Dakota Access Pipeline: Gefährlich und ohne Respekt

Bau der Dakota Access Pipeline in Iowa. Foto: Carl Wycoff/CC BY 2.0

Seit Monaten protestieren amerikanische Ureinwohner gegen die geplante Öl-Pipeline, die vier US-Bundesstaaten durchqueren soll

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Die Dakota Access Pipeline (kurz: DAPL), die inzwischen zur Hälfte fertig ist, kostet 3,7 Milliarden Dollar und transportiert täglich etwa eine halbe Millionen Tonnen Erdöl aus den Ölfeldern in Stanley, North Dakota, nahe der kanadischen Grenze, nach Patoka und Illinois, von hier aus in die Raffinerien der Golf- und Ostküste. So lautet jedenfalls der Plan.

Glaubt man dem Betreiber Energy Transfer Partners, bringt das Bauprojekt Millionen von Dollar ein und schafft tausende Arbeitsplätze. Das Unternehmen werde die Interessen der Landeigentümer wahren und dem lokalen Umweltschutz Gewicht verleihen. Das sehen die Indianer freilich anders.

"Wenn die schwarze Schlange über das Land kommt, wird unsere Welt enden", lautet die Prophezeiung der Lakota- Stammesältesten. Die schwarze Schlange - das ist in den Augen ihrer Nachfahren die geplante Pipeline, welche Mutter Erde zerstören wird und die es zu bekämpfen gilt. Die Pipeline gehe durch das Land seiner Urahnen, beklagt Dean DePountis, Anwalt und Anführer der seit Monaten andauernden Proteste (vgl. dazu Mit Trump gegen Indianerrechte?).

Heilige indianische Begräbnisstätten und kulturelle wichtige Orte würden entweiht. Tatsächlich fanden Forscher in der Nähe von Standing Rock Felsengräber, die für die Nachfahren der Indianer von historischer Bedeutung sind.

Für die 8.000 Menschen im Dakota-Reservat bedeutet die Pipeline nicht nur eine Missachtung ihrer heiligen Stätten. Ihre größte Sorge gilt der Verschmutzung des Trinkwassers durch Explosionen und Lecks. Immerhin durchquert die rund 1.800 Kilometer lange Pipeline zahlreiche Wasserwege, darunter auch den Missouri, der nur wenige hundert Meter nördlich des Standing-Rock-Reservats vorbeiführt und sich zum Lake Oahe staut.

Von diesem Fluss beziehen die Einwohner ihr Trinkwasser. Sie fischen im Fluss und nutzen sein Wasser zur Bewässerung. Würde es mit Öl verschmutzt, wäre dies für die Menschen eine Katastrophe. So gefährde die Ölleitung die Wasserversorgung von nahezu 17 Millionen Menschen, die entlang der Pipeline angesiedelt sind.

Entrechtete im eigenen Land

Für Dave Archambault II. ist es nur eine Frage der Zeit, bis aus irgendeiner undichten Stelle Öl austreten wird. Es sei nicht das erste Mal, dass seinem Volk rücksichtslos Land und Ressourcen genommen würden, klagt der Häuptling der Sioux, der mit anderen Demonstranten vorübergehend festgenommen worden war. In der Vergangenheit habe die US- Regierung Verträge ein ums andere Mal gebrochen.

In der Tat ist die Geschichte der Indianer geprägt von Vertreibung, Täuschungen, Verrat, falschen Versprechungen, Unrecht, aber auch von Widerstand. Als die Weißen im 19. Jahrhundert sich gewaltsam indianisches Land nahmen zwecks Besiedelung und um an die Rohstoffe zu gelangen, fragten sie nicht lange um Erlaubnis. Im kollektiven Gedächtnis geblieben ist die Schlacht am Little Bighorn, angeführt von General George Armstrong Custer - vor 140 Jahren. Nur 14 Jahre später folgte das blutige Massaker am Wounded Knee.

Den Gouverneur von North Dakota, Jack Dalrymple, der im August im Reservat den Notstand ausgerufen hatte, vergleicht der Sioux-Häuptling mit einer Art modernen General Custer: Wieder wird gegen aufständische Indianer Militär herangekarrt, werden zusätzlich Straßen blockiert und Flugzeuge im Tiefflug gesendet.

