Wahlsieger Putin will auf die Wahlverlierer zugehen

Einscannen der Wahlzettel. Bild: Ulrich Heyden

Wladimir Putin siegte bei den Präsidentschaftswahlen mit 76 Prozent der Stimmen. Er kündigte an, die Wahlverlierer auf seine Seite zu ziehen, "damit es vorwärts geht"

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Als Wladimir Putin am Wahlabend vor vielen Tausend Menschen vor dem Kreml auf einer Kundgebung sprach (Video), war der Jubel groß. "Wir sind Ihre Mannschaft" wurde dem Wahlsieger in einem Sprechchor zugerufen.

Der Kreml-Chef erklärte, er sehe in seinem Wahlsieg "Vertrauen und Hoffnung. Die Hoffnung unserer Menschen darauf, dass wir weiter so angespannt, so verantwortungsvoll und mit noch mehr Ergebnissen arbeiten. Danke, dass wir so eine kräftige Mannschaft von vielen Millionen sind." Der Kreml-Chef rief der Menge zu, es sei sehr wichtig, jetzt "die auf unsere Seite zu ziehen, die für andere Kandidaten gestimmt haben". Man brauche diese Einheit, "damit es weiter vorwärts geht". Damit es weiter vorwärts geht, müsse man "den Ellenbogen von jedem Bürger des Landes spüren".

Nach der Kundgebung erklärte der russische Präsident auf einer Pressekonferenz, dass es nach seinem Amtsantritt Neubesetzungen in der russischen Regierung geben werde. Das betreffe auch die Kandidatur eines neuen Ministerpräsidenten. Eine Verfassungsreform plane er jedoch nicht. Beobachter hatten es für möglich gehalten, dass Putin nochmal die Verfassung ändert, um sich auch nach seiner vierten Amtszeit Einfluss auf die Lenkung Russlands zu sichern, möglicherweise als "nationaler Führer".

Nach Angaben der Zentralen Wahlkommission erhielt Wladimir Putin nach Auszählung von 60 Prozent der Wahlzettel 76 Prozent Stimmen. Der Amtsinhaber hat zugelegt. Denn bei der Präsidentschaftswahl 2012 bekam er nur 63 Prozent der Stimmen.

Warum siegte Putin?

Dieser Sieg hat vor allem zwei Gründe. Natürlich siegte Putin über seine Herausforderer, weil sie alle von einer schwachen Position aus starteten. Bei Straßenumfragen bekam der Autor dieser Zeilen immer wieder zu hören, keiner der Gegenkandidaten habe irgendwelche praktischen Erfahrungen in der Regierungsarbeit. Wozu also auf einen anderen Kandidaten setzen, wenn man bei dem jetzigen Amtsinhaber weiß, was man hat und damit im Großen und Ganzen zufrieden ist?

Außerdem kann man davon ausgehen, dass viele Menschen in Zeiten außenpolitischer Spannungen auf die Person setzen, welche im Innern Stabilität und sozialen Schutz und nach außen hin militärische Abschreckung garantiert. Wladimir hat diese Ziele in seiner Rede vor der Föderalen Versammlung am 1. März deutlich und sehr konkret mit der Beschreibung neuer Waffen beschrieben.

Eine Musikgruppe singt vor dem Wahllokal russische Volkslieder. Bild: Ulrich Heyden

Wie schnitten die anderen Kandidaten ab? Für den KPRF-Kandidaten Pawel Grudinin, der parteilose Chef der am Südrand von Moskau gelegenen "Lenin-Sowchose", stimmten 11,8 Prozent der Wähler. 2012 hatten noch 17 Prozent der Wähler für KPRF-Chef Sjuganow gestimmt. Allerdings war Pawel Grudinin bei der diesjährigen Präsidentschaftswahl einer massiven Gegenkampagne aller staatlichen Medien, vor allem des Fernsehens, ausgesetzt. Es wurde behauptet, Grudinin habe seine Konten in der Schweiz nicht aufgelöst und eines seiner Familienmitglieder besitze eine Villa in Spanien. Das Kalkül der KPRF-Führung mit dem Agrar-Unternehmer Grudinin neue Wählerschichten zu erschließen, ist zumindest nicht aufgegangen. Nun fühlen sich russische Linke wie der Politologe Boris Kagarlitsky bestätigt, dass es ein Fehler war, Grudinin aufzustellen.

