Botschaften mit doppeltem Boden

Geheimcode in der Wettervorhersage, in Todesnachrichten und Zigarrenbestellungen

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Im Zweiten Weltkrieg war in den USA das Verschicken von Kreuzworträtseln verboten. Briefe – insbesondere solche, die die Vereinigten Staaten verließen oder dorthin geschickt wurden – gingen damals über die Schreibtische der Zensurbehörde, und diese sortierte nicht nur Kreuzworträtsel grundsätzlich aus. So kamen auch internationale Fernschachpartien in den USA nach deren Kriegseintritt zum Erliegen, da die Zensoren keine Schachzug-Mitteilungen mehr passieren ließen. Gleiches galt für Kinderzeichnungen und Zeitungsausschnitte.

Der Grund für diese Zensurmaßnahmen ist einfach nachzuvollziehen: Die Amerikaner fürchteten seinerzeit deutsche und japanische Spione, die in den USA ihr Unwesen trieben. Für diese waren Kreuzworträtsel, Schachzüge und ähnliches Datengewirr eine naheliegende Methode, um unbemerkt mit ihren Kontaktleuten im Ausland zu kommunizieren. So konnte ein Schachzug wie „De3-g5“ in Wirklichkeit eine versteckte Nachricht sein, genauso wie der Inhalt eines speziell konstruierten Kreuzworträtsels.

Die Sorgen der Amerikaner kamen nicht von ungefähr, denn die Deutschen und die Japaner betrieben zur damaligen Zeit tatsächlich umfangreiche Spionageringe in den USA. Diese übermittelten nicht nur Staatsgeheimnisse, sondern oft auch Informationen aus der Tageszeitung oder Angaben zu Schiffen, die (für jedermann sichtbar) in einem Kriegshafen vor Anker lagen. Was man heute mit Hilfe von Internet, Spionagesatelliten oder Reisen einfach herausfindet, mussten damals Spitzel vor Ort in Erfahrung bringen.

Das Einsammeln solcher Informationen war für einen Spion oft einfacher als deren getarntes Verschicken an den Auftraggeber. Die Zensurmaßnahmen der USA im Zweiten Weltkrieg machten es den Agenten besonders schwer. Über 14.000 Personen öffneten zu Spitzenzeiten täglich etwa eine Million Postsendungen. Zu den Inhalten, die sie aussortierten, gehörten auch Schulzeugnisse, die stolze Eltern an die Großeltern in einer anderen Stadt schickten. In Blumenbestellungen entfernte die Zensurbehörde die Blumensorte und den Auslieferungszeitpunkt – der Blumenladen musste also selbst entscheiden, an welchem Tag er einen Geburtstagsgruß übermittelte und ob er diesem Rosen oder Nelken beifügte. In anderen Fällen begnügten sich die staatlichen Schnüffler damit, die Plausibilität der jeweiligen Informationen zu überprüfen. Wenn ein Musiknotenblatt eine spielbare Melodie enthielt, durfte es passieren.

Der Puppencode

Der bekannteste Fall, in dem die Bemühungen der US-Zensur von Erfolg gekrönt waren, ist die Geschichte der in New York lebenden Puppenhändlerin Velvalee Dickinson. Diese spionierte im Zweiten Weltkrieg für die Japaner. Wie viele andere Spione der damaligen Zeit hatte Dickinson zwar keinen Zugang zu geheimen Informationen, lieferte aber dennoch wichtige Daten. Auf Reisen beobachtete sie vor allem Marinehäfen in den USA und übermittelte Informationen über dort verkehrende Schiffe an den japanischen Geheimdienst. Ihre Mitteilungen waren als Briefe getarnt, in denen es um Puppenbestellungen oder -reparaturen ging. Als angebliche Absender gab sie stets die Adresse von Puppenliebhaberinnen an, die tatsächlich existierten und mit denen sie geschäftlich zu tun gehabt hatte. Die Briefe gingen an unauffällige Empfänger im Ausland, die dem japanischen Geheimdienst zuarbeiteten.

