NSU-Schauplatz Brandenburg: Von Neonazis und Verfassungsschützern

Grafik: TP

Untersuchungsausschuss befasst sich mit der "Nationalen Bewegung" - Ihr Treiben und die Hintergründe sind ungeklärt

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Wo man gräbt, stößt man auf ähnliche Funde: Neonazis und ganz in ihrer Nähe Staats- und Verfassungsschützer. Auch der NSU-Untersuchungsausschuss von Brandenburg macht diese Erfahrung. Er versucht zur Zeit, eine rechtsextreme Gruppierung namens "Nationale Bewegung" aufzuklären, die ein Jahr lang, von Anfang 2000 bis Anfang 2001, durch diverse Straftaten auffiel, aber nie ermittelt werden konnte.

Allerdings stößt man dabei auf eine Reihe von Rechtsextremisten, die inzwischen aus dem NSU-Komplex bekannt sind, man stößt auf V-Leute des Verfassungs- und Staatsschutzes, und man stößt auf manipulatives Verhalten in den Sicherheitsbehörden. In Brandenburg tun sich dieselben Fragen auf, wie in Thüringen, Sachsen, Baden-Württemberg und anderswo. Durchgängige Strukturen, bis in den NSU hinein?

In den Fokus geriet die frühere "Nationale Bewegung" durch den Auftritt des Generalstaatsanwaltes Erardo Rautenberg im NSU-Ausschuss in Potsdam im letzten November. Rautenberg zweifelte offen daran, dass es diese Gruppe je gegeben hat. War sie möglicherweise vom Verfassungsschutz gesteuert? Die Frage ist bis heute nicht beantwortet. So wie bei etlichen anderen Neonazi-Organisationen bundesweit auch.

NaBe

Ein paar Eckdaten: Im Januar 2000 beginnt die "NaBe", wie die Gruppierung später in Ermittlerkreisen genannt wird, und wie sie auch die Mitglieder des parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA) heute nennen, mit ihrem Treiben. Zunächst Propagandataten, wie das Platzieren von Tafel und Tüchern mit Hakenkreuzen. Regelmäßig gibt es Bekennerschreiben. Einige der insgesamt 20 Delikte fallen auf historische Daten, wie Machtergreifung oder Geburtstag Hitlers.

Im Laufe des Jahres 2000 folgen Brandanschläge auf Imbisswagen sowie am 8. Januar 2001 auf die Trauerhalle des jüdischen Friedhofes in Potsdam. Danach übernimmt die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe die Ermittlungen.

Serdar Somuncu bedroht

Am 30. Januar 2001 wird eine Veranstaltung des Künstlers und Kabarettisten Serdar Somuncu, der im Hans-Otto-Theater in Potsdam aus Hitlers "Mein Kampf" liest, bedroht.

Am 7. Februar 2001 führt das Landeskriminalamt bei mehreren Aktivisten Hausdurchsuchungen durch. Sie musste um einige Tage vorverlegt werden, weil das ursprüngliche Datum einem V-Mann in der rechten Szene verraten worden war.

Nach der Razzia gab es keine Aktivitäten der "NaBe" mehr, sieht man von zwei Propagandataten im August 2001 ab, bei denen nicht sicher ist, ob die Täter etwas mit der "NaBe" zu tun hatten. Kein einziger Täter der "NaBe" konnte überführt werden.

Auch deshalb hält sich bis heute der Verdacht, die Gruppe sei keine "unabhängige" Neonazi-Bande gewesen, sondern ein "Phantom" des Verfassungsschutzes, möglicherweise ein sogenannter "Honigtopf", um Rechtsextremisten anzuziehen und zu kontrollieren, oder sogar eine Art "Celler Loch", um Neonazi-Aktivitäten in der Öffentlichkeit vorzutäuschen und mit Hinweis darauf, den Sicherheitsapparat ausbauen zu können. (Das "Celler Loch" steht für einen fingierten Sprengstoffanschlag des Verfassungsschutzes von Niedersachsen auf die JVA Celle im Jahr 1978. Absicht war, Agenten in die RAF einzuschleusen und zugleich auf die angeblich unveränderte Terrorgefahr der RAF hinzuweisen.)