Google und die Meinungsvielfalt

Googleplex in Mountain View. Googleplex_Pride_Logo.jpg:Bild: Runner1928/CC BY-SA-3.0

Der Thinktank New American Foundation liefert das Exempel, dass die angebliche Unabhängigkeit schnell zu Ende ist, wenn es ums Geld geht

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Mit der verstärkten Zensur von YouTube-Videos und der Entlassung von James Damores, der Googles Umgang mit der Diversität kritisierte, kommt schon der nächste Konflikt für den Konzern, der nicht böse sein wollte.

Google und Eric Schmidt, CEO des Mutterkonzerns Alphabet, zahlten der New America Foundation seit ihrer Gründung 1999 mehr als 21 Millionen US-Dollar. Die Stiftung mit 200 Angestellten vertritt liberale bzw. "linke" Positionen und wurde auch durch diese Unterstützung zu einer Stimme gegenüber den vielen konservativen Thinktanks.

Im Juni erschien allerdings ein Beitrag auf der Website der Stiftung, der die von der EU verhängte Kartell-Strafe von 2,7 Milliarden Euro wegen Missbrauchs der Marktdominanz begrüßte: "Googles Marktmacht ist heute eine der wichtigsten Probleme für Wettbewerbspolitiker in der Welt", wird Barry Lynn zitiert, der den Bereich "Offene Märkte" vertritt. Die EU schütze "den freien Informations- und Handelsfluss, von dem alle Demokratien abhängen". Die US-Regierung wird aufgerufen, nach dem Vorbild der EU zu handeln.

Das kam nicht gut an. Eric Schmidt, bis 2016 Vorsitzender der Stiftung, teilte der Stiftungspräsidentin Anne-Marie Slaughter nach der New York Times sein Missfallen mit. Angeblich ging die Angst in der Stiftung um, dass Google die Zahlungen einstellen könnte. Das wurde dadurch verstärkt, dass Slaughter Lynn loswerden wollte, der die Marktdominanz von Telekom- und IT-Konzernen, inklusive Google, kritisiert. Sie schrieb Lynn in einem Email, dass nun die Zeit gekommen, dass sich die Abteilung "Offene Märkte" mit 10 Angestellten und die Stiftung trennten. Das hänge zwar nicht mit den Themen der Abteilung zusammen, aber Lynn würde die Institution als Ganzes gefährden.

Der Konflikt war bereits 2016 entstanden, als Lynn eine Konferenz organisierte, in der vor der Monopolisierung von IT-Konzernen gewarnt wurde. Schon damals erklärte Google vor der Konferenz, man habe Sorge, dass die Positionen des Konzerns nicht vertreten würden. Das veranlasste Slaugher, Lynn in einer Email zu schreiben, dass die Stiftung ihre Beziehungen zu Google ausbauen will. Er solle daran denken, dass er die Finanzierung von anderen gefährde.

Damit wird klar, dass die Unabhängigkeit von Geldgebern kein Anliegen der Stiftungsführung ist. Google selbst weist alle Anschuldigungen zurück, eine Rolle bei der Trennung der Abteilung von der Stiftung gespielt zu haben. Man unterstütze viele NGOs und Thinktanks, die sich mit der Internetregulation und dem Informationszugang beschäftigen. Man stimme nicht immer hunderprozentig damit überein, sagte Riva Sciuto, eine Google-Sprecherin, und lehne manches auch ab, respektiere aber die Unabhängigkeit, die personellen Entscheidungen und politischen Perspektiven der geförderten Gruppen (Google und die käuflichen Wissenschaftler).

Eine "intellektuell diverse Organisation"

Obwohl die Angst vor Geldentzug auf der Hand zu liegen scheint, versucht man bei der Stiftung sich weißzuwaschen. Die Trennung habe nichts mit Google oder Schmidt zu tun, die Geldgeber hätten keinen Einfluss auf die Forschung oder die Ergebnisse der Stiftungsprojekte. Dass Lynns Lob der EU kurzzeitig von der Website verschwunden war, habe auch nichts mit Google zu tun.

Kurz nach Erscheinen des NYT-Artikel schrieb Slaughter auf Twitter, dass die Geschichte falsch sei, ohne aber darauf einzugehen, was denn falsch sei. Ein paar Stunden später kam eine Erklärung der Stiftung. Man sei eine "intellektuell diverse Organisation", die viele Meinungen fördere. Man habe seit zwei Monaten daran gearbeitet, "Offene Märkte" wie zuvor schon andere Programme auszugliedern (spin out), es sei aber zu keiner "kooperativen Lösung" gekommen. Auch wenn man die Zusammenarbeit eingestellt habe, sei man stolz auf die Arbeit von "Offene Märkte" unter Leitung von Flynn. Als Gipfel der Scheinheiligkeit wird am Schluss propagiert, man sei "stolz auf die Maßstäbe der Transparenz, der Diversität und der Unabhängigkeit" sowie "auf die Arbeit, die wir machen, und die Werte, die wir vertreten".

Lynn hat begonnen, eine Organisation mit seinem Team aufzubauen, die sich Citizens Against Monopoly nennt. Auf der Website wird Google vorgeworfen zu versuchen, "Journalisten und Wissenschaftler zu zensieren, die gefährliche Monopole bekämpfen". Tatsächlich ist Google laut der NYT zu dem Konzern geworden, das mit 9,5 Millionen US-Dollar in diesem Jahr mehr Geld als viele andere Unternehmen in Lobby-Arbeit steckt. Zudem werden 170 politische Gruppen, Thinktanks oder Stiftungen finanziell unterstützt. Nach Marc Rotenberg, Präsident von Electronic Privacy Information Center (EPIC), das keine Gelder von Unternehmen annimmt, habe Googles Finanzierung die Kritik am Konzern verstummen lassen. Es sei zunehmend schwieriger geworden, Organisationen zu finden, die gegen Googles Bedrohung des Datenschutzes im Internet auftreten.