Bundespolitik erschüttert über Trump-Wahlsieg

Vertreter der Regierungsparteien setzen auf gewachsene Beziehungen. Grüne sprechen von "tiefer Zäsur", Linke mit unterschiedlichem Zungenschlag

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Vertreter der Bundestagsfraktionen haben in der Tendenz erschüttert auf den Sieg von Donald Trump zum 45. Präsidenten der USA reagiert. Während die Regierungsparteien aber schon auf die Beziehungen während der kommenden Jahre achteten, kamen aus der Opposition fatalistischere Töne – und Erklärungsversuche, die auch Rückschlüsse auf die politische Lage in Europa zulassen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gratulierte Trump zu seinem Wahlsieg. Die Wahl des amerikanischen Präsidenten habe eine besondere Bedeutung weit über die USA hinaus, so Merkel. Die Christdemokratin betonte die enge Verbundenheit Deutschlands und der USA durch gemeinsame Werte: Demokratie, Freiheit, Respekt vor dem Recht und der Würde des Menschen, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung oder politischer Einstellung. Auf der Basis dieser Werte biete sie dem künftigen Präsidenten Trump eine enge Zusammenarbeit an. Was sie nicht sagte: Für eben diese Werte steht Trump explizit nicht, zumindest wenn man seinen Aussagen im Wahlkampf Glauben schenkt.

"Wenn Donald Trump, wie er heute Morgen gesagt hat, wirklich Präsident aller Amerikaner werden will, dann wird es seine erste Aufgabe sein, die tiefen Gräben, die in der amerikanischen Gesellschaft während dieses Wahlkampfes entstanden sind, zuzuschütten", sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Er hoffe, dass der Wahl keine größeren Verwerfungen in der internationalen Politik folgten. Trump habe im Laufe des Wahlkampfes kritische Worte nicht nur zu Europa, sondern auch zu Deutschland gefunden. "Ich glaube, wir müssen uns darauf einstellen, dass Amerika geneigt sein wird, häufiger allein zu entscheiden", so Steinmeier weiter.

Weniger kritisch äußerte sich CSU-Chef Horst Seehofer. Die Menschen in den USA hätten Donald Trump gewählt und ihr Vertrauen ausgesprochen. Er werde vor allem auch mit globalen Fluchtbewegungen, kriegerischen Auseinandersetzungen und islamistischem Terrorismus konfrontiert sein. "Für die schwierigen Aufgaben, wünsche ich politische Weitsicht, Mut zum Ausgleich, eine glückliche Hand und Gottes Segen", so Seehofer.

Von der Linken als Oppositionsführerin im Bundestag kamen unterschiedliche Reaktionen. Besorgt zeigte sich der ehemalige Fraktionsvorsitzende Gregor Gysi: Trump sei ein "schlichtes Gemüt. Er ist nicht besonders gebildet, er ist grobschlächtig." Er gehe von einem Aufschwung für die Rechtspopulisten weltweit aus, "auch in Europa, auch in Deutschland. Das darf man nicht unterschätzen."

Die amtierende Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht sprach indes von "Entsetzen in den etablierten Parteien". Sie habe dieses Ergebnis nicht überrascht. "In den USA liegen die mittleren Löhne heute unter dem Niveau von vor 40 Jahren, das Wachstum landet seit Jahrzehnten in den Taschen der oberen Zehntausend, während immer mehr Menschen abgehängt werden", schrieb Wagenknecht auf Facebook.

Dass die Menschen sich in dieser Situation nach Veränderung sehnen, ist mehr als nur verständlich. Die Demokraten hätten den Unzufriedenen mit Bernie Sanders ein Angebot für eine soziale und friedliche Alternative machen können. Sehr wahrscheinlich hätten sie damit einen Präsidenten Trump verhindert. Clinton dagegen war die Kandidatin des Establishments und des "Weiter so", die die Unzufriedenen und Enttäuschten natürlich nicht erreicht hat.

Sahra Wagenknecht

Für die Grünen bedeutet die Wahl von Donald Trump eine "tiefe Zäsur für die Vereinigten Staaten und für die transatlantische Zusammenarbeit". Sein Wahlkampf habe tiefe Wunden hinterlassen und Werte von Offenheit, Vielfalt und Freiheit in Frage gestellt. Das Wahlergebnis zeuge von einer tiefen Spaltung und Verunsicherung der US-Gesellschaft: "Auf diese Sorgen müssen wir mit Besonnenheit reagieren."