Wirtschaftskrieg: Wie die USA ihr Recht weltweit durchsetzen

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Waffe Milliardenstrafen - In Frankreich fordern rechte und linke Parlamentarier ein "juristisches Aufrüsten" gegen "Erpressung und Missbrauch"

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Auch den Fall der Deutschen Bank (DB) hatten die beiden französischen Parlamentarier Pierre Lellouche und Karine Berger bei der Ausarbeitung ihres Berichts für die französische Nationalversammlung im Blick. Schließlich schossen angesichts der in den USA angekündigte Rekordgeldstrafe von 14 Milliarden US-Dollar sogar Rettungsgerüchte ins Kraut.

Zwar ist über den Fall noch nicht entschieden, aber der rechte Lellouche und die sozialistische Berger kennen den Fall der BNP Paribas und andere in Europa. Die größte französische Bank wurde mit 8,9 Milliarden Dollar zur bisherigen Höchststrafe gegen eine Bank in den USA verdonnert, weil sie gegen die US-Sanktionen gegen Kuba und andere Länder verstoßen haben soll.

US-Gesetze würden zur Waffe, was sich Europa nicht länger bieten lassen solle, fordern die Parlamentarier ein "juristisches Aufrüsten" in Frankreich und Europa, was angesichts des Wahlausgangs noch dringender sein dürfte.

Die Kommissionen für Finanzen und auswärtige Angelegenheiten des französischen Parlaments haben im Oktober den Informationsbericht der beiden Parlamentarier geprüft und zur Veröffentlichung freigegeben. Der Bericht beschäftigt sich mit der "Extraterritorialität bestimmter US-Gesetze" und auf deren Auswirkungen für französische und europäische Firmen.

Angesprochen werden darin Herausforderungen in Bezug auf die weltweite wirtschaftliche Konkurrenz und mögliche "verheerende Konsequenzen" amerikanischer Gesetze für europäische Unternehmen.

Massive Geldstrafen

Berger und Lellouche - der sicher kein Antiamerikanist ist und der nach Ansicht der Zeitung Liberation "am stärksten den Atlantismus der französischen Rechten verkörpert" und den Krieg gegen den Irak wie die Außenpolitik von George W. Bush stark unterstützt hat -, listen zum Beispiel massive Geldstrafen auf, die französische Firmen in den USA auferlegt bekommen haben.

Die seien hoch genug, um sogar makroökonomische Auswirkungen in Frankreich zu zeitigen, wird besonders die Geldstrafe von "fast neun Milliarden Dollar" für die BNP Paribas herausgestrichen, weil sie gegen die US-Sanktionsbestimmungen gegen den Iran, Kuba, Libyen und Sudan verstoßen haben soll.

Das wurde allseits in Europa schon im Jahr 2014 als ein "Schlag ins Gesicht europäischer Banken" bewertet, titelte sogar das Handelsblatt.

In dem Bericht wird aber auch die Strafe gegen den französischen Zugbauer Alstom angeführt, der eine Geldstrafe von 772 Millionen Dollar auferlegt bekam, weil er gegen Antikorruptionsgesetze der USA verstoßen haben soll. Genannt wird auch die Strafe von 787 Millionen, welche die Crédit Agricole abdrücken musste, weil sie die US-Sanktionen verletzt habe, oder die 398 Millionen, die der Ölkonzern Total berappen musste, weil er wiederum gegen Antikorruptionsgesetze verstoßen habe. Nicht zuletzt wird auch ein deutscher Fall angeführt, in dem Siemens wegen des gleichen Vergehens 800 Millionen blechen musste.

Aber auch die horrende Strafandrohung gegenüber der Deutschen Bank wird angeführt, die ohnehin schon im vergangenen November von einem US-Gericht zu einer Strafzahlung von 258 Millionen Dollar verurteilt wurde.

