US-Medien wollen sich gegen Donald Trump vereinen, der sie als Feinde des Volks bezeichnet

Im Hintergrund des Kampfes zwischen dem Twitter-Präsidenten und den traditionellen kommerziellen Massenmedien geht es wahrscheinlich um eine neue Organisation der Öffentlichkeiten

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US-Präsident Donald Trump ist auf einem Kreuzzug gegen die Liberalen) Mainstreammedien, die sich ihrerseits schon während des Wahlkampfs gegen ihn eingeschossen haben. Für Trump, der sich nach eigener Ansicht einer "Hexenjagd" ausgesetzt sieht, sind die Medien - große Ausnahme Foxnews von Milliardärskollegen Murdoch - "Fake News", also das, was von rechtspopulistischer deutscher Seite als "Lügenpresse" bezeichnet wird. Trump hat die Rhetorik aber noch gesteigert und die Medien - ebenso wie die restliche Elite aus Waschington, zu der er sich natürlich nicht zählt - als "Feind des amerikanischen Volkes" stilisiert, das wirkliche Volk vertritt selbstverständlich Trump.

Nicht erst seit dem Wahlkampf, aber seitdem zur Allzweckwaffe perfektioniert, hat Trump bekanntlich seinen Twitter-Account benutzt, um sich direkt an die Öffentlichkeit zu wenden und dabei die Massenmedien als Vermittler auszubooten. Trump als Präsident hat, auch weil er damit permanent weltweit Aufmerksamkeit erzielt, an dem persönlichen Account festgehalten, um ihn in einer Weise einsetzen zu können, die ihm mehr Freiheit als ein offizieller Kanal des Weißen Hauses lässt. Er macht damit Regierungspolitik, setzt die Themen, droht Kriege und Handelskriege an, denunziert andere Menschen und macht sich über andere Politiker lustig und weiß, dass er, solange er über die Stränge des normalen politischen Diskurses schlägt und en Trumpel spielt, viel näher am Ohr der Öffentlichkeit ist, als wenn er Reden hält oder Interviews gibt.

Nach einer aktuellen Umfrage ist Trump denn auch keineswegs isoliert, wenn er die Medien als Feinde des amerikanischen Volkes bezeichnet und fortwährend ihr baldiges Verschwinden prophezeit. Ein Viertel der amerikanischen Bevölkerung sieht die Medien ebenfalls als Feind des Volkes und ebenso viele würden dem Präsidenten das Recht zuerkennen, Medien auszuschalten, die sich nicht richtig verhalten. Viele meinen denn auch, Trump würde von den Medien schlecht behandelt. 13 Prozent würden ihm sogar das Recht zubilligen, Mainstreammedien wie CNN, Washington Post oder New York Times zu schließen, Pressefreiheit hin oder her (Fast 30 Prozent sehen wie Trump Medien als "Feind des amerikanischen Volks).

Offenbar sehen sich die angegriffenen Medien, die teils dank ihrer Anti-Trump-Berichterstattung Einkommenszuwächse und mehr Leser verzeichnen können, entweder doch irgendwie durch Trumps Drohungen und seine Gefolgschaft in ihrer Existenz bedroht, schließlich geht das Zeitungssterben munter weiter. Oder sie glauben, dass sie noch massiver gegen den Präsidenten aufmarschieren müssen. Jedenfalls hatte die Redaktion des altehrwürdigen Boston Globe (Slogan: "Real Journalists. Real Journalism"), die seit 1993 zum Medienimperium der New York Times gehört, alle Trump-kritischen Medien dazu aufgerufen, am 16. August gemeinsam Editorials zu veröffentlichen, in dem die Bezeichnung der Medien als "Feinde des amerikanischen Volkes" und der "Angriff auf Medien" verurteilt wird. Man will sich so gegen den "schmutzigen Krieg gegen die Medien" von Trump zur Wehr setzen.

Erst am 5. August hatte Donald Trump einen Tweet gegen die Medien losgelassen und den Vorwurf wiederholt: "Die Fake News hassen es, wenn ich sage, sie seien der Feind des Volkes, weil sie wissen, dass dies WAHR ist. Ich biete einen großen Dienst, indem ich dies dem amerikanischen Volk erkläre. Sie verursachen absichtlich eine große Spaltung und großes Misstrauen. Sie können auch Krieg bewirken! Sie sind sehr gefährlich & krank."

Das unterstellt neben vielem anderem, dass die "Fake News" irgendwie gemeinsam handeln, während sie doch bei aller konzentrierten Medienmacht auch miteinander konkurrieren. Die Initiative des Boston Globe will aber offensichtlich der Trumpschen Verschwörungstheorie entgegenkommen und demonstrieren, dass die angegriffenen Medien sich tatsächlich koordinieren. Angeblich haben sich der Initiative bereits mehr als 100 Medien angeschlossen, sagte Marjorie Pritchard vom Globe dem Sender CNN. Die Reaktion sei "überwältigend" gewesen: "Wir haben einige große Zeitungen, aber die Mehrheit kommen von kleineren Märkten, alle sind begeistert, gegen Trumps Angriff auf den Journalismus aufzustehen."

Um die Koordination nicht als Gleichschaltung erscheinen zu lassen, sollen die Editorials von jedem Medium selbst geschrieben werden. Das voll Vielfalt zeigen: "Unsere Worte werden sich unterscheiden. Aber letztlich können wir übereinstimmen, dass solche Angriffe alarmierend sind." Man fragt sich allerdings, was der Zweck der Sache ist, denn die Aktion hebt Donald Trumps Bedeutung noch einmal hervor, während die Einheit der Medien bestenfalls fragil ist, wenn es um die Kampf um Neuigkeiten etwa im Weißen Haus geht. Viel mehr Einfluss würde haben, wenn die Medien prinzipiell keine Tweets mehr von Trump aufgreifen und kommentieren oder die Presskonferenzen im Weißen Haus gemeinsam boykottieren würden, wenn Journalisten rüde behandelt oder gar ausgeschlossen werden.

Aber so weit geht die Solidarität nicht, weswegen Trump weiterhin mit den Medien spielen kann. Gleichzeitig könnte Trump vorführen, dass die Macht der kommerziellen Medien, deren Unabhängigkeit als vierte Macht immer kritisch war, schwindet und neue kollektive Öffentlichkeiten entstehen. Womöglich ist der Twitter-Präsident im Kampf gegen die kommerziellen Mainstreammedien, die auf Profit ausgerichtet sind, paradigmatisch für den sich abzeichnenden Medienumbruch, in dem ähnlich wie in der Neuzeit nach der Erfindung des Buchdrucks die Lust an der Täuschung und die Skepsis überwiