoru", die mit gutem, altem Handwerk ihr Digicash verdient? "It's there one day, she said, and you can look at it, and touch it, and know whether or not it's good or bad."

Kontakt: 4hero