"Es stellt sich letztlich heraus, dass Information ein wesentlicher Grundbaustein der Welt ist"

Interview mit Prof. Dr. Anton Zeilinger

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Prof. Dr. Anton Zeilinger ist Professor am Institut für Experimentalphysik der Universität Wien. Die Liste seiner Auszeichnungen ist ebenso beeindruckend wie die Fülle seiner Publikationen. In der Zeitschrift Nature (26. April 2001: pp 1067-1070) berichtet er über "Entanglement purification for quantum communication" (Verschränkungs-Reinigung für Quanten-Kommunikation). Quantenkommunikation wie die Teleportation von Photonen und die Quantenkryptographie sind Schwerpunkte seiner Forschung.

Teleportation (Die Kunst der Teleportation) nennt man die Herstellung einer exakten Kopie eines Quantensystems an einem anderen Ort durch Ausnutzung verschränkter Zustände, dabei wird das Original eigenschaftslos (informationslos), d.h. es überträgt alle seine Eigenschaften und ist dann selbst "ausgewaschen", sozusagen seiner Information beraubt. Es ist also kein echter Kopierprozess, sondern eine vollständige Informationsübertragung.

Verschränkung bedeutet, dass ein Paar Photonen durch die Messung die gleichen Eigenschaften hat, auch über große Entfernungen. Albert Einstein hatte diese Effekt bereits 1935 entdeckt und er nannte ihn eine "spukhafte Fernwirkung". Wird nun ein Photon eines solchen verschränkten Paares in seinen Eigenschaften verändert, dann ändert sich das zweite, entfernte Photon parallel und gleichzeitig. Die Eigenschaften werden in Nullzeit über eine große Entfernung übertragen. Lässt man ein drittes Photon (das Photon, das teleportiert werden soll) mit einem Photon dieses verschränkten Paares interagieren, dann ändert sich das zweite Photon des verschränkten Paares am anderen Ort. Prof. Zeilinger hat 1997 erfolgreich demonstriert, dass einzelne Lichtquanten (Photonen) teleportiert werden können. Eine Arbeitsgruppe am Institut für Experimentalphysik beschäftigt sich mit Teleportation.

Quantenkryptographie (Quantenkryptographie) verwendet ebenfalls solche verschränkten Photonenpaare und erzeugt damit an zwei verschiedenen Orten dieselbe Folge von Zufallszahlen. Prof. Zeilinger dazu:

Dieser Schlüssel kann dann zur Verschlüsselung verwendet werden. Ein möglicher Lauscher würde sofort entdeckt, da er Korrelationen stört, was zu verschiedenen Zufallsfolgen auf beiden Seiten führt. Dies kann durch einen öffentlichen Vergleich von einem Teil der Bits des Schlüssels festgestellt werden. Sind die Schlüssel korrumpiert, werden sie einfach nicht verwendet.

Die Arbeitsgruppe Quantum Cryptography with Entangled Photon Pairs beschäftigt sich mit der Verschlüsselung in der Quanten-Kommunikation.

Können Sie mir allgemein verständlich erklären, worum es bei der Verschränkungs-Reinigung (entaglement purification) für die Quanten-Kommunikation geht?

Zeilinger: Die Arbeit zur Entanglement Purification, oder Reinigung von Verschränkung, gehört zum Gebiet der Quantenkommunikation. Für viele Protokolle der Quantenkommunikation, wie etwa Quantenteleportation oder Quantenkryptographie, ist es nötig, dass zwei Stationen, die miteinander kommunizieren, über lange Entfernungen verschränkte Zustände etablieren müssen. Verschränkte Zustände sind diejenigen Zustände, bei denen Albert Einstein von "spukhafter Fernwirkung" gesprochen hat. Messungen an einem Teilchen beeinflussen das andere Teilchen, ganz egal, wie weit es entfernt ist. Das Problem ist nun, dass, wenn wir ein Paar von verschränkten Teilchen in einer Quelle erzeugen, die Qualität dieser Verschränkung mit der Entfernung abnimmt. Die neue Methode erlaubt es, aus zwei Paaren, die beide schlechter sind, ein Besseres zu erzeugen, durch einen quantenmechanischen Vergleich der beiden.

Worauf beruht das unvermeidliche Rauschen im Kanal der Quantenkommunikation?

Zeilinger: Die Ursache des Verlustes der Qualität der Verschränkung sind vor allem verschiedene Ursachen des Rauschens, die auf der Wechselwirkung mit der Umgebung bzw. dem Verlust von Photonen durch Absorption in einer Glasphase entstehen können.

Wie entsteht die Absorption von Photonen im Transmissions-Kanal?

Zeilinger: Die Absorption von Photonen in einem Transmissionskanal kommt vor allem dadurch zu Stande, dass es im jedem Material unweigerlich eine Absorption gibt, d.h. dass Photonen von den Atomen des Materials aufgenommen werden bzw. auch eine Streuung, d.h. Photonen werden aus dem Transmissionskanal heraus gestreut. Transmissionskanäle heute bestehen im allgemeinen aus Glasfasern.

Was genau ist der Quantum Kontrolled NOT (CNOT)?