Allerdings unterschätzten die Japaner die amerikanischen Postzensoren. 1942 stießen diese erstmals auf einen der ungewöhnlichen Puppenbriefe und machten das FBI darauf aufmerksam. Es handelte sich dabei um ein Schreiben an eine Adresse in Argentinien, das als unzustellbar in die USA zurückgekommen war. Darin war von einem „wunderschönen Puppenkrankenhaus“ und von drei alten englischen Puppen die Rede. Außerdem ging es um Fischernetze und Ballone. Das FBI kam schnell dahinter, was damit gemeint war: Die drei angeblichen Puppen standen für drei Kriegsschiffe, und das Puppenkrankenhaus war ein Dock an der Westküste. Die Fischernetze und Ballone gaben zusätzliche Informationen zu den Schiffen.

Die US-Zensoren achteten nun auf weitere Briefe, die an dieselbe Adresse gerichtet waren. In der Tat fanden sich vier weitere. In einem davon war von einem Mr. Shaw die Rede, der „krank war, aber bald wieder arbeiten kann“. Damit war offensichtlich der US-Zerstörer USS Shaw gemeint, der beim Angriff auf Pearl Harbor beschädigt worden war und anschließend an der US-Westküste repariert wurde. Ein anderer Brief erwähnte sieben chinesische Puppen, die offensichtlich auf einen Schiffskonvoi hinwiesen, der kurz zuvor in San Francisco zu beobachten gewesen war.

In einem weiteren Schreiben ging es um eine Puppe, die eine siamesische Tempeltänzerin darstellte: „Sie wurde beschädigt, und war in der Mitte zerbrochen. Aber sie ist nun repariert, und sie gefällt mir sehr gut. Ich konnte für diese siamesische Tänzerin keine Gefährtin finden, also ziehe ich jetzt eine kleine, gewöhnliche Puppe siamesisch an ...” Damit war der Flugzeugträger USS Saratoga gemeint, der bei einem Torpedoangriff beschädigt und in der Nähe von Seattle repariert worden war. Zusätzlich rüstete die US-Marine damals ein weiteres Kriegsschiff zu einem Flugzeugträger um, was Dickinson als „siamesisch anziehen“ bezeichnete.

Ein dritter Brief erwähnte eine deutsche Puppe, die mit einem Baströckchen bekleidet war und deren Reparatur in der ersten Februarwoche des Jahres abgeschlossen sein sollte. Bei einer Überprüfung stieß das FBI auf ein Schiff, das beim Angriff auf Pearl Harbor beschädigt worden war. Dieses wurde bei Seattle repariert und sollte zum beschriebenen Zeitpunkt fertig sein.

Der Inhalt der Briefe war also eindeutig. Allerdings war dem FBI zunächst nicht bekannt, wer sie geschrieben hatte. Die vorgeblichen Absenderinnen waren unterschiedliche Puppenliebhaberinnen in den USA, doch gegenüber dem FBI versicherten alle glaubhaft, keine derartigen Briefe geschrieben zu haben. Eine der Frauen lebte in Ohio, und ihr Brief war in New York aufgegeben, obwohl sie sich dort noch nie aufgehalten hatte. Eine Überprüfung ergab zudem, dass die Unterschriften gefälscht waren. Der Schreibstil deutete darauf hin, dass die Briefe vom selben Urheber stammten.

Das FBI überprüfte nun das Umfeld der vermeintlichen Absenderinnen und stellte fest, dass alle in Verbindung mit einer Puppenhändlerin namens Velvalee Dickinson standen. So wurde deren Identität schnell gelüftet. Das FBI fand heraus, dass Dickinson ursprünglich in San Francisco gelebt hatte, wo sie in Kontakt mit mehreren japanischen Personen gekommen war. Nach einem Umzug nach New York hielt sie weiterhin Kontakt zu Japanern und begann sogar eine Liebesbeziehung mit einem japanischen Diplomaten. Mit diesem bereiste sie die Westküste. Die vom FBI analysierten Briefe ließen sich mit den jeweiligen Aufenthaltsorten des Liebespaars in Einklang bringen. Das FBI fand in den besuchten Hotels sogar die Schreibmaschinen, mit denen die Briefe geschrieben worden waren. Auch Zahlungen, die Dickinson von japanischen Quellen erhalten hatte, ließen sich nachweisen. Am 21. Januar 1944 wurde Velvalee Dickinson verhaftet. Mit einer zehnjährigen Gefängnisstrafe kam sie im Vergleich zu anderen Spionen glimpflich davon.

