Griechenland: Gotteshäuser als Streitobjekte

Eine Muslima auf dem Lykabettus-Hügel mit der Skyline von Athen. Bild: W. Aswestopoulos

Eine paramilitärisch auftretende Gruppe hat in Athen einen Platz besetzt, um den Bau einer Moschee zu verhindern

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Eine paramilitärisch auftretende Gruppe von Griechen, aber offensichtlich auch aus Russland stammenden Aussiedlern hat mitten in Athen einen Platz besetzt. Es ist das Gelände um die Iera Odos 114 am so genannten Votanikos, wo seitens der Stadt Athen ein Grundstück für den Bau einer 800 Quadratmeter großen Moschee ausgewiesen wurde. Die Besetzer kontrollieren nun mit martialischem Auftreten jeden, der sich in den Bereich des Geländes begibt.

Es ist für Journalisten nicht unbedingt ratsam, dort vor Ort mit Kameras aufzutauchen. Die Besetzer, die im Gelände flugs eine provisorische christliche Kapelle geweiht haben, geben an, sie würden den Platz zu Gunsten obdachloser Griechen nutzen. "Wir besetzen das Gelände nicht, es steht uns zu! Und wir werden es im Notfall auch mit Waffengewalt verteidigen", sind die typischen Zitate, welche die selbst ernannten Wächter der Presse geben.

Der Staat selbst gibt sich machtlos, obwohl der Bau der Moschee mit großer Mehrheit vom Parlament gebilligt wurde. Er akzeptiert tatenlos, dass eine militärisch auftretende Wachmannschaft bei Bürgern Ausweiskontrollen vornimmt und "Linke" am Aussehen erkennen möchte. Was steckt dahinter?

Die Besetzung des Platzes am Votanikos ist eine Aktion mit eindeutigem rassistischem Hintergrund. Sie hat als alleiniges Ziel, die vom Staat getroffene Entscheidung zur Errichtung eines moslemischen Gotteshauses zu behindern. Die Initiatoren dieser Bewegung haben zudem ihre Motive nicht im Verborgenen gehalten. Der Versuch, eine "Herberge nur für Griechen" zu schaffen, ist ein Unternehmen mit offensichtlichem rassistischem Inhalt. Dabei ist die Umzäunung des Geländes aber auch die militärische Kleidung derer, welche diese Besetzung unternommen haben, ein direkter Verweis auf die Charakteristika einer paramilitärischen Organisation. Diese Aktion muss so schnell wie möglich beendet werden. Das rechtsextreme Gebrüll wird die Ausübung der religiösen Rechte der Bürger, die in unserem Land leben, nicht behindern.

SYRIZA

Mit dieser Stellungnahme der Regierungspartei SYRIZA zeigt sich das gesamte Drama um ein seit Jahren geplantes und genehmigtes Projekt, die Moschee am Votanikos. Eine Regierungspartei, welche wen auch immer dazu aufruft, eine offensichtlich illegale Machtusurpation einer "Bürgerwehr" zu beenden, wäre in jedem anderen europäischen Staat ein Politikum. In Griechenland ist es etwas anders.

Griechisch-türkische Konflikte

Der Islam erfreut sich in Griechenland nicht sonderlicher Beliebtheit, zumal das Land bis zum Aufstand 1821 vier Jahrhunderte unter der, die christlich orthodoxe Religion einschränkenden osmanischen Herrschaft stand. Die Kriege mit der Türkei zogen sich bis ins vergangene Jahrhundert hin. Es gab nach dem mittlerweile vom türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan mehrfach öffentlich angezweifelten Vertrag von Lausanne einen Bevölkerungsaustausch, von dem eine griechische, moslemische Minderheit in West-Thrakien und ein griechisch stämmige orthodoxe Christen in Istanbul ausgenommen waren. Die Mehrheit der Griechen aus Istanbul wurde Mitte des vergangenen Jahrhunderts aus der Türkei vertrieben.

