Scheitert die von den USA unterstützte Offensive auf Raqqa?

YPG-Kommandeurin Rojda Felat, erste von rechts, beim Besuch von Zivilisten, die angeblich durch die SDF vom IS beim Vormarsch auf Raqqa befreit wurden. Bild: YPG

Konflikte brechen zwischen den Arabern und Kurden in den SDF auf und laden bei der ausgehenden Präsidentschaft von Obama die Türkei zur militärischen Intervention ein

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Ob es mit dem Sieg von Donald Trump zu tun hat, ist fraglich, könnte aber durchaus sein. Die von der US-Regierung unterstützte Offensive in Syrien auf Raqqa durch die SDF ist, kaum begonnen, nun ins Stottern geraten. Nach den ersten Erfolgen beim Vorrücken kündigten nun offenbar alle arabischen Milizen die Mitarbeit auf. Damit würden die syrischen Kurden alleine kämpfen, was dazu führen wird, dass die Türkei militärisch drohen dürfte, da Ankara bereits gefordert hatte, Raqqa selbst einzunehmen, während die Kurden ausgeschlossen sein sollten. Ob das Weiße Haus nun noch den Einfluss besitzt, Erdogan zu zügeln, muss abgewartet werden. Schon zum Start der Offensive auf Raqqa hatte es eine Krisensitzung zwischen den obersten Militärs der Türkei und der USA gegeben.

Die SDF wurden von den USA Ende des letzten Jahres als Bodentruppen gegründet, weil die Versuche, eigene Einheiten auszubilden, kläglich gescheitert waren und man den Russen nicht das Feld überlassen wollte (Proxy-Krieg in Syrien). Die wenigen ausgebildeten Kämpfer liefen mitsamt Waffen und Gerät nach Grenzübertritt gleich zu der al-Qaida-Orgfanisation über, die sich damals noch al-Nusra nannte und von der sich 2014 der IS abgespalten hatte. Um nicht alleine als Unterstützer der syrischen Kurden der YPG und YPJ aufzutreten, was unmittelbar zu einem Konflikt mit der Türkei geführt hätte, wurden einige arabische Stämme in die neuen Allianz der SDF aufgenommen, die aber von Kurden dominiert und kommandiert wird.

Türkische Truppen liefern sich schon jetzt zusammen mit den von ihnen unterstützen Milizen, die als gemäßigt ausgegeben und Freie Syrische Armee genannt werden, Gefechte mit den SDF. Die hatten erfolgreich bei Manbij und von Afrin kommend den IS zurückdrängen können. Um zu verhindern, dass der Korridor zwischen den von den syrischen Kurden kontrollierten Gebieten geschlossen wird, startete die Türkei die Operation Schutzschild Euphrat und drang mit verbündeten "Rebellen" völkerrechtswidrig – aber wen kümmert das schon noch? – in Syrien ein, um angeblich den IS aus Dscharablus und dem Grenzgebiet zu verjagen, den man dort jahrelang geduldet oder sogar unterstützt hat. In Wirklichkeit ging es um das Zurückdrängen der Kurden und die türkische Kontrolle des Korridors, über den vermutlich auch die islamistischen Rebellen, die in Aleppo und anderswo gegen die syrischen Verbände und deren Milizen kämpfen, mit Waffen und Nachschub versorgt werden.

Mit der US-Regierung hatte Ankara vereinbart, dass die Kurden sich aus Manbij zurückziehen sollen, was sie nicht getan haben. Und man sprach sich vehement gegen die Offensive auf Raqqa aus. Die US-Regierung konnte bislang die Türkei noch mit dem Versprechen zügeln, dass die Kurden sich zurückhalten und die arabischen Milizen der SDF die Kontrolle über Manbij oder eben über Raqqa übernehmen würden. Präsident Erdogan hatte vor kurzem sowieso noch einmal Ansprüche einer Großtürkei geäußert und Raqqa, Mosul und Kirkuk als türkisches Einflussgebiet bezeichnet.

Ein befreites Dorf auf dem Vormarsch Richtung Raqqa. Bild: SDF

Wenn jetzt die arabischen Milizen bei der Offensive auf Raqqa, genannt in Anspielung auf die türkische "Operation Wrath of Euphrates" (Wut des Euphrat), aus den SDF aussteigen, riskieren die Kurden, sollten sie den Angriff auf die syrische IS-Hauptstadt fortsetzen, nicht nur auch hier einen militärischen Konflikt mit den Türken, sie könnten womöglich auch die Unterstützung der USA verlieren. Allerdings ist für die amtierende US-Regierung die Offensive auf Raqqa fast wichtiger als die auf Mosul, weil sie diese mit den Kurden bessern steuern konnte, während im Irak neben den Peschmerga und den irakischen Streitkräften auch die schiitischen Milizen mit Verbindung zum Iran mitmischen, wobei es zudem auch hier ein drohendes Problem mit den Türken gibt, die sowohl die schiitischen Milizen als auch die PKK und sogar die Peschmerga abhalten wollen, in Mosul einzurücken.

Nach der Mitteilung der Liwa Thuaar Raqqa (Revolutionäre Raqqa-Brigade), angeblich die einzige arabische Einheit der SDF, hätten die USA versucht, die arabischen Kämpfer zugunsten der kurdischen YPG ins Abseits zu stellen. Abgemacht sei aber gewesen, dass die arabischen Milizen die Offensive führen würden, deren Kommando aber mit Rojda Felat, eine kurdische Kämpferin, übernommen hat. Auch das könnte den arabischen Kämpfern nicht gefallen haben.

Mahmoud Hadi, der politische Führer der Brigade, erklärte, die YPG würde sich nicht an die Vereinbarungen halten, dass die Offensive von der Brigade geführt werde und dass die Kämpfer alle aus Raqqa kommen müssten: "Das Übereinkommen war, dass die SDF nur für logistische Unterstützung sorgen." Tatsächlich hatte General Joe Dunford beim Krisentreffen am letzten Wochenende in Ankara versichert, dass die Kurden zumindest nicht alleine Raqqa einnehmen sollen. Man suche noch nach dem richtigen Mix der Streitkräfte, die Kurden hätten vor allem die Aufgabe, die Verbindung von Raqqa in den Irak abzuschneiden.

Der Zwist scheint aber schon länger zu schwelen. Von kurdischer Seite wird gesagt, dass die politische Fraktion der Brigade schon lange mit dem militärischen Arm unter Abu Issa in Konflikt stehe. Der würde eigentlich an der Macht sein, aber das politische Büro versuche, weiter zu bestehen. Als die Brigade vom IS aus Raqqa vertrieben wurde, sei das politische Büro in die Türkei geflohen, wird getwittert, was natürlich schon Verrat bedeutet. Einerseits wird erklärt, der militärische Flügel wäre noch bei den SDF, andererseits heißt es, die Brigade würde nur aus wenigen Kämpfern bestehen und hätte sich in ihrem umzingelten Hauptquartier ergeben.