RTMark ruft zu einem Internetspiel gegen eToys.com auf

Nachdem der Online-Spielzeughändler eine einstweilige gerichtliche Verfügung gegen die Künstlerwebsite etoy.com erreicht hat, formiert sich der Widerstand im Web

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Nachdem eToys.com am 29.11. durch einen vorläufigen Gerichtsbeschluss es geschafft hatte, der Künstlergruppe Etoy die weitere Benutzung der URL etoy.com zu untersagen (Spielzeugkriege, ETOY enteignet), wurden viele Proteste aus der Internetszene gegenüber diesem Verdrängungswettbewerb in Sachen Domainnamen laut. Besonders absurd ist in diesem Fall, dass die Künstlergruppe Etoy den Domainnamen schon benutzte, bevor eToys überhaupt existierte. Der Fall gilt als herausragendstes und jüngstes Beispiel dafür, wie Unternehmen mit der Macht des Geldes und von Rechtsanwälten versuchen, das Web zu dominieren.

Bislang wird schon auf einigen Websites zum Kampf oder Boykott von eToys aufgerufen. Etoy selbst kündigt auf der Exilsite einen Gegenangriff mit allen rechtlichen Mitteln an. Auf der Hauptsite des Widerstands, Toywar, prophezeit man, nachdem, zufällig oder nicht, durch den Verkauf eines größeren Aktienpaketes durch Moore Capital Management (siehe Bloomberg) die Wertpapiere um fast 33 Prozent gefallen sind, der Firma ein "Toy-nam". Der Markt des Unternehmens hätte sich selbst gegen dieses gewendet. Und überhaupt sei es dumm gewesen, einen "Krieg gegen die Netzkultur inmitten der Weihnachtszeit" zu starten. Angekündigt wird "TOYWAR.com 1.0": in wenigen Tagen soll eine "Unterhaltungsumgebung für die kommenden digitalen Aufstände" im Web eingerichtet werden. Damit soll es jedem Internetbenutzer möglich werden, "direkt eToys.com anzugreifen". Die Künstlergruppe Etoy hatte mit "digital hijack" 1996 den Internetpreis der Ars Electronica gewonnen, was wohl auch die Grundlage für dieses "Unterhaltungsspiel" bilden dürfte.

Ein anderes "Spiel" schlägt RTMark vor, um auf den "weitverbreiteten Missbrauch von demokratischen Institutionen wie Gerichten und Wahlen durch Unternehmen" aufmerksam zu machen. Die sich selbst als Unternehmen verstehende Gruppe spielt perfekt mit der Ökonomie der Aufmerksamkeit und fordert zu Spenden auf, um "Sabotageprojekte" mit politischen Zielen realisieren zu können. Zuletzt hatten sie durch geklonte Websites des Präsidentschaftsbewerbers George W. Bush und der WTO Aufmerksamkeit gefunden, vornehmlich natürlich dadurch, dass sich die Opfer gegen die mit ähnlichen Mitteln gestalteten, aber mit kritischen Inhalten versehenen Websites zur Wehr setzten, u.a. auch deswegen, weil ihre Domainnamen (z.B. gatt.org anstatt wto.org) eine Verwechslung nahe legen würden.

Das Internetspiel, zu dem RTMark aufruft, wird von Mark Pauline, bekannt durch die von ihm veranstalteten Robot Wars, gewissermaßen als Pate getragen. Es gibt eine ganze Reihe von Vorschlägen, wie man eToys finanziell schädigen könnte, z.B. werden andere Online-Händler für Spielzeuge aufgeführt, bei denen man ebenso gut wie bei eToys einkaufen könne. Ein anderer Vorschlag ist, Domainnamen wie noetoys.com, hetoys.com, shetoys.com, etois.com oder etoyss.com zu registrieren, wodurch es das Unternehmen zumindest schwerer hätte, gegen etoy.com vorzugehen. Unter anderem wird aber auch das nicht so ganz legale Mittel vorgeschlagen, die Websites von eToys zu cracken und auf der Website an prominenter Stelle darauf hinzuweisen, dass das Unternehmen Zensur betreibt und dass der Kauf von Spielzeugen die Angriffe auf die Internetkunst unterstützt. Vorgeschlagen wird auch das Umleiten der Besucher der Website auf toywar.com. Geld wurde allerdings bislang für die Kampagnen noch nicht gesammelt, zumindest ist das nicht ausgewiesen, obgleich RTMark behauptet, dass bereits einige Projekte finanziert seien.

"Die Etoy-Projekte sind ein Spiel, das die ganze Welt spielen kann", sagt RTMark-Sprecher Ernest Lucha. "Viele der Projekte - Boykotte, Streiks, Email-Kampagnen - können von jedem gespielt werden, während andere Projekte - Verklagen von eToys, Stören der Server von eToys etc. - ein Vorgehen von Spezialisten erfordern. Es gibt für jeden etwas, und wir wissen, dass wir leicht beim Start mit 10000 Spielern rechnen können." Dieses Spiel, so Lucha, seit überdies viel interessanter als jedes Computerspiel, weil man gegen einen "Bösen in der wirklichen Welt" kämpfe. Aber es gehe nicht um das Cracken oder um die Kunst, sondern mit der Kampagne könne auch ein neues Gleichgewicht zwischen den Bürgern und den großen Unternehmen gefunden werden: "Warum sollte die globale Kultur von Unternehmen beherrscht werden? Das Netz ist ein Spielfeld, das es ermöglichen könnte, auf legale Weise ein weltweites Gleichgewicht der Macht zu finden, das es jetzt noch nicht gibt."

Wenn Etoys sagt, dass die Website etoy.com die Einnahmen des Unternehmens wegen der Ähnlichkeit des Domainnamens gefährde, weil die Menschen dadurch verwirrt werden, so könne natürlich auch eToys.com die Menschen verwirren, die "große Internetkunst" von etoy.com sehen wollen: "Warum sollte man nicht auch sagen können, dass es eToys.com nicht geben darf? Warum sollte finanzielle Macht das Recht auf ihrer Seite haben? Wenn sie barbarische Spiele spielen wollen, dann wollen wir das auch." Wenn Kunst aus kommerziellen Gründen zerstört werden soll, so Lucha, so würden sich alle, die sich am vorgeschlagenen Internetspiel beteiligen, freuen, wenn eToys zugunsten der Kunst zerstört werde.

Wie es mittlerweile schon zu einer gewohnten Aktion geworden ist, wird im Rahmen der RTMark-Kampagne auch das Electronic Disturbance Theater mit dem FloodNet ab 15. Dezember versuchen, die Website von eToys zu blockieren (Virtuelles Sit-In gegenüber den WTO-Servern angeblich erfolgreich gewesen). Die Begründung ist, dass ein Unternehmen wie eToys natürlich ganz von der Funktionsfähigkeit der Website für die Einkäufer abhänge und geschäftliche Verluste entstünden, wenn viele Menschen mit FloodNet immer wieder automatisch die URL der Website aufrufen und dadurch möglicherweise den Zugang zu ihr sperren.