In Deutschland sterben die Leut' aus...

...und die Volksvertreter schlafen vor sich hin. Eine Demokratie haben wir schon lange nicht mehr - Teil 24

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Die Bevölkerung schrumpft, und die Menschen werden immer älter. Die ganze Gesellschaft altert. Bald gibt es viel mehr alte als junge Menschen, bald mehr Rentner als Erwerbstätige. Die Politik in allen Industrienationen muss sich eingehend damit beschäftigen, was da an vielfältigen Problemen auf Staat, Gesellschaft und Bevölkerung zukommt. Damit hätte sie schon vor Jahrzehnten anfangen müssen. Hat sie aber nicht. Das rächt sich. Sie kann zwar gegenüber der Unzahl an Problemen einfach weiter die Augen verschließen. Doch dann rollt die Entwicklung auch so über sie hinweg. Die Politik des Wurschtelns in entwickelten repräsentativen Demokratien kann fundamentale Herausforderungen nicht bewältigen. Dem stehen die machtvollen Eigeninteressen der Repräsentanten entgegen. Die haben anderes im Kopf. Ihr Horizont reicht von einer zur nächsten Wahl. Das halten sie für strategische Weitsicht.

Die wohl größte Herausforderung aller entwickelten Gesellschaften ist das, was so harmlos als "demografischer Wandel" daherkommt: Die Bevölkerung schrumpft rapide, die Menschen werden immer älter. Bald gibt es viel mehr alte als junge Menschen, bald mehr Rentner als Erwerbstätige.

Das hat weitreichende Folgen für das Leben eines jeden Einzelnen und für die Gesellschaft als Ganze. Die Politik in allen Industrienationen muss sich eingehend damit beschäftigen, was da an vielfältigen Problemen auf Staat, Gesellschaft und Bevölkerung zukommt.

Damit hätte sie schon vor Jahrzehnten anfangen müssen. Hat sie aber nicht. Das rächt sich. Sie kann zwar gegenüber der Unzahl an Problemen einfach weiter die Augen verschließen. Doch dann rollt die Entwicklung auch so über sie hinweg.

Der demografische Wandel ist nicht bloß ein fashionabler Gesprächsstoff, über den man auf Partys neunmalklug smalltalken kann. Und er ist auch nicht einfach nur eines von mehreren möglichen Zukunftsszenarien. Er ist eine unverrückbare Tatsache. Die wesentlichen Eckpunkte der Entwicklung sind längst festgeschrieben und können auch nicht mehr zurückgedreht werden. Er rollt auf alle Industriegesellschaften zu - ob sie nun darauf vorbereitet sind oder nicht.

Die alles entscheidende Frage ist: Werden die demokratischen Gesellschaften mit den immensen Problemen besser oder schlechter fertig? Werden Sie überhaupt damit fertig? Und sind sie wenigstens dazu bereit, sich damit auseinanderzusetzen?

Die Fakten: Deutschland hat 81,89 Millionen Einwohner. Schon heute ist fast jeder Vierte über 60 Jahre alt. Die Bevölkerung altert und schrumpft rasant. Würden die Grenzen heute geschlossen, gäbe es 2050 nur noch 58 Millionen Einwohner in Deutschland. 40 Prozent von ihnen wären über 60. Der Zeitpunkt ist nicht mehr allzu fern, an dem die Mehrheit der Bevölkerung älter als 60 Jahre ist.

Seit den 1970er Jahren bringen die Frauen in Deutschland nicht mehr genügend Kinder zur Welt, um die Elterngeneration zu ersetzen. Erstmals 1973 starben in der Bundesrepublik mehr Menschen als im selben Jahr geboren wurden.

Seither sinkt die Bevölkerungszahl beständig. Wenn es so weiter geht, dann werden schon 2050 nur noch halb so viele Menschen in Deutschland geboren, wie jährlich sterben. Und es gibt so gut wie keine Möglichkeit, etwas daran zu ändern, dass es so weiter geht.

Während in der Müttergeneration der jungen Frauen von heute nur jede Zehnte kinderlos blieb, bleibt heute schon jede dritte Frau kinderlos. Bei den Akademikerinnen bleiben sogar 40 Prozent ihr Leben lang kinderlos. Für eine Umkehr dieses Trends ist es längst viel zu spät.

Deutschland verliert bis 2030 ein Sechstel seiner Einwohner, die Bevölkerungszahl schrumpft in weniger als 20 Jahren von 82 auf 68 Millionen. Unausweichlich. Egal, was sonst geschieht. Das ist nicht mehr aufzuhalten und schon gar nicht umzukehren.

● Um die Bevölkerung in einem Land konstant zu halten, müsste jede Frau in ihrem Leben im Schnitt 2,1 Kinder zur Welt bringen. Sie ersetzt damit sich selbst und ihren Partner. Hinzu kommt noch eine "Sicherheitsreserve" für Kinder, die sich später selbst nicht fortpflanzen oder vorher sterben. Das letzte Jahr, in dem dieser Wert in Deutschland erreicht wurde, war 1970. Ihren höchsten Wert seit dem zweiten Weltkrieg erreichte die Fruchtbarkeit der Frauen 1964 mit durchschnittlich 2,54 Kindern. Danach sank die Kinderzahl nur noch. Die Antibabypille begann zu wirken.

Durch den Geburtenrückgang verliert Deutschland in jeder Generation ein Drittel der Bevölkerung. Bis 2050 wird sich die Zahl der 20-Jährigen fast halbieren, der Anteil der Menschen im aktiven Alter zwischen 20 und 60 Jahren wird auf etwa 40 Prozent sinken. Selbst wenn die Geburtenrate in den nächsten 20 Jahren wieder von 1,6 (heute)1 auf 2,0 Kinder pro Frau anstiege - was sehr unwahrscheinlich ist -, würde es bis 2080 dauern, bevor die Zahl der Geburten- und Todesfälle wenigstens wieder gleich hoch wäre.2

Noch verschleiert Zuwanderung die volle Dramatik des Schwunds. In den letzten 50 Jahren kamen im Schnitt jährlich 253.000 Zuwanderer mehr ins Land, als Abwanderer es verließen - nur deshalb ist Deutschlands Einwohnerzahl bis dato noch nicht geschrumpft, sondern sogar leicht gewachsen.

Auch Maßnahmen, die wieder zu einer höheren Geburtenrate führen würden, könnten nur bewirken, dass eine Umkehr erst nach Jahrzehnten eintritt. Da aber bisher keine dieser Maßnahmen auch nur in die Wege geleitet wurden, geht es weiter abwärts wie bisher. Unausweichlich, unvermeidlich und unaufhaltsam.

Die Geburtenziffern sinken in allen Industriestaaten - in Deutschland seit dem Ende des 19. Jahrhunderts. Damals brachten Frauen durchschnittlich 4,6 Kinder zur Welt. Bereits 1915 war das Geburtenniveau auf 2,9 Kinder je Frau gefallen. Für Bevölkerungswachstum reichte das allemal aus. Erst mit der Erfindung der empfängnisverhütenden Pille stürzte die Geburtenziffer steil ab.