Der Zigarrencode

Bereits im ersten Weltkrieg hatte es ebenfalls einen Spionagefall gegeben, in dem getarnte Nachrichten eine Rolle spielten. In deren Mittelpunkt standen die beiden deutschen Agenten Haicke Janssen und Willem Roos, die sich als niederländische Zigarrenhändler ausgaben, als sie 1915 in Großbritannien einreisten. Anschließend besuchten sie unabhängig voneinander mehrere britische Hafenstädte, wo sie scheinbar gute Geschäfte machten und entsprechende Bestellungen per Telegramm in die Niederlande schickten.

In Wirklichkeit hatten es die beiden jedoch auf britische Hafenanlagen abgesehen, wo sie Ausschau nach Kriegsschiffen hielten. Die angeblichen Zigarren-Bestellungen waren getarnte Mitteilungen über die Anzahl von Schiffen in einem bestimmten Hafen. Bestellte einer der beiden beispielsweise 10.000 Zigarren der Marke Corona nach Portsmouth, dann stand dies für 10 Aufklärungsschiffe (Kreuzer), die er in den dortigen Hafenanlagen gesichtet hatte. Empfänger dieser Bestellungen war eine angebliche Zigarrenfirma in den Niederlanden, hinter der der deutsche Geheimdienst steckte.

Allerdings überwachten auch die Briten in Kriegszeiten die Auslandspost. So kam es, dass sich einige Zensoren über die hohen Bestellzahlen wunderten – 10.000 Zigarren waren schlichtweg zu viel für eine Stadt wie Portsmouth. Außerdem fiel ihnen auf, dass alle Bestellungen aus Städten mit einem Militärhafen stammten. Die Spionage-Tour von Janssen und Roos dauerte daher nur wenige Wochen, bevor ihnen der britische Geheimdienst auf die Schliche kam. Die beiden wurden verhaftet und vor Gericht gestellt. Beim Prozess sagten mehrere Zigarrenexperten aus, dass die genannten Marken gar nicht existierten. Am Ende standen Todesurteile für die beiden Deutschen.

Etwa zur gleichen Zeit arbeitete der Deutsche Karl Hans Lody in England als deutscher Geheimagent. Dazu tarnte er sich als amerikanischer Briefmarkensammler, der mit anderen Sammlern in mehreren europäischen Ländern korrespondierte und dabei Marken tauschte. Durch die Beobachtung von Häfen gelang es ihm, eine Reihe wichtiger Informationen für den Geheimdienst in Berlin zu beschaffen. Lodys Tauschpartner waren Agenten des deutschen Geheimdienstes, und jede verschickte Marke stellte eine bestimmte Frage oder Antwort dar – nach einem Geheimcode, der vorher in Berlin ausgearbeitet worden war.

Doch auch Lody flog auf. Schuld daran war keine seiner Briefmarken-Nachrichten, sondern ein Telegramm mit folgendem Wortlaut: „Aunt, please send money immediately. I am absolutely broke. Thank heaven those German swine are on the run.” („Tante, bitte schick mir sofort Geld. Ich bin total pleite. Dem Himmel sei Dank, dass diese deutschen Schweine endlich abhauen.“) Eine Zensorin, die diese Zeilen las, wurde stutzig. Schließlich bezahlte man ein Telegramm nach der Anzahl der Wörter, und warum sollte ein mittelloser Mensch Geld für eine nutzlose Beschimpfung der Deutschen ausgeben? Leider ist nicht überliefert, welche Nachricht Lody mit diesem Telegramm übermitteln wollte (vermutlich ging es tatsächlich um eine Geldforderung). Es war auf jeden Fall Lodys letzte getarnte Nachricht. Anschließend wurde er verhaftet und hingerichtet.

Code in der Todesnachricht

Alle soeben genannten Fälle haben eines gemeinsam: Die Kommunikationspartner verwendeten harmlos klingende Begriffe („englische Puppe“, „Corona-Zigarre“, „beschädigt“), um damit unbemerkt geheime Informationen zu übermitteln. Eine solche Methode bezeichnet man als „Jargon-Code“. Jargon-Codes bilden ein Teilgebiet der Steganografie (das ist die Wissenschaft des Datenversteckens). Es gab sie schon lange vor dem 20. Jahrhundert. Ein frühes Beispiel stammt von dem Abt und Gelehrten Johannes Trithemius, der mit seinem Buch „Steganographia“ den Begriff Steganografie prägte. In einem weiteren Buch („Polygraphiae“) beschreibt Trithemius einen Jargon-Code, mit dem sich eine beliebige Nachricht als gebetsähnlicher Text tarnen lässt. Man spricht daher auch von der Ave-Maria-Chiffre.