Zeilinger: Ein controlled not-gate ist eine Möglichkeit zwei Teilchen quantenmechanisch zu vergleichen, d.h. man kann vergleichen, ob die beiden gleich sind, ohne wissen zu müssen, welche Eigenschaft sie tragen

Worin liegt der Quantensprung für die Quantenkommunikation in der neuen Entdeckung?

Zeilinger: Der wesentliche Vorteil der neuen Entdeckung ist, dass Quantenkommunikation über größere Entfernungen durchgeführt werden kann.

Ist das neue Verfahren ein entscheidender Schritt in Richtung Entwicklung eines Quanten-Computers?

Zeilinger: Die neue Methode ist auch dafür verwendbar, Quantenteleportation über größere Entfernungen zu etablieren und Quantenteleportation als eine der wichtigsten Methoden mit der künftigen Quantencomputerinformation austauschen zu können.

Wenn ein paar Kilometer mit Teleportation bereits überbrückt werden konnten, wie weit ist dann potenziell eine lange Distanz in der Quantenkommunikation?

Zeilinger: Die Feststellung, dass mit Teleportation ein paar Kilometer überbrückt werden konnten, ist unrichtig. Teleportation wurde bisher erst im Laboratorium gezeigt. Verschränkung wurde über Entfernungen von bis zu 20 Kilometern demonstriert. Mit der neuen Methode kann man sicherlich bis zu Entfernungen von etwa 50 bis 100 Kilometern gehen.

Das Verfahren der Quantenkryptographie, also die Erzeugung bzw. Übermittlung eines Schlüssels mithilfe einzelner Quanten, um geheim zu haltende Nachrichten ver- und entschlüsseln zu können, ist experimentell bereits gelungen. Wird Ihrer Ansicht nach Quantenkryptographie automatisch Teil der Entwicklung des Quanten-Computers sein?

Zeilinger: Die Quantenkryptographie an sich hat mit der Entwicklung des Quantencomputers nichts zu tun.

Forscht hierzu auch das Militär - werden wir dieses Verfahren überhaupt zivil nutzen dürfen?

Zeilinger: Hier gibt es auch wohl militärische Forschung, jedoch ist der größte Interessent für alle diese Fragen die zivile Forschung, die zivile Technologie. Das gilt auch für Fragen der Quantenkryptographie.

Teleportation, das "Beamen" aus der Serie Star Trek, also die Übertragung der gesamten Information eines Teilchens auf ein anderes Teilchen (wobei das Original eigenschaftlos wird), durch Verwendung von Verschränkung ist die spektakulärste Anwendung der Quantenkommunikation. Was bedeutet die Absorption von Teilchen auf dem Transmissionsweg für dieses Verfahren?

Zeilinger: Für Teleportation bedeutet der Verlust eines Teilchens, dass die Teleportation einfach nicht passieren kann. Es ist also für die Teleportation unbedingt notwendig, gute Kommunikationskanäle für verschränkte Teilchen zu haben.

Wie nah ist die experimentelle Physik der Teleportation von Atomen oder einfachen Molekülen?

Zeilinger: Die Teleportation von Atomen und Molekülen gehört nicht zu unserem Forschungsgebiet. Unseres Wissens arbeiten eine oder zwei Gruppen weltweit an dieser Frage.

Menschen zu beamen ist immer noch reine Utopie. Sie sollen versucht haben auszurechnen, wie viel Information in Bits nötig wäre, um einen menschlichen Körper zu beschreiben und die Datenmenge auf CD zu brennen. Dabei wären Sie als Resultat zu einem CD-Rom-Turm gekommen, der von der Erde bis zum Zentrum unser Milchstrasse reichen würde. Ist die Fülle der nötigen Information, um einen Menschen zu teleportieren, das eigentliche Problem?

Zeilinger: Derzeit gibt es mehrere Probleme, warum Teleportation eines Menschen nach wie vor reine Science Fiction ist und nichts mit naturwissenschaftlicher Experimentation zu tun hat. Eines der Probleme ist die große Datenmenge, das zweite ist, dass völlig unklar ist, ob es je gelingen wird, komplexe makroskopische Systeme in einen Quantenzustand zu setzen.

Sie sind unter den Quantenforschern ein Anhänger des Konstruktivismus (im Gegensatz zu den Anhängern des Realismus, wie z.B. Roger Penrose). Was bedeutet, dass das Quantenbit (qubit) nicht eine Einheit der objektiven Reduktion von Realität, sondern subjektive Information in Folge der Wahl des Messapparats ist?

Zeilinger: Ich bin nicht ein Anhänger des Konstruktivismus, sondern ein Anhänger der Kopenhagener Interpretation (Die Kopenhagener Schule). Danach ist der quantenmechanische Zustand die Information, die wir über die Welt haben.

Was ist Ihrer Meinung nach die Bedeutung der Quantenphysik für unser Weltbild und unser Bewusstsein?

Zeilinger: Es stellt sich letztlich heraus, dass Information ein wesentlicher Grundbaustein der Welt ist. Wir müssen uns wohl von dem naiven Realismus, nach dem die Welt an sich existiert, ohne unser Zutun und unabhängig von unserer Beobachtung, irgendwann verabschieden.