US-Justizministerium: Leitwährung Dollar als Hebel zum Eingreifen

Berger und Lellouche stellen in ihrem Bericht besonders darauf ab, dass das US-Justizministerium seinen Einflussbereich besonders weit definiert. So können Geschäfte zwischen zwei ausländischen Unternehmen schon deshalb zum Gegenstand von Ermittlungen werden, wenn dabei der Dollar als Währung zur Abrechnung genutzt wird. Doch das ist bei internationalen Geschäften üblich, schließlich ist der Dollar die Leitwährung.

Also erhalten die USA durch die weite Auslegung ihrer Gesetze einen zusätzlichen Hebel. Zu dem Privileg, über die Leitwährung zu verfügen, bekommen sie ein zusätzliches Werkzeug, um ihre Hegemonie weltweit durchzusetzen. Damit nicht genug, können sogar Transaktionen schon ins Visier der US-Ermittler geraten, wenn sie über das Internet abgewickelt werden und dabei auch Server zum Einsatz kommen, die in den USA stehen.

Strengere Anwendung der Gesetze bei ausländischen Unternehmen

In dem Bericht der beiden Abgeordneten wird auch festgestellt, dass die US-Gesetze bei ausländischen Firmen strenger angewandt würden als bei US-Konzernen. Seit 1977 seien zwar nur 30% der Ermittlungen auf ausländische Firmen entfallen, allerdings haben die bis 2014 insgesamt 67% der gesamten Strafen bezahlen müssen. Von den 15 höchsten Sanktionen entfielen zudem 14 auf europäische Unternehmen. Die US-Justizbehörden hätten sich in "wahre Prämienjäger" gegenüber ausländischen Unternehmen verwandelt, stellt der Bericht fest.

Allein europäische Banken haben seit 2009 schon etwa 16 Milliarden Euro an Strafen in den USA gezahlt. Der Betrag würde sich nun fast verdoppeln, sollte die Deutsche Bank tatsächlich zu einer Strafe von 14 Milliarden verurteilt werden. Dazu kommen aber noch weitere sechs Milliarden Euro, welche die verschiedenen europäischen Firmen wegen Verletzung von Antikorruptionsgesetzen seit 2008 bezahlt haben. Das seien "wahrhafte Abgaben, denen keine Gegenleistungen für die europäischen Wirtschaften entgegenstehen", erklären die Autoren des Berichts.

"Verhalten nicht länger tolerieren"

In einem Interview, angesichts seiner Vorstellung, sprach Berger auch von "Erpressung" und einer "missbräuchlichen Anwendung" amerikanischer Gesetze. Die sozialistische Abgeordnete und ihr konservativer Kollege fordern deshalb, diesem Vorgehen von Seiten der USA wirksam zu begegnen.

"Wir fordern Frankreich und Europa auf, den USA deutlich zu machen, dass dieses Verhalten nicht länger toleriert wird", sagte Berger. Die Sozialistin fordert ein "juristisches Aufrüsten", um "mit den gleichen Waffen auf dem Feld der ökonomischen Konkurrenz mit den USA kämpfen zu können. Sie forderte in Europa einen harten Kurs gegen US-Unternehmen, die ihrerseits gegen europäische Gesetze verstießen. Sowohl Frankreich als auch die europäischen Partner müssten entsprechende Gesetze verabschieden, weshalb der Bericht an die verschiedenen Parlamente in den EU-Mitgliedsländern verschickt werde, kündigte sie an.

Pikant an Lage ist auch, dass es inzwischen zum Beispiel ein Abkommen mit dem Iran gibt. Mit der "Wiener Übereinkunft" sollen die Sanktionen grundsätzlich aufgehoben werden. Allerdings blieb vieles unklar. Zudem herrscht bisher (noch) Tauwetter in den Beziehungen zu Kuba. Doch besonders auf dem enormen iranischen Markt, mit seinen 80 Millionen Einwohnern, die sich nach vielen Sanktionsjahren nach westlichen Waren sehnen, dessen Fuhrpark und Industrie modernisiert werden muss… halten sich europäische Banken und Unternehmen zurück, weil in der Übereinkunft vieles vage blieb.