In der Ave-Maria-Chiffre wird jeder Buchstabe mit Hilfe eines lateinischen Worts dargestellt. Pro Buchstabe stehen stets mehrere Wörter zur Auswahl, damit der Text nicht zu monoton klingt. Für jeden Buchstaben gibt es sowohl Hauptwörter als auch Adjektive, wobei in einem Text stets zwischen den beiden Wortarten abgewechselt wird. Die folgende Tabelle zeigt einen kleinen Ausschnitt aus der Originalbeschreibung von Trithemius, wobei ich mich auf die Buchstaben A bis H und auf jeweils ein Substantiv und ein Adjektiv pro Buchstabe beschränke:

  1. A: deus (Gott), clemens (sanftmütig)
  2. B: creator (Schöpfer), clementissimus (sanftmütigster)
  3. C: conditor (Gründer), pius (fromm)
  4. D: opisex (Führer), pijssimus (frömmster)
  5. E: dominus (Herr), magnus (groß)
  6. F: dominator, (Herrscher) excelsus (erhaben)
  7. G: consolator (Tröster), maximus (größter)
  8. H: arbiter (Richter), optimus (bester)

Der Satz „deus clementissimus creator magnus“ („sanftmütigster Gott, großer Schöpfer“) steht demnach für ABBE. Das Wort FACH lässt sich als „dominator clemens conditor optimus“ kodieren („gnädiger Beherrscher, bester Gründer“). Beide Sätze könnten tatsächlich aus einem Lobgebet stammen. Besonders praktikabel ist die Ave-Maria-Chiffre allerdings nicht, weshalb mir auch kein Fall bekannt ist, in dem sie praktisch eingesetzt wurde.

Sehr wohl praktisch eingesetzt wurde dagegen ein Jargon-Code, der aus dem Jahr 1755 stammt. Damals reiste der französische Spion Chevalier Douglas im Auftrag des Königs Ludwig XV. nach Russland. Dort gab er sich als Pelzhändler aus. In Wirklichkeit interessierte sich der Agent jedoch für die militärische und politische Lage im Zarenreich. Seine Erkenntnisse schickte er als vermeintliche Pelzhändler-Korrespondenz nach Frankreich. Dabei verwendete er beispielsweise den Ausdruck „der Fuchs war nicht teuer“ mit der Bedeutung „der Einfluss der englischen Partei steigt“. Weitere Nachrichten lauteten „der Hermelin war in Mode“ („der Einfluss der russischen Partei steigt“), „der Wolf hatte seinen Preis“ („die österreichische Partei behält ihren überwiegenden Einfluss“). Auch einige Fachausdrücke aus dem Pelzhandel (etwa „Grauwerk“) hatten eine festgelegte Bedeutung und standen etwa für Militäreinheiten oder bestimmte Personen. Tatsächlich übermittelte Chevalier Douglas auf diese Weise wichtige Informationen nach Frankreich.

Ein weiteres Beispiel stammt aus dem Ersten Weltkrieg. Damals erhielt ein US-Soldat in den Niederlanden ein Telegramm von seiner Familie. Darin stand: „Father is dead“ („Vater ist tot“). Private Telegramme an die Streitkräfte wurden jedoch von Zensoren überprüft, um die Übermittlung von kriegswichtigen Geheimnissen zu verhindern. In diesem Fall wurde der Zensor misstrauisch und änderte den Wortlaut in „Vater is deceased“ („Vater ist gestorben“). Kurze Zeit später schickte der Soldat ein Telegramm mit folgendem Inhalt zurück: „Is father dead or deceased?“ („Ist Vater tot oder gestorben?“). Leider ist nicht überliefert, welche Bedeutung die beiden Nachrichten hatten. Man kann jedoch vermuten, dass die Todesnachricht eine versteckte Bedeutung hatte und dass der Empfänger durch die Änderung irritiert war.