Für den Nationalisten Wladimir Schirinowski stimmten 5,66 Prozent der Wähler, 2012 waren es noch sechs Prozent. Auf Platz vier landete Ksenia Sobtschak mit 1,67 Prozent. In Moskau bekam Sobtschak allerdings 4,08 Prozent der Stimmen. Sie überflügelt den Alt-Liberalen Gregori Jawlinski, der landesweit nur 1,04 Prozent der Stimmen bekam.

Noch schlechter waren die Ergebnisse von Boris Titow - Putins Berater für Unternehmerfragen - mit 0,76 Prozent, Maksim Surajkin - Leiter der stalinistischen KPRF-Abspaltung "Kommunisten Russlands" - mit 0,65 Prozent und dem Nationalisten Sergej Baburin mit 0,65 Prozent.

Die Wahlbeteiligung lag nach Angaben der Zentralen Wahlkommission 67,98 Prozent. 2012 lag sie bei 65 Prozent.

Die Präsidentschaftswahlen wurden zu einem vollen Erfolg für Wladimir Putin, sowohl was sein persönliches Stimmenergebnis als auch was die Wahlbeteiligung betrifft.

Das Wahlergebnis wird den Präsidenten Russlands auch deshalb stärken, weil es wenig Meldungen über Wahlfälschungen gab.

Information über die acht Kandidaten im Wahllokal Nr 2881. Bild: Ulrich Heyden

Nach den Prosteten gegen Wahlfälschungen 2011 und 2012 in Moskau und St. Petersburg hatte die russische Regierung den Einsatz von Überwachungskameras in Wahllokalen angeordnet, über welche die Stimmabgabe und Stimmauszählung per Internet von interessierten Internet-Usern live mitverfolgt werden können. Fälschungen sind unter diesen Bedingungen mit einem Risiko verbunden und können schnell festgestellt werden.

So wurde am Sonntag in der südlich von Moskau gelegenen Stadt Ljuberzi der Leiter eines Wahllokals entlassen und die Wahlurne versiegelt, weil am Sonntagmorgen um neun Uhr eine Frau einen Packen Wahlzettel in eine Wahlurne werfen konnte, was die Moskauer Wahlkommission per Video-Beobachtung feststellte.

Oppositionspolitiker beanstanden Fälschungen

Die Wahlbeobachter-Organisation "Golos" stellte am Sonntag 859 Verstöße gegen die Wahlordnung fest. Der Großteil der Verstöße (222) betrifft die Ausstattung der Wahllokale. 170 Verstöße betreffen die Rechte der Beobachter, der Mitglieder der Wahlkommissionen und der Journalisten.

Registrierung eines Wählers im Moskauer Wahllokal Nr 2881. Bild: Ulrich Heyden

Der Oppositionspolitiker Aleksej Nawalny der wegen einer Bewährungsstrafe nicht zu den Wahlen zugelassen worden war, sprach am Sonntag von einem "grandiosen Betrug". Die Leiterin der Zentralen Wahlkommission habe mit "mehreren Millionen Stimmen" die Wahlbeteiligung "auf das für Putin nötige Niveau erhöht". Navalny erklärte, er habe mit seinen Anhängern den Test gemacht und herausgefunden, dass sich ein und dieselbe Person mehrere Wahlberechtigungsscheine ausstellen lassen kann, um in anderen Wahlbezirken, außerhalb des eigentlichen Wohnorts abzustimmen.

Die Zentrale Wahlkommission widersprach der Behauptung von Navalny. Das automatisierte System "GAS Vybory" stelle pro Wahlberechtigten nur einen Schein für die wegen Urlaub oder Arbeitsplatzwechsel erzwungene Stimmabgabe außerhalb des ursprünglichen Wohnortes aus.

Überraschende Unterstützung bekam Navalny von dem KPRF-Kandidaten Pawel Grudinin, der auf einer Pressekonferenz nach der Wahl erklärte, "Navalny hat leider Recht". Im Moskauer könne ein Wahlberechtigter "dreimal abstimmen".