Die "armen" griechischen Reeder werden von ihrer Schuldenlast befreit

Bild: W. Aswestopoulos

Seltsame Kredittilgung bei staatlich unterstützer Bank

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Ein Artikel der englischen Ausgabe der Financial Times behandelt einen handfesten griechischen Bankenskandal. Zehn Vorstandsmitglieder der Bank sind von ihren Posten zurückgetreten. Es geht darum, dass die Piräus Bank offenbar gezielt einer bestimmten Personengruppe einen Schuldenschnitt ermöglichte.

Erst durch die Veröffentlichung in der FT wurde die griechische Presse dazu gedrängt, selbst über das Thema zu berichten. In einer der wenigen Reportagen zum Thema schreibt die Kathimerini, dass die Piräus Bank eventuell Schaden erlitten hätte. Den klaren Vorwurf, dass Bankmanager mit Tricks Krediten von Reedern einen Schuldenschnitt bescherten, liest man nicht. Denn schließlich ist die Bank einer der größten Werbekunden der gesamten Print-Presse.

Über eine mögliche neue Rekapitalisierung der bereits mehrfach mit frischem staatlichem Geld gestützten griechischen Banken ist ein Streit zwischen dem Internationalen Währungsfonds und der EU entbrannt. Der IWF behauptet, die Kapitaldecke der Banken sei zu dünn.

"Rote Kredite" - wenn der Schuldner nicht mehr zahlen kann

Die griechische Regierung hat elektronische Versteigerungen des Besitzes säumiger Schuldner eingeführt, nachdem die bisher übliche Art der Auktion von beschlagnahmten Immobilien vor Gericht am Aktionismus linker Splitterparteien und von Verbraucherschutzbewegungen scheiterte. Die Aktionisten setzten vor Auktionen die Notare in Büros fest, so dass sie der bis dato vorgeschriebenen Pflicht der physischen Anwesenheit vor Gericht nicht nachkommen konnten. Sie stellten potentiellen Käufern nach und blockierten die Gerichtseingänge.

Nun können die gepfändeten Immobilien mit einem Mausklick unter dem Schutz der Anonymität des Internets ersteigert werden. Gleichzeitig hat die Regierung auch sich selbst einen leichteren Zugang zu Sach- und Geldwerten zahlungsunwilliger oder -unfähiger Bürger gewährt. Täglich werden tausende Konten von Griechen gepfändet, die mehr als 500 Euro entweder an Steuern oder Sozialabgaben schulden.

Dabei sind seit dem offenen Ausbruch der Krise 2010 viele Griechen eher schuldlos in die Schuldenfalle gegangen. Vielfach gekürzte Renten und Gehälter, steigende, einkommensunabhängige Steuerbelastungen, neuartige Sozialabgaben und ein Wertverlust von Immobilien, der oft höher als fünfzig Prozent liegt, haben sämtliche Lebensplanungen durcheinander gebracht. Oftmals sind die überschuldeten Bürger selbst Opfer der Zechprellerei ihres Arbeit- oder Auftraggebers oder aber auch neuer Gesetze.

Jeder Grieche über Achtzehn verdient per Gesetz als Schätzeinkommen einen steuerlich erfassbaren Mindestbetrag

Ein Beispiel ist ein bekannter Pressefotograf mit zahlreichen Veröffentlichungen in internationalen Medien. Einer seiner früheren Arbeitgeber blieb die Bezahlung der Sozialabgaben schuldig, obwohl dies im gegenseitigen Vertrag festgeschrieben war und obwohl dem Fotografen monatlich ein - wie sich herausstellte gefälschtes - Dokument der Zahlung vorgelegt wurde. Dagegen blieb der Auftraggeber das Honorar oft schuldig.

Der als Pauschalist auf Rechnung eingestellte Scheinselbstständige schuldet nun dem zuständigen Versicherungsträger EFKA tausende Euro. Er hatte zwischenzeitlich eine neue Teilzeitanstellung bei der staatlichen Nachrichtenagentur gefunden. Hier konnte er für 350 Euro monatlich lediglich ein Almosen verdienen, das ihm aber direkt vom Konto wieder weggepfändet wurde.

Jeder lebende Grieche über Achtzehn verdient per Gesetz als Schätzeinkommen einen steuerlich erfassbaren Mindestbetrag. Freiberufler sind ab dem ersten "verdienten" Euro steuerpflichtig. Mit dem Finanzamt konnte er hinsichtlich der Steuern eine Ratenregelung vereinbaren. Damit bekam er ein Dokument, welches seine steuerliche Legalität belegte.