Protestcamp am Standing Rock

Seit Anfang April besteht das Protestcamp Standing Rock am Missouri River. Ende August waren es tausende Menschen verschiedenster Nationalitäten, die sich hier niederließen, viele für Wochen und Monate, nicht wenige brachten ihre Familien mit. Traditionell verfeindete Stämme nutzten im Camp die Gelegenheit, das Kriegsbeil endgültig zu begraben.

So kam eine Delegation der Crow, mit denen die Lakota seit mehr als hundert Jahren zerstritten waren, aus Montana angereist, um bei gegrilltem Büffelfleisch am Lagerfeuer Versöhnung zu feiern. Für viele war dies ein historischer Moment.

Gemeinsam stehen die Nachfahren der Ureinwohner auf, um sich gegen einen Eingriff in das Land zu wehren, das ihnen zugeteilt wurde. Es ist keine blutige Schlacht mit vielen Toten wie einst, aber auch nicht ohne Gewalt: Immer wieder griffen Polizisten Demonstranten mit Pfefferspray an, etliche Menschen wurden von Hunden gebissen, Hunderte inhaftiert. Menschen mit Bulldozern und Lastwagen zurückgedrängt, Etliche wurden verletzt.

Die grüne US- Präsidentschaftskandidatin Jill Stein wurde wegen Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung angezeigt, weil sie einen Bulldozer mit roter Farbe besprüht hatte. Auch Wachleute sollen den Behörden zu Folge mit Zaunspfählen und Fahnenmasten attackiert worden sein.

Petition und Unterstützer aus dem Ausland

Aus den anfänglichen Protestaktionen einiger Indianer ist im Laufe des Sommers eine breite Protestbewegung geworden, die immer mehr Unterstützer findet. Dank eines gut organisiertem Netzwerkes von studentischen und anderen Aktivisten unter Nutzung von Social Media verbreitete sich die Nachricht vom Widerstand am Standing Rock in Windeseile über die Ländergrenzen hinaus.

So solidarisieren sich Tausende auf Facebook mit dem Protest der Indianer. Prominente reisten an, um sich vor Ort ein Bild zu machen und ihren Beistand zu bekunden. Eine Schauspielerin, die an einer Demo teilgenommen hatte, musste wegen "Landfriedensbruch" sogar eine Nacht im Gefängnis verbringen.

Vier US-Filmstars unterzeichneten eine Petition, die sich für das Ende der Pipeline einsetzt. Der Bürgerrechtler Jesse Jackson besuchte Standing Rock, um den Widerständigen vor Ort Beistand zu leisten. Auch der ehemalige Vize-Präsident Al Gore bezeichnete die Pipeline als gefährliches Projekt, das unter Missachtung offensichtlicher Risiken für den Missouri River und ohne Respekt gegenüber den Standing Rock Sioux durchgezogen werde.

Im Oktober, nachdem Energy Transfer Partners nach kurzer Unterbrechung die Bauarbeiten wieder aufgenommen hatte, kam es zu heftigen Auseinandersetzungen: Polizisten waren mit Schlagstöcken, Pfefferspray, Lärmkanonen, Hunden und Hubschrauber gegen die Demonstranten vorgegangen. Rund 140 Menschen sollen festgenommen worden sein. Unabhängige Journalisten, die das Geschehen vor Ort dokumentierten, wurden angegriffen und kriminalisiert.

Während sich Bernie Sanders schon frühzeitig deutlich gegen die Öl-Pipeline ausgesprochen hatte, kamen weder von Clinton noch von Trump konkrete Stellungnahmen. Kürzlich war allerdings bekannt geworden, dass der CEO von Energy Transfer, Kelcy Warren, über 100.000 US-Dollar für Trumps Wahlkampf gespendet hatte.

Der Dakota-Häuptling Arvol Looking Horse erinnerte Obama an ein früheres Versprechen, die Indianer im Falle von Vertragsverletzungen verteidigen zu wollen. Obama, der zum Ende seiner Amtszeit keine gewalttätigen Auseinandersetzungen wünschte, wies die zuständigen Ingenieure zwar an, eine Verlegung der Pipeline prüfen. So sollten die "Traditionen der ersten Amerikaner berücksichtigt" nachträglich berücksichtigt werden.

Doch der Betreiber-Konzern lehnte ab. Bei allen Rückschlägen - eine plötzlich am Horizont auftauchende Büffelherde machte den in der Naturreligion verwurzelten Indianern Mut: Der Büffel steht als Krafttier symbolisch für die Fülle der Natur und die Achtung vor der Schöpfung.