Bloß nicht zu viel tunen

Neben der Spur

Mit Facetune2 kann man heute schon so aussehen wie das Model von morgen. Allerdings kann das auch in die Hose gehen

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Entengesicht, Entengesicht, wer hat das schönste Selfie auf Instagram? Ich stand neulich wieder fasziniert neben einer Person des modernen Lebens, die mindestens zehn Minuten ihrer Lebenszeit (gefühlt) damit verbrachte, gut aussehend von sich selbst fotografiert zu werden. Selfie, klar. Wichtig heutzutage, jedermann und jedefrau ist ständig auf einem virtuellen Laufsteg unterwegs und lächelt sich über den roten Teppich, der den Alltag schön ausgelegt umschmeichelt.

Das muss der Welt mitgeteilt werden. In Posen, die die Welt braucht. ICH beim Frühstück, ICH beim aus dem Haus gehen, ICH auf der Straße ... und so weiter, und so weiter. Inzwischen hat das ja jeder von uns drauf, so wie man früher genau wusste, wie man auf einem Familienfoto neben Tante Berta zu stehen hatte, damit auch am nächsten Weihnachtsfest der Tantenrubel weiter rollte. Das können wir.

Aber was, wenn die Haut nicht mitmacht und man aussieht wie der Streuselkuchen von Tante Irene? Da kann eine App aus Israel helfen. Dessen Basisreligion sagt zwar, dass man sich kein Bild machen soll, aber wenn es schon mal gemacht ist, dann verbietet kein Rabbi der Welt (vermutlich) eine leichte Überarbeitung der Aufnahme.

Für solche Zwecke gibt es eben Facetune2, dessen neue Version noch besser die Haut glättet und eine Studiolichtatmosphäre an den Frühstückstisch zaubert. Damit wir alle so aussehen, als wäre gerade ein dreizehnköpfiges Stylistinnenteam über das Gesicht gegangen, und ein Starfotograf hätte zumindest den besten Assistenten für eine Spontanaufnahme geschickt.

Aber halt.

Die App kann noch mehr, sie kann auch die Gesichtszüge verbiegen. Und das muss nicht immer zum objektiv feststellbaren Vorteil sein. Es lassen sich auch Profile der eigenen Visage erzeugen, mit dem man getrost zum Eierabschrecken übergehen kann. Das ist sicher auch ein Familienspaß, wenn Instagram damit vollgeballert wird.

Aber halt.

Jetzt wissen wir zum Beispiel, dass in der Bergrettung ab nächstem Winter nicht nur komisch aussehende Hunde, sondern auch Drohnen eingesetzt werden sollen. Wenn diese Hundehelfer dann nicht nur das Handy eines Lawinenopfers orten, sondern auch gleich das Instagram-Konto eines möglicherweise zu Rettenden knacken und an den Hund weiterleiten, dann kann es bei zu vielen verunglückten Aufnahme via Facetune2 schon einmal passiert, dass das arme Tier nach Ansicht jaulend ins Tal läuft und die Rettung verweigert.

Das will man doch nicht. Deshalb hier der Aufruf an alle Selfiehelden dieser Welt: Helden, wenn Ihr auch nächsten Winter unter dem Schnee herausgezogen werden wollt, dann lasst bitte diesen Mist mit dem Retuschieren. Wir werden schon über Euer wahres Aussehen hinweg kommen. Und wenn hartgesottene Bernhardinerhunde selbst beim Originalanblick jaulend davon stürzen, dann hilft vermutlich digitale Technik auch nicht mehr.

Eben.