Ein neues Gesetz verlangt nun, dass sämtliche Lieferanten staatlicher Einrichtungen für die Bezahlung außer dem Dokument der steuerlichen Legalität nun auch noch ihre Sozialversicherung bezahlt haben müssen. Der Fotograf konnte dies nicht vorweisen und kann demnach für seine bereits geleistete Arbeit nicht entlohnt werden - eine Weiterbeschäftigung ist ebenfalls ausgeschlossen.

In einer ähnlichen Lage, der Überschuldung gegenüber dem Sozialversicherer, befindet sich nach der Novellierung der Sozialabgaben knapp die Hälfte der griechischen Pressefotografen. Die geforderten Beiträge übersteigen oft die Hälfte des monatlich verfügbaren Einkommens. Sie haben keine Möglichkeit ihre eigenen Schuldner, so zum Beispiel die großen Medien wie die Zeitungen Ta Nea, To Vima, To Ethnos, an diese angeschlossene Sportzeitungen und Zeitschriften, sowie das Portal in.gr zu belangen.

Die Medien wurden mit Wohlwollen der Behörden an neue Besitzer, welche das komplette Archiv übernahmen, verkauft. Die neuen Besitzer, die sich die Titel von Banken, bei denen die Altbesitzer überschuldet waren, kauften, haben sie schuldenfrei übernommen. Für die geprellten Honorare verantwortlich sind die Alteigentümer. Allerdings haben hier nun die Banken und der Staat das Vorrecht.

Vor Gericht muss bewiesen werden, kein "strategischer Zechpreller", sondern nur unverschuldet einen Kredit nicht mehr bedienen zu können

Ein weiteres Beispiel sind die Rentner. Hier sind Kürzungen der Ruhegelder von 50 Prozent keine Seltenheit. Dennoch müssen die Ruheständler vor Gericht beweisen, dass sie nicht in betrügerischer Absicht handeln, wenn bei einer von 1500 Euro monatlich auf 750 Euro gekürzten Rente Kreditraten in Höhe von 600 Euro monatlich nicht mehr abbezahlt werden können.

In Nafpaktos bei Patras erklärte ein Angestellter der Waldschutzbehörde gegenüber Telepolis, dass er vor der Krise mit Überstunden auf ein regelmäßiges monatliches Einkommen von 1800 bis 1900 Euro kam. Er legte entsprechende Steuererklärungen aus der Vergangenheit vor. Seine Ehefrau war ebenfalls berufstätig. Das Paar hat Kinder und erwarb Wohneigentum und nahm einen Kredit mit monatlicher Belastung von 650 Euro auf. Die Ehefrau verlor ihren Job, dem Ehemann wurden Überstunden gestrichen und das Einkommen auf 850 Euro brutto gekürzt. Der Kredit kann nicht mehr bedient werden. Für die Immobilie finden sich keine Käufer.

Um die Pfändung ihrer einzigen Wohnung zu verhindern, müssen Betroffene vor Gericht gehen und entsprechend dem nach seiner Schöpferin genannten Katseli-Gesetz beweisen, dass sie keine "strategischen Zechpreller" - also nur unverschuldet Überschuldete sind. Dabei ist es notwendig, den Schuldnern gegenüber zu belegen, wie man zumindest einen Teil der aufgenommenen Kredite bedienen kann. Allein an Anwaltskosten und Gerichtsgebühren sind für derartige Verfahren in der Regel mindestens 1500 Euro fällig. Die Wirkung des Katseli-Gesetzes ist befristet und muss mit neuen Regierungserlassen regelmäßig erneuert werden. Freiberufler und Gewerbetreibende waren bis vor wenigen Monaten von dem Gesetz ausgeschlossen. Griechenland kennt keine Privatinsolvenz. Schulden eines früheren Ehepartners belasten auch nach der Scheidung Geschiedene, sofern das Paar wie in der Regel vorgeschrieben eine gemeinsame Steuererklärung abgab.

Wer nicht unter das Katseli-Gesetz fällt und Kreditraten nicht bedienen kann, dessen Kredit gilt in der griechischen Sprache als "rot" und kann von der Bank an ausländische Fonds für einen Bruchteil des Nennwertes verkauft werden. Ein "Verkauf" an den Schuldner oder dessen Bürgen ist gesetzlich ausgeschlossen worden, vorgeblich um auf diese Art und Weise der Zechprellerei Einhalt zu gebieten.