Gesucht: ECommerce-Genies

In der Konkurrenz der Standorte will Großbritannien "Innovatoren" ins Land locken und später allgemein für erwünschte Einwanderer die Grenzen stärker öffnen

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In der Konkurrenz der Standorte und Staaten um die Mangelware vornehmlich von technischer Intelligenz versucht Großbritannien, bislang eher mit hochgezogenen Brücken, was die Zuwanderung von Menschen anbelangt, einen Vorteil zu gewinnen. In einem ersten Schritt sollen "Innovatoren" angezogen werden, die im Land ein Unternehmen gründen wollen, primär im ECommerce-Bereich.

Nach der Politik der offenen Grenzen in den 50er und 60er Jahren, war es seit den 70er Jahren für Ausländer nicht mehr leicht, in Großbritannien eine Arbeitsgenehmigung zu erhalten. Aber unter dem Druck aller reichen Länder, den heimischen Mangel an Technikern und Wissenschaftlern auszugleichen, um nicht wirtschaftlich zurück zu fallen, hat die britische Regierung heute damit begonnen, eine neue Anwerbetaktik zunächst einmal auszuprobieren.

Während im industriellen Zeitalter der Zugang zu Bodenschätzen wichtig war, geht es in der Wissensökonomie mehr und mehr um den Erwerb und Besitz des geistigen Eigentums. Das ist zwar nicht notwendigerweise geographisch gebunden, aber gleichwohl nicht nur abhängig von Menschen, sondern auch von den materiellen Voraussetzungen wie Bildungsinstitutionen, der Verfügung über Technik, dem entsprechenden wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Umfeld etc., um geistiges Eigentum erzeugen und umsetzen zu können. Und wenn die Bildungsinstitutionen im eigenen Land zu wenig geistige Arbeiter produzieren, muss dieser "Rohstoff" eben aus anderen Ländern wie früher die Bodenschätze importiert werden. Dazu ist es allerdings notwendig, ein annehmbares Angebot zu machen, schließlich sind die Zeiten der Sklaverei endgültig vorbei und können sich die begehrten Menschen vorab besser als je zuvor informieren. Gleichzeitig wollen die Staaten gerne eine Selektion an ihren Grenzen wirken lassen: Eintritt soll möglichst nur denen gewährt werden, von denen das eigene Land auch profitiert.

Dass eine solche Einladungsstrategie ihre Schwierigkeiten hat und für manche Länder etwas durchaus Neues darstellt, ist in Deutschland mit der Green Card Initiative deutlich geworden. Wer die richtigen Menschen will, die auf dem internationalen Arbeitsmarkt umkämpft sind, darf den Umworbenen nicht zu viel abverlangen, sondern muss eher einiges bieten. Fremdenfeindlichkeit im Land ist da natürlich ebenso kontraproduktiv wie alle möglichen kleinlichen Beschränkungen.

Nächste Woche wird Barbara Roche vom britischen Innenministerium noch einen weiteren Schritt auf eine veränderte Immigrationspolitik in einer Rede vorstellen, der von den oppositionellen Tories natürlich schon kritisiert wird. Notwendig wird der Schritt, weil in Großbritannien wie in vielen anderen Industrieländern der Mangel an gut ausgebildeten Arbeitskräften zusammen mit einer älter werdenden Gesellschaft auftritt. Beide Faktoren bedrohen die wirtschaftliche Lage des Landes. Die Innenministerin wird verkünden, dass der Erhalt von Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigungen für diejenigen erleichtert werden soll, die eine bestimmte Menge an Punkten im Hinblick auf Alter, Ausbildung und Arbeitserfahrung. In den Medien zirkulierte das Gerücht, dass das Innenministerium jährlich 100000 Menschen einwandern lassen wolle, was jedoch als übertrieben zurückgewiesen wurde.

Mit der "Innovatoren"-Initiative sollen "herausragende Unternehmer angezogen und ausgewählt werden, deren Geschäftsideen zu einem außergewöhnlichen wirtschaftlichen Vorteil für Großbritannien führen werden." Das zumindest hofft man im Ministerium, das mit dieser Initiative zwar prinzipiell alle solchen Innovatoren locken will, aber besonders jene im Auge hat, die "die wirtschaftlichen Möglichkeiten in den sich schnell verändernden technisch und wissenschaftlich basierten Bereichen ausbeuten wollen, wozu auch Unternehmen gehören, die sich auf ECommerce spezialisiert haben."

Um sich nichts entgehen zu lassen, will man es den Innovatoren leicht machen und die Bewilligung der Anträge möglichst flexibel halten. Sie müssen keine Gelder für Investitionen mit bringen, sondern müssen sich nur als geeignete Hoffnungsträger qualifizieren. Dazu gehören unternehmerische Geschicklichkeit, technische Fähigkeiten und eben ein realisierbares Geschäftsmodell. Wer beispielsweise keinen akademischen Werdegang vorzuweisen hat, kann dies mit unternehmerischer Erfahrung kompensieren. Die Geschäftsidee muss allerdings mindestens zur Schaffung von zwei vollen Arbeitsplätzen führen und man muss sich solange finanziell durchschlagen können, ohne andere Arbeit oder öffentliche Gelder in Anspruch zu nehmen, bis man vom gegründeten Unternehmen leben kann. Um alles nachzuweisen, wird aber gleichwohl viel an Nachweisen verlangt.

Bewilligt wird die Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis, einschließlich des Ehepartners und der Kinder unter 18 Jahren, erst einmal für 18 Monate und kann dann auf vier Jahre verlängert werden. Und dann kann man als erfolgreicher Innovator einen Antrag auf permanente Aufenthaltserlaubnis stellen - oder wird wahrscheinlich wieder aus dem Land befördert werden.