Pentagon will mehr kleinere, taktische Atomwaffen

Ein B-52H-Bomber führt mit einer B61-7-Atombombe einen Test in Nevada aus. Bild: NNSA

Die Bedrohung habe sich seit dem Kalten Krieg und mit neuen Atomwaffenstaaten verändert

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Das nukleare Wettrüsten ist längst wieder im Gang. Auch wenn kürzlich 122 Staaten einen Gesetzesentwurf für einen Atomwaffenverbotsvertrag beschlossen haben, der ab September ratifiziert werden kann, wird dies an dem Wettrüsten und der Modernisierung der Atomwaffen nichts ändern. Vermutlich wird die Schwelle zu einem Einsatz sogar sinken, denn seit Jahren denkt man daran, kleine, so genannte taktische Atombomben nicht nur zu entwickeln und vorrätig zu haben, sondern sie auch einzusetzen. Sie sollen wie konventionelle Waffen verwendet werden und die Schwelle zum Atomkrieg unterschreiten (Mini-Nukes gegen Schurkenstaaten).

Gerade hat wieder Paul Selva, General der US-Luftwaffe und Vizevorsitzender der Joint Chiefs of Staff, darauf verwiesen, wie DefenseOne berichtet, dass kleinere Atomwaffen notwendig seien, um vor deren Einsatz abzuschrecken. Das Militär sieht sich im Aufwind, nachdem Donald Trump nicht nur die Verteidigungsausgaben erhöhen, sondern eben auch die Atomwaffen modernisieren und ausbauen will. Die bizarre Logik ist Bestandteil der Rhetorik für jedes Wettrüsten. Im Kalten Krieg wurde das Gleichgewicht des Schreckens durch den Bau von Atombomben mit einer immer größeren Zerstörungskraft vorangetrieben.

Jetzt sind nicht nur trotz des Atomwaffensperrvertrags neue Spieler hinzugekommen, zuletzt Nordkorea, sondern viele Anlagen wurden so tief unter dem Boden angelegt, dass sie mit konventionellen Bomben, auch mit einer MOAB, der Mutter aller Bomben, nicht mehr zerstört werden können. Die Wünsche der US-Luftwaffe zielen auf Bomben, denen ein nuklearer Sprengkopf mit unterschiedlicher Zerstörungskraft eingesetzt werden kann.

Nach Selva funktioniert das Gleichgewicht des Schreckens bei kleineren Staaten nicht mehr, weswegen es notwendig werde, einen Atomangriff auf ein beschränktes Ziel mit geringen Kollateralschäden ausführen zu können. So soll Nordkorea Atomwaffen mit einer Zerstörungskraft von 10 kT getestet haben. Allerdings besitzt neben den USA auch Russland taktische Waffen mit nuklearen Sprengköpfen

"Wenn man nur starke Waffen besitzt, um auf einen Angriff mit einer kleinen Atomwaffe zu reagieren, ist es immer noch ein nuklearer Angriff", sagte der General. "Mit einer konventionellen Waffe zu reagieren, hat wahrscheinlich nicht den Abschreckungswert, als wenn man sagt: 'Selbst wenn du eine kleine Atomwaffe verwendest, haben wir Optionen, um zu reagieren.' Wenn wir nur die Option haben, starke Waffen einzusetzen, die unterschiedslos so viele Menschen töten, dass der Präsident dies nicht akzeptieren kann, dann haben wir ihm keine Option angeboten, um auf einen solchen atomaren Angriff antworten zu können."

Es sei wichtig, egal ob es sich um Langstreckenraketen oder Bomben handelt, Sprengköpfe unterschiedlicher Stärke einsetzen zu können. Die Luftwaffe habe allerdings noch keine abschließende Entscheidung getroffen, Sprengköpfe mit geringer oder variabler Ladung in Langstreckenraketen vorzusehen, wie sie gerade entwickelt werden.

Taktische Atomwaffen: "maßgeschneiderte nukleare Option für einen begrenzten Einsatz"

Im Dezember hatte bereits der Defense Science Board (DSB) dem künftigen US-Präsidenten empfohlen, kleinere Atomwaffen "für eine maßgeschneiderte nukleare Option für einen begrenzten Einsatz" entwickeln zu lassen. Zwar hat bereits ein Drittel der vorhandenen Waffen ein geringe Sprengkraft und die neuen Sprengköpfe werden sowieso so entwickelt, dass sie variable Ladungen enthalten können. Trotzdem sei es nötig, noch mehr taktische Atomwaffen und entsprechende Trägersysteme zu besitzen, vor allem gehe es um "Lower yield, primary-only options". Insgesamt wurde gerügt, dass die Modernisierung der Atomwaffen zwei Jahrzehnte lang verschlafen worden sei.

Kritiker wie die demokratische Senatorin Dianne Feinstein warnen vor taktischen Atomwaffen, es gebe keinen begrenzten Atomkrieg. Hans Kristensen, der das Nuclear Information Project der Federation of American Scientists leitet, erklärt, das Pentagon verfüge bereits über mindestens 1000 Atombomben mit einer geringen Sprengkraft von 20 kT (TNT-Äquivalent) und weniger, beispielsweise einige Bomben des Typs B61 oder der Atomsprengkopf W80 für Marschflugkörper. Die Horoshima-Bombe hatte 13 kT, die MOAB 0,011 kT. Er frägt, warum überhaupt Langstreckenraketen mit kleinen Sprengköpfen ausgestattet werden sollen und welchen Vorteil der Besitz - und der Einsatz bzw. die Androhung eines Einsatz - von taktischen Atomwaffen haben soll. Er vermutet, möglicherweise sollen Atomwaffen mit geringerer Sprengkraft den Türöffner für den Einsatz von Atomwaffen spielen.

Die Militärs verweisen auf die angebliche russische Strategie "Eskalation zur Deeskalation" für den Einsatz von kleineren Atomwaffen, die deswegen seit Jahren gebaut wurden. Hier will man im Pentagon also auch mitspielen, fragt sich nur, was herauskommt, wenn beide Parteien die Strategie "Eskalation zur Deeskalation" verfolgen und sich so hochschaukeln.