Google News: Die große Leere

Foto: Hans / gemeinfrei

Der Relaunch des Nachrichten-Aggregators ist symptomatisch für die rasch voranschreitende Verblödung des Internets - die leider System hat

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Leere. Große weiße Flächen, in denen sich dürre, oftmals kryptische Schlagzeilen ohne jedweden zusätzlichen Erläuterungstext verlieren - die zudem in einer anorektischen, kaum lesbaren Schrift gehalten werden. Willkommen bei der Neuauflage von Goolge News!. Genau das erwartet man von einer Internetpräsenz, die sich auf das Sammeln von Nachrichten spezialisiert hat: ein Übermaß an Nichts. Gott bewahre, der Internetnutzer würde auf einer Newssite mit substanziellen Informationen behelligt!

Nichts ist im Internet des frühen 21. Jahrhunderts so hipp wie das Nichts. Ars Technica - dem Selbstbild nach die Speerspitze des IT-Journalismus - sprach davon, dass der populäre Newsaggregator nun endlich wie etwas "aus dieser Dekade" aussehe. Und das stimmt ja leider wirklich.

Alles sei nun viel geräumiger, sodass man "weniger Informationen auf einer einzelnen Seite" erhalte, erläuterte Ars Technica. Google sei der Ansicht, dies würde die Lesbarkeit seines Angebots erhöhen und es dessen Benutzern erleichtern, nach "Geschichten" ("Stories") zu suchen. Weiße "Geschichten-Karten" auf dem hellgrauen Hintergrund würden nun bestimmte Themen einrahmen, die "unterschiedliche Perspektiven einer Nachrichtengeschichte" darstellten. Diese seien zudem mit "Aufklebern" (Labels) wie "Meinung", "oft zitiert" oder "faktengeprüft" versehen.

Geschichten statt Informationen

"Story Cards sollen besseren Überblick zu einzelne Geschichten bieten", wie es der österreichische Standard in aller Unschuld formulierte: Die hohle Sprache der Internettechnokraten ist entlarvend. Denn genau das ist es, was die Nachrichten im Zeitaler des rechtsextremen Internetmobs und seiner "alternativen Fakten", die es bis ins Weiße Haus geschafft haben zu liefern haben: nicht etwa Informationen, Zusammenhänge und hierauf aufbauende Kritik, sondern "Geschichten", die unterhalten, spannend sind, für hohe Zugriffszahlen sorgen.

Sobald man eine interessante "Geschichten-Karte" gefunden habe, erläuterte Ars Technica, könne ein Link zur weiteren Recherche angeklickt werden (in der deutschen Version verlogener Weise als "Alle Artikel ansehen" bezeichnet), der eine ganze Seite mit entsprechenden Artikeln dem Leser präsentiert. Erst hier ist es möglich, nach Datum oder Relevanz zu sortieren.

Google spricht von einem "sauberen und nicht überfrachteten" neuen Look seiner Newssite, der das Lesen erleichtere - sowie von der Erfüllung des Willens des Volkes, das partout Aufkleber auf den "Geschichten" haben will, die Google ihnen in Kooperation mit den Massenmedien nun präsentiert:

Die Menschen haben uns gesagt, dass diese Labels wichtige Facetten einer Story identifizieren und mehr Inhalt verschafften.

Google

Die Plebejer wollen nun mal geführt werden durch den unübersichtlichen Informationsdschungel, der nun schön sauber gerodet wurde. Das deutsche IT-Newsportal golem.de wurde dankeswerter Weise noch deutlicher. Der Relaunch solle den armen, verängstigten "Leser vor der Nachrichtenflut schützen". Ein mehr an Übersicht (vulgo Reduzierung der Nachrichten) geht mit Möglichkeiten stärkerer Personalisierung (vulgo Gängelung durch Algorithmen) einher.

Keine Suchmaschine für Nachrichten mehr

Von den Neuerungen würden nicht zuletzt "einige Verleger" profitieren, da Google eine langsame "Abkehr von vollautomatisch zusammengestellten News" vollziehe. Vulgo: Google News ist keine Suchmaschine für Nachrichten mehr. Man tut nur noch so, als ob. Tatsächlich wird dies teilweise schon offen eingestanden bei einer neuen Rubrik, die sich "Auswahl der Redaktion" nennt -, und in der Zeitungsredaktionen den Inhalt selber bestimmen können, indem sie diese mit bis zu fünf Artikeln täglich füllen. Mit von der Partie sind bislang nur die üblichen Verdächtigen des bundesdeutschen Medienzirkus:

Zum Start sind allerdings nur neun Nachrichtenangebote dabei. Dazu zählen Zeit Online, Spiegel.de, Sueddeutsche.de, Welt.de, Stern.de, Handelsblatt Online, Focus Online, Bild.de und der Berliner Tagesspiegel.

Golem

Es verwundert somit nicht, dass unsere ach so kritische, investigative Journalistenkaste nicht so genau hinschaut, was da die Herrn Verleger mit Google konkret ausgeklügelt haben. Das ist die neue, saubere "Übersichtlichkeit", die Google News seinen Lesern versprach - es ist ja tatsächlich eine sehr übersichtliche Auswahl an Nachrichtenquellen, die in dieser neuen Rubrik zu finden ist.

Was hier mittels der Story Cards betrieben wird - Google scheint einfach dem Druck der krisengeplagten Medienmeute nachgegeben zu haben -, ist die alte massenmediale Strategie des Framing, wie es von Public-Relations-Agenturen seit Jahrzehnten praktiziert wird. Hierbei wird ein Ereignis, eine Entwicklung in einen entsprechenden thematischen Rahmen gesetzt, um die Berichterstattung entsprechend lenken zu können.

Bei geopolitischen Konflikten ist es die Aufteilung in bad guys und good guys, bei innenpolitischen Auseinandersetzungen sind es zumeist bestimmte Interessensgruppen, die am Framing arbeiten: Steuersenkungen für Reiche als Akt der Steigerung des Gemeinwohls, Sozialabbau als Kampf gegen "Schmarotzer", etc.

Im Rahmen bleiben

In einem solchen, durch die entsprechende Story geformten Rahmen hat der Medienrezipient zu verbleiben. Die in Google News eingeführten Story Cards sind ein mit orwellscher Klarheit vorgenommener, visueller Ausdruck dieser üblichen Manipulationsstrategie des Medienbetriebs.

Mehr Infos zu einer "Geschichte" gibt es nur, wenn der Leser buchstäblich im Rahmen der "Geschichtenkarte" bleibt. Denn tatsächlich kann Google News nicht mehr als eine voll funktionsfähige Suchmaschine für Nachrichten bezeichnet werden. Es ist ein Potemkinsches Dorf, dass hier die Fassade einer Suchmaschine aufrechterhält, während tatsächlich die Möglichkeiten der Nachrichtensuche stark eingeschränkt wurden.

Suche nach dem Stichwort "china economy" auf Google News - alte Version

Bislang war es möglich, ein Stichwort bei Google News einzugeben, um - ähnlich der Suchfunktion bei Google - hierzu eine nahezu unbegrenzte Anzahl von Treffern zu erhalten, die über Jahre zurückverfolgt werden konnten.

Ein Stichwort konnte de facto ad infinitum verfolgt werden. Allen Verzerrungen zum Trotz, die selbstverständlich den konkreten Algorithmen geschuldet sind, die eine solche Suche vornehmen (und die vom Monopolisten Google wie ein Staatsgeheimnis gehütet werden), wurde hier die Nachrichtensphäre des Netzes dem Benutzer zu Recherche freigegeben.