Aleppo und die Einseitigkeit des Westens

Kämpfer der Islamisches Turkestan-Partei (TIP) in Aleppo.

Vereinte Nationen werfen "Rebellen" in Aleppo Kriegsverbrechen vor, Assad will mindestens bis 2021 Präsident bleiben

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Bislang waren aus der Sicht des Westen die Syrer und die Russen die Bösen, die Krankenhäuser, Schulen oder andere zivile Gebäude in Ost-Aleppo bombardierten und den Tod von Zivilisten womöglich nicht nur in Kauf nahmen, sondern auch beabsichtigten. Demgemäß wurde trotz des Wissens, dass es sich bei den in Ost-Aleppo verschanzten Bewaffneten großenteils um Gruppen auch mit schweren Waffen handelt, die eng mit den dominierenden islamistischen Milizen von al-Nusra und Ahrar al-Sham vernetzt sind, von "Rebellen" gesprochen.

Bekannt war, dass auch diese auf Ziele in West-Aleppo schossen, das von den Assad-Truppen kontrolliert wird, und dabei den Tod von Zivilisten verursachten. Beiseitegedrängt wurde auch gerne, dass auch die US-geführte Koalition bei ihren Luftangriffen mitunter Zivilisten töten und dass die vom Westen unterstützte saudische Koalition im Jemen regelmäßig mit amerikanischen Präzisionsbomben zivile Ziele bombardieren, was dann in der Regel als Versehen entschuldigt wird und irgendwie anders als in Aleppo sein soll. Die Einseitigkeit wurde auch noch aufrechterhalten, als die "Rebellen" einen massiven Angriff auf Aleppo mit schweren Waffen und den auch beim IS üblichen Selbstmordkommandos begannen. Die "Rebellen", so muss man annehmen, sind auch medien- und politikerfahren, um Dinge so arrangieren, dass auf ihre Gegner ein schlechtes Licht fällt. Propaganda und Desinformation ist eine Strategie, die von allen Parteien betrieben wird.

Vorsichtig hatte der UN-Sonderbeauftrage für Syrien, Staffan de Mistura, nach den gescheiterten Friedensabkommen zwischen den USA und Russland die "Rebellen" aufgefordert, sich aus Aleppo zurückzuziehen, und Syrien und Russland, dafür sichere Korridore zu schaffen. Die "Rebellen", um ihren Rückhalt im Westen, bei den Golfstaaten und der Türkei wissend, lehnten dies ab, womit auch deutlich wurde, dass sie letztlich unter einem Hut stecken. Das macht auch die Schwierigkeiten der USA aus, die Extremisten von den "Gemäßigten" zu trennen, sofern diese Forderung von Moskau überhaupt umgesetzt werden sollte.

Und in der Tat ist es schwierig, einen differenzierten Blick auf die Lage zu werfen, wenn Bashar al-Assad alles unternimmt, um zu demonstrieren, dass er weder differenzieren will, noch dass er bereit wäre, zugunsten einer friedlichen Lösung zurückzutreten und anderen das Feld zu überlassen. Zwar hat Russland erklärt, nicht an Assad zu hängen, aber offenbar geht es erst einmal für die russischen Interessen auch nicht ohne ihn.

In einem Interview erklärte Assad, er werde noch mindestens bis 2021 regieren. Das macht jedes Taktieren Moskaus hinfällig. Zynisch sagte Assad auch noch, der soziale Zusammenhang in dem zerrissenen Land, in dem mehrere hunderttausend Menschen getötet wurden und aus dem viele Millionen flohen, sei besser als vor dem Krieg. Er machte wieder deutlich, dass alle Gegner von ihm und seinem Regime Terroristen sind. Dem Diskurs hat sich mittlerweile auch sein Feind Erdogan im Nachbarland Türkei angeschlossen. Assad ist ähnlich geneigt, Verschwörungstheorien aufzubauen, die USA, so sagt er, unterstütze die Rebellen, um einen Regime Chance durchzuführen. Aber er sei schließlich Kapitän und könne das Schiff nicht einfach verlassen.

Tatsächlich scheint Assad bösartig, verrückt oder einfach nur machtbesessen zu sein, während ihm Menschenleben nichts bedeuten. Dumm nur, dass die Gegner, die bislang übriggeblieben sind, keine Alternative darstellen. Alle militanten Gruppen in Aleppo haben sich mittlerweile mit al-Nusra oder Jabhat Fateh al-Sham und Ahrar al-Sham, den beiden großen Playern, verbündet.

Angriff von Jabhat Fateh Al-Sham (al-Nusra) auf Aleppo am 30. Oktober

Das gesteht indirekt auch Khaled Khoja vom Hohen Verhandlungskomitee (HNC), das von Saudi-Arabien eingerichtet wurde, um seinen Einfluss auf Syrien zu wahren. Die in Ost-Aleppo Eingeschlossenen seien nun abhängig auch von islamistischen Gruppen, sagte er, um eine alternativlose Situation zu markieren. Nach ihm gibt es sowieso nur 300 al-Nusra-Kämpfer unter 20.000 Rebellen. Die Zahl scheint weit übertrieben zu sein, während die der al-Nusra-Kämpfer untertrieben ist. Aber Genaueres weiß niemand. Khoja machte nur den interessanten Gesichtspunkt geltend, dass die "Rebellen" dummerweise auch bei ihrem Beschuss von West-Aleppo Zivilisten treffen würden, weil sie vom Westen nicht die genauen Waffen kriegen würden. Die Argumentation entspricht dem Gut-Böse-Schema, nur derart extrem, dass sie sich entlarvt.

Die "Rebellen" würden nicht auf Zivilisten zielen, so Khoja, "sie zielen auf das Regime, aber die Bomben, die sie benutzenm sind keine perfekte Bomben". Die Russen hingegen würden auf Zivilisten zielen: "Das Regime greift Zivilisten an. Es ist nicht zu vergleichen."

Erstmals hat das UN-Flüchtlingswerk nun aber auch die "Rebellen" beschuldigt, mit Raketen und Granaten auf Stadtviertel von West-Aleppo zu feuern. Am 29. Und 30. Oktober seien mehr als 30 Zivilisten getötet worden, darunter 10 Kinder. Die hohe Zahl an zivilen Opfern zeige, dass die bewaffneten Oppositionsgruppen nicht die internationalen humanitären Gesetze beachten. Raketen in ein Gebiet zu schießen, das von einer Million Menschen bewohnt ist, sei "völlig inakzeptabel" und würde ein Kriegsverbrechen darstellen. Verurteilt wird aber auch der Artilleriebeschuss von der Seite des Assad-Regimes