Völkischer Regionalismus in Deutschland

Bundesweit existieren keine braunen Terrorstrukturen. Lokal oder regional sehen die Behörden jedoch Ansätze von rechten Terrorgruppen oder kriminellen Vereinigungen

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Kann man in Deutschland angesichts der Welle von politisch rechts motivierter Angriffe auf Geflüchtete, deren Helfer, Migranten, Behördenvertreter und Politiker von einem neuen braunen Terror sprechen? Obschon das Bundeskriminalamt (BKA) befürchtet, dass die Zahl der Toten durch rechte Attacken steigt, sieht man bundesweit keinen völkischen Terror. Indes gebe es auf lokaler oder regionaler Ebene Ansätze dazu oder rechtsterroristische und -kriminelle Strukturen, berichtete unlängst Zeit-Online mit Verweis auf ein internes BKA-Lagebild. Exemplarisch für den braunen Regionalismus steht die "Gruppe Freital", der die Bundesanwaltschaft vorwirft, eine rechtsterroristische Vereinigung zu sein.

Das BKA könne eine bundesweit gesteuerte Strategie bei rechten Angriffen nicht erkennen, so Zeit-Online. Man erkenne jedoch die Gefahr einer "hohen Straftatendichte in einzelnen Regionen" und befürchte "nicht nur schwerste Gewaltstraftaten durch Einzeltäter oder Kleinstgruppen, sondern auch die Bildung terroristischer/krimineller Gruppen innerhalb des rechten Spektrums". Was die "Zeit"-Journalisten knapp mit den Worten "Terrorzellen also" umschreiben, erinnert frappierend an das Strategiekonzept der "National befreiten Zone" (NBZ), welches NPD und Neonazi-"Kameradschaften" seit den 1990er Jahren verfechten.

In jenen NBZ müssen politische Gegner, Andersdenkende, Migranten und Juden jederzeit mit Attacken und Gewalttaten durch Rechtsextremisten gegen sich rechnen. Das Gros der heimischen Bevölkerung soll dem Strategiekonzept zufolge zudem mit den Gewalttätern jener Drohkulisse sympathisieren, selbst Behördenvertreter oder etwa Polizei und Justiz sollten eingeschüchtert werden (Erneuerbare Synergien brauner Kameradschaft). Eben jene braune Graswurzelrevolution zwischen Drohkulissen, verbalem Alltagsterror und organisierter Strukturen, Anschlagsplänen und planmäßig durchgeführter Anschläge scheint das BKA festzustellen respektive zu befürchten.

Beispiel Freital

Im April ging dort die GSG9 gegen Neonazistrukturen vor, denen man vorwarf, eine rechtsterroristische Vereinigung zu sein (Von der virtuellen Radikalität zum realen Terror). Mitglieder oder Sympathisanten einer zuerst im Internet aktiv gewordenen "Bürgerwehr" sollen aus der "Gruppe Freital" heraus körperliche Angriffe auf Menschen, die sich zum Wohl von Flüchtlingen engagieren, sowie Anschläge auf Unterkünfte oder Lokalpolitiker im Dresdener Umland begangen haben. Offenbar sahen die Behörden zuletzt die Gruppe als so gefährlich an, dass ihnen möglicherweise ein Spitzel zulieferte, wie der "Spiegel" berichtete.

Die Rechtsanwältin Kristin Pietrzyk, die einen der jungen Syrer vertritt, dessen Wohnung in Freital mit Sprengsätzen angegriffen wurde, sagte, hier sei über Monate "koordiniert und organisiert" vorgegangen worden. Die Rechtsanwältin bewertete das Handeln der Gruppe als "Rechtsterrorismus". Dass dieser mutmaßlich in Dresden noch nicht am Ende ist, sondern es offenbar weitere Menschen gibt, die zu Anschlägen bereit sind, bewiesen die Angriffe auf eine Moschee und ein Kongresszentrum Ende September).

Seit dem Tod eines Polizeibeamten im Zuge einer Razzia gegen einen "Reichsbürger" (Polizist erliegt Schussverletzungen) könnte man den Eindruck gewinnen, dass die Behörden zumindest teilweise vehementer gegen rechtsextreme Strukturen vorgehen. Obschon der deutsche Arm des internationalen, militanten Neonazi-Netzwerkes "Blood & Honour" seit 16 Jahren verboten ist, ging das Landeskriminalamt in Thüringen unlängst erst gegen eine Gruppe vor, die unter dem Label "Blood & Honour Südthüringen" firmieren soll.

Bei der Stürmung einer Wohnung von bewaffneten "Reichsbürgern" in Solingen setzte das Sondereinsatzkommando Blendgranaten ein. Aufgefunden wurden neben Waffen auch Substanzen, die zum Bombenbau hätten dienen können.