In der Stadt am Bosporus ist das Patriarchat der orthodoxen Christenheit beheimatet. Doch auch hier gibt es seitens der Türkei Schwierigkeiten. Entgegen internationaler Vereinbarung kann das Priesterseminar von Chalkis keine Geistlichen ausbilden, weil Erdogan es immer wieder verbietet.

Der Patriarch von Konstantinopel, wie das Oberhaupt der Orthodoxie in Kurzform bezeichnet wird, muss nach türkischem Recht türkischer Staatsbürger sein. Lockerungen, die Erdogan hinsichtlich der Ausübung des orthodoxen Glaubens in seinen ersten Amtsjahren gewährte, wurden wieder zurückgenommen. So kann im Kloster Soumela, am Schwarzen Meer, einem der Wallfahrtsorte der Schwarzmeergriechen (Pontier), keine Messe mehr gelesen werden.

Zudem hat Erdogan die Hagia Sophia, die nach den verheerenden Kriegen zwischen Griechenland und der Türkei in den Dreißigern des vergangenen Jahrhunderts in ein Museum unter UNESCO Schutz gewandelt wurde, wieder zu einer Moschee gemacht. Jüngst ließ er sogar einen moslemischen Geistlichen als Leiter berufen. Die Hagia Sophia war eine Kathedralkirche, bevor sie von den moslemischen Besatzern zur Moschee gemacht wurde. Ihre Wandlung in ein Museum sollte der Aussöhnung der beiden Erzfeinde dienen.

Zwist auch in der Regierung

Unter diesem Hintergrund gibt es gegen den Bau einer Moschee in Athen nicht nur aus der rechtsradikalen Ecke erheblichen Widerstand. Auch der Erzbischof Ieronymos, Griechenlands oberster orthodoxer Seelsorger, sah sich im Fernsehinterview im Sender Skai am Dienstag dazu gemüßigt, zu mahnen. Man solle die Moschee doch bitte erst bauen, wenn man wisse, wie viele der im Land befindlichen Moslems schlussendlich bleiben würden, meinte er in Anspielung an die Flüchtlinge und Einwanderer, welche den Befürwortern der Moschee als Argument für den Bau dienen.

In Westthrakien gibt es dagegen bereits heute zahlreiche offizielle Moscheen, deren Existenz auch im Vertrag von Lausanne und den damit zusammenhängenden Vereinbarungen verankert ist. Diese werden jedoch nach Ansicht konservativer Griechen als Propagandainstrument der türkischen Regierung genutzt. Es ist in den Augen der Konservativen undenkbar, solch ein Handeln auch mitten in der Hauptstadt zuzulassen.

Dagegen führen nicht nur die Befürworter des Baus, sondern auch erzkonservative Sicherheitspolitiker an, dass die Moslems in Athen auch ohne offizielle Moschee in vielen Kellergebäuden oder Lagern ihren Gottesdienst betreiben. Sie sehen im Bau einer zentralen Moschee auch eine Möglichkeit zur Überwachung des Islams in der Hauptstadt.

Die Regierung selbst ist geteilt. SYRIZA gehört zu den Befürwortern, der kleine, aber entscheidende Koalitionspartner, die Unabhängigen Griechen, gehört zu denen, welche eine Moschee vehement ablehnen. Daraus resultiert die Ohnmacht der Regierung gegen die Besetzer. Verteidigungsminister Panos Kammenos, der Parteichef der Unabhängigen Griechen, hatte, wie Ieronymos gegenüber dem Sender Skai bestätigte, dem Kirchenfürsten angeboten, die Regierung jederzeit zu stürzen, wenn sie den Interessen der Kirche zuwider handeln würde.

Das daraus resultierende, faktische Machtvakuum können die Besetzer, die zudem auf zahlreiche linke und anarchistische Besetzungen öffentlichen Grunds hinweisen, weidlich ausnutzen.