Lebt der Denisova-Urmensch in Eskimos weiter?

Eskimofamilie (1929)

Die Gene TBX15 und WARS2 schützen vor Kälte

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

2008 entdeckte man in der Denisova-Höhle im sibirischen Altaigebirge in einer zwischen 30.000 und 50.000 Jahre alten Schicht einen Fingerknochen und Zahnstücke, die weder zum Homo Sapiens noch zum Neandertalern passten. Eine DNA-Analyse ergab, dass sie zu einem vorher unbekannten Urmenschen gehören, der darauf hin nach der Höhle benannt wurde (vgl. Ein neuer Mensch).

Als das Denisova-Genom mit dem anderer Menschen verglichen, stießen sie zuerst lediglich auf Hinterlassenschaften im Erbgut von Melanesiern in Neuguinea, australischen Aborigines und philippinischen Negritos (vgl. Von Sibirien bis Papua-Neuguinea). Später fanden sie Denisovaner-DNS auch in einem 400.000 Jahre alten Oberschenkelknochen in der nordspanischen Höhle Sima de los Huesos (vgl. Urahnen-Gene) und - allerdings nur zu 0,2 Prozent - bei Asiaten und Indianern (vgl. Frühmenschlicher Sex-Reigen).

Denisovaner-Gene überlebten in Überlebensvorteilen

2014 zeigte die Evolutionsgenetikerin Emilia Huerta-Sanchez in einer in Nature veröffentlichten Studie mit Tibetern, dass Denisovanergene vor allem dort überlebten, wo sie sich als nützlich für das Überleben erwiesen - in einer Variante des Gens EPAS1, die den Bewohnern des Himalaya-Gebirges das Auskommen mit weniger Sauerstoff ermöglicht. Dort, in Höhenlangen von bis zu 4.000 Metern, enthält die Luft etwa 40 Prozent weniger Sauerstoff als auf Meereshöhe.

Als die Tibeter vor etwa 3.000 Jahren begannen, diese Gebiete zu besiedeln, setzte sich bei ihnen die von den Denisovanern ererbte EPAS1-Variante durch, die bei anderen asiatische Völkern nur wenig verbreitet ist, weil sie in der neuen Heimat ein entscheidender Überlebensvorteil war. Heute kennzeichnet sie etwa 87 Prozent der Tibeter.

Fett kann leichter in Körperwärme umgewandelt werden

Nun postuliert ein Forscherteam um Fernando Racimo vom New York Genom Center und Rasmus Nielsen von der University of California in Berkeley, dass die beiden Genregionen TBX15 und WARS2, die es Eskimos in Grönland ermöglichen, Fett besser zu verwerten und leichter in Körperwärme umzuwandeln als andere moderne Menschen, von Denisovanern stammen könnten:

Für ihre in Molecular Biology and Evolution veröffentlichten Studie "Archaic adaptive introgression in TBX15/WARS2" verglichen die Forscher die Gene von 200 Grönländern mit dem Denisovaner-Genom und kamen dabei zum Ergebnis, dass TBX15 und WARS2 bei Eskimos ihren Äquivalenten bei den Urmenschen so ähnlich sind, dass eine Übernahme sehr viel wahrscheinlicher ist als eine zweite Entwicklung durch die Evolution.

Diese These stützen sie durch Vergleiche mit dem Genom von Menschen aus anderen Regionen, die zeigen, dass die TBX15- und WARS2-Varianten in Europa und Asien nur relativ selten vorkommen, aber in Afrika überhaupt nicht existieren. Weil Denisovaner - ebenso wie Neandertaler - lange vor dem Homo Sapiens in Europa und Asien lebten, hatte die Evolution bei ihnen entsprechend länger Zeit, sie mit Genen auszustatten, die sie besser vor einem Klima schützten, das - vor allem während der Vergletscherungsphasen - deutlich kälter war als in Afrika.

Durch Verkehr und Fortpflanzung mit Denisovanern gelangten die Kälteschutzgene ins Erbgut des modernen Menschen und setzten sich dort vor allem in einer Region durch wo sie ein entscheidender Überlebensvorteil waren: In der Arktis, wo die Eskimos leben, die sich in Grönland und Kanada "Inuit" und in Alaska und Russland "Yupik" nennen.

Zwischen 90.000 und 160.000 Eskimos in Grönland, Kanada, den USA und Russland

In der gesamten Arktis gibt es heute - je nach Zählweise - zwischen 90.000 und 160.000 Eskimos. In Grönland, das 1982 aus der EU austrat, leben sie in relativer Unabhängigkeit von der ehemaligen Kolonialmacht Dänemark. Kanada gewährte ihnen 1999 das autonome Territorium Nunavut, dessen etwa 31.000 Einwohner zu 85 Prozent Eskimos sind und in dem neben Englisch und Französisch auch die Eskimodialekte Inuktitut und Inuinnaqtun als Amtssprachen gelten.

Weniger selbständig ist das zur Provinz Québec gehörende Nunavik im Norden der Labrador-Halbinsel, dessen 11.000 Einwohner zu 90 Prozent Eskimos sind. Seit Ende der 1970er Jahre haben sie zwar eine "Kativik" genannte Regionalregierung, streben aber weitgehendere Autonomierechte an, unter anderem hinsichtlich der Ausbeutung von Bodenschätzen.

In Alaska gibt es seit 1973 den teilautonomen North Slope Borough, der aus Protesten und Prozessen gegen eine mangelnde Beteiligung der dort lebenden Jäger und Fischer an den Einnahmen aus der Ölförderung entstand. Auch in den zwei südlich davon gelegenen Bezirken Northwest Arctic und Nome stellen Eskimos eine Mehrheit. In Russland leben die gut 1.500 Yupik im Autonomen Okrug der Tschuktschen, einem paläosibirischen Rentierzüchtervolk.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.