Im Zweiten Weltkrieg arbeitete auch die Resistance in Frankreich mit einem Jargon-Code. Die BBC strahlte damals Meldungen aus, die zwar harmlos klangen, für Mitglieder der Widerstandsbewegung jedoch eine versteckte Bedeutung hatten. Die bekannteste dieser Nachrichten war zweigeteilt. Am 1. Juni 1944 verlas ein BBC-Sprecher in den 21-Uhr-Nachrichten die erste Hälfte des Gedichts „Chanson d'automne“ von Paul Verlaine. Am 5. Juni folgte die zweite Hälfte. Diese Mitteilung kündigte Eingeweihten die bevorstehende Landung der Alliierten in der Normandie am 6. Juni 1944 an.

Wetter-Codes

Etwa zur gleichen Zeit nutzten auch die Japaner einen Jargon-Code . Dieser basierte auf Wettermeldungen. Wie man sich leicht vorstellen kann, sind Wettermeldungen gut dafür geeignet, geheime Nachrichten unauffällig zu übertragen, was im Laufe der Steganografie-Geschichte zahlreiche Wetter-Codes hat entstehen lassen. Im Falle der Japaner sah der Code folgende Code-Mitteilungen vor:

  1. „higashi no kaze, ame“ (Ostwind, Regen): Gefahr für die Beziehungen zwischen Japan und den USA.
  2. „kita no kaze, kumori” (Nordwind, wolkig): Gefahr für die Beziehungen zwischen Japan und der Sowjetunion.
  3. „nishi no kaze, hare” (Westwind, gutes Wetter): Gefahr für die Beziehungen zwischen Japan und Großbritannien, drohende Invasion der Briten in das mit Japan verbündete Thailand.

Dieser Wetter-Code diente als Signal, mit dem die Regierung in Tokio die japanischen Vertretungen im Ausland warnen konnte. Diese waren über die Bedeutung informiert und hatten Anweisungen, wie sie im jeweiligen Fall verfahren sollten. Ein Vorteil dieses Codes war, dass er auch funktionierte, wenn andere Mittel der Kommunikation nicht mehr brauchbar waren. Der Code kam tatsächlich zum Einsatz. Am 19. November 1941 (zwei Wochen vor dem Angriff auf Pearl Harbor) funkten die Japaner „higashi no kaze, ame“ und am 7. Dezember (kurz nach dem Angriff) „nishi no kaze, hare”.

Auch in der Fiktion kommen immer wieder Wetter-Codes vor. Ein bekanntes Beispiel findet sich im Film „Frühstück bei Tiffany“ mit Audrey Hepburn. Darin gerät die Hauptperson Holly Golightly in den Verdacht, einen inhaftierten Kriminellen beim Kokainhandel unterstützt zu haben, was sie sogar kurzzeitig ins Gefängnis bringt. In Wirklichkeit hat sie jedoch nur vermeintliche Wetternachrichten des Gangsters überbracht, ohne zu wissen, dass es sich dabei um einen Jargon-Code für den Drogenhandel handelte. Von der Polizei darauf angesprochen, gibt sie zu Protokoll, nichts davon gewusst zu haben. Ihr fiel lediglich auf, dass „Schnee in New Orleans“ nicht besonders wahrscheinlich klingt.

Manchmal besteht ein Jargon-Code auch nur aus einer einzigen Nachricht, die als Erkennungszeichen, Alarmsignal oder Quittung dient. Als beispielsweise der Spion Klaus Fuchs 1944 in New York seinen Kontaktmann traf, fragte dieser: „Können Sie mir den Weg zur Grand Central Station erklären?“ Dies war das verabredete Erkennungszeichen in Form eines Jargon-Codes. Fuchs hatte seinerseits einen Tennisball in seiner Hand gehalten, damit ihn sein Kontaktmann erkennen konnte (auch dies war eine Form der Steganografie).

Ein Beispiel für ein steganografisches Alarmzeichen ist der amerikanische Militärmarsch „The Stars and Stripes Forever“, der unter anderem aus der Werbung für den Allzweckreiniger „Der General“ bekannt ist. In den USA spielen die Musikkapellen in Zirkussen und Varietés dieses Stück nur in einem ganz besonderen Fall: wenn Lebensgefahr für die Zuschauer besteht und das Personal eine Evakuierung durchführen muss.

Dieser Artikel stammt aus dem Buch Link auf /tp/r4/buch/buch_36.html von Klaus Schmeh. Es ist in der Telepolis-Buchreihe erschienen. Klaus Schmeh ist Informatiker und nebenberuflicher Journalist. Er ist Autor mehrerer populärwissenschaftlicher Bücher (u. a. „Codeknacker gegen Codemacher“).