Kurze Geschichte meiner Weltumsegelungen

Foto: Adrian Pingstone. Lizenz: Public Domain

Jeder kennt sie, die großen Namen der Globalumrundungen, Ferdinand Magellan, James Cook, oder auch Phileas Fogg - Unbekannt dagegen: Tom Appleton, der, im Gegensatz zu den Vorgenannten, den Globus immerhin wesentlich öfter umkreist hat

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Es begann schon in der Kindheit mit kombinierten Bahn-, Flug-, und Schiffsreisen, zwischen Berlin und Teheran, doch dann kam es zur ersten großen Weltreise, von München nach Neuseeland. Ob ich lieber mit dem Schiff oder mit der Bahn dorthin reise wolle? fragte mich die nette Dame im Reisebüro direkt hinter der Universität. Ich, wie immer, zu jeder Blödelei aufgelegt, entschied mich für die Option "per Bahn". Nach längerem Blättern erklärte mir die hilfreiche Person, nach Neuseeland könne man nur mit dem Flieger hingelangen. Ich nahm das mit Bedauern zur Kenntnis und buchte also einen Flug.

Visum für den Überflug

Die Unkenntnis des Personals in diesem nicht eben mit Weltreisen vertrauten Reisebüro in Uni-Nähe hätte mich vorwarnen sollen, aber ich war selber noch etwas naiv. Ich müsse in London abfliegen, wurde mir beschieden. Und von einer Visumspflicht für Reisende nach Neuseeland hatte man in München auch noch nichts gehört. Ich buchte also munter einen One-Way-Flug ab London - und dazu noch eine Bahnkarte München-London. In London musste ich bis zum Abflug eine Woche warten, dann tanzte ich in Heathrow an. Dort wurde mir beschieden, dass ich für das reine Überfliegen des Territoriums der USA ein amerikanisches Visum bräuchte.

Ich also zurück nach London, zurück zu meinen Gastgebern, die nicht damit gerechnet hatten, mich so bald wieder zu sehen. Bei der US-Botschaft dauerte es dann eine ganze Woche mit dem Visum, aber immerhin, in der Woche darauf konnte ich nun los starten. Da ich auch über Neuseeland nur wenig wusste, kaufte ich mir am Flughafen noch eben mal schnell den Shell Guide für Neuseeland. Der war allerdings sowas von langweilig, dass ich nie über Seite 3 hinauskam. Bis zu meiner Ankunft in Auckland wusste ich buchstäblich nichts über dieses Land.

Der Flug mit einer Maschine der Pan Am dauerte ungefähr 48 Stunden. Nach einer Überquerung von Grönland machten wir eine Zwischenlandung, in tiefster Nacht, irgendwo im Mittleren Westen. Um die Maschine an einer Not-Tankstelle für den Weiterflug vollzutanken. Schließlich landeten wir in Honolulu. Insgesamt sieben oder acht Mal habe ich danach noch in der selben kleinen schäbigen Transit-Lounge gesessen, in der sich nichts weiter befand als ein Cola-Automat, der aber leider nur amerikanische 25-Cent-Münzen akzeptierte —- die natürlich keiner der Fluggäste dabei hatte.

"It's just not like home"

Anschließend ging es weiter nach Tahiti, und irgendwann eben auch nach Auckland, in Neuseeland. Die ganze Zeit über hatte eine nette englische Dame neben mir ihre Speisen zurückgewiesen, mit dem Spruch: "It's just not like home." Ich tat ihr den Gefallen, und futterte ihren Kram auch gleich noch mit. Bei meiner Ankunft hatte ich mit Sicherheit einige Kilo zugenommen. Ich war aber auch komplett übermüdet und meine Ohren weigerten sich, nach der Landung "Pop!" zu machen. Den Zollbeamten erschien ich wie ein langhaariger Hippie auf Drogen. Außerdem besaß ich kein Rückflugticket.

In den Jahren, die seitdem vergangen sind, habe ich nicht nur in Honolulu eine schier endlose Warteschleife eingelegt, immer mit dem gleichen Cola-Automaten. Ich war zwischendurch und nebenbei auch einmal für eine Stunde oder mehrere Stunden in Los Angeles, Athen, Kairo, Bombay, Kuala Lumpur, Hongkong, Singapur, Dubai, Abu Dhabi, Paris, Frankfurt, Wien. Nicht einmal Magellan oder Cook konnten eine solche Vielzahl von Destinationen auf ihren Reiserouten verzeichnen.

Ich flog natürlich immer sehr nachlässig. In Los Angeles musste die ganze Family einmal den Weiterflug verpassen, weil ich die Reisepässe irgendwo unauffindbar verräumt hatte. (In einer Seitentasche meines Bordgepäcks, an sich leicht zu finden. Aber in dem Moment — nicht.)

Anderereits ist so eine Flugunterbrechung durchaus zu empfehlen. Man vertritt sich die Beine, und schläft sich im Hotel einmal richtig aus. Auch eine heiße Dusche ist eine Wohltat. Und nicht zuletzt eine Session auf dem Klo. Ebenfalls eine Wohltat.

Singapur und ein weggeflogenes Flugzeugdach

Dafür ist Singapur dann wieder super geeignet. Der kleine Stadtstaat lässt sich an einem einzigen Tag ausführlich bewandern. Die hygienischen Bemühungen sind durchweg überall ausreichend, man kann also an jeder Fressbude irgendwas zu sich nehmen, ohne tagelang mit einer ausgewachsenen Darmgrippe darnieder zu liegen. Und schließlich schläft man im temperaturkontrollierten Hotelzimmer sich sogar erholsam aus und kann den unterbrochenen Flug am nächsten Tag ausgeruht wieder aufnehmen.

Meinen Schwiegervater, bzw, genauer gesagt, den Vater meines Schwiegersohnes, hielt die Aussicht auf ein Luxus-Hotelzimmer sogar in einer schwierigen Situation noch bei der Stange. Kurz nach dem Start aus Singapur flog dem Flieger das halbe Dach davon, und die Maschine musste umkehren, während den Passagieren im massiven Fahrtwind die Kopfhaut kräftig durchmassiert wurde. Wieder gelandet, standen dort schon die TV-Teams, und sie erkannten den kräftig gebauten Österreicher, der scheinbar die Ruhe weg hatte, als ideales Befragungsobjekt. "Wir haben soeben einen ernsthaften Unglücksfall erlebt, zum Glück ohne menschliche Opfer," sprach ihnen der ältere Herr, sogar auf Englisch, gelassen ins Mikrofon, "und wir freuen uns jetzt alle schon sehr auf einen geruhsamen Tag im Hotel, damit wir dann, morgen, wieder frisch und guter Dinge, unseren Flug nach Neuseeland fortsetzen können."

Mein eigenes Singapur-Erlebnis war eher trivial. Nach einem ausgedehnten Wandertag kam ich zurück ins Hotel und es gelüstete mich nach einem kalten Bier. "Happy Hour", verriet mir der Barman, und setzte mir zwei Flaschen vor — zum Preis von einer. Ich leerte beide und ging hinaus, setzte mich noch ein wenig in den Sonnenschein, bis ich bemerkte, dass ich immer noch durstig war. Ich kehrte an die Bar zurück, und es war immer noch Happy Hour. Auch diese beiden Biere — noch zweimal Tiger Beer — schüttete ich in mich hinein, dann holte ich den Koffer und nahm den Bus zum Flughafen. Im Flieger setzte ich mich hin und schlief bis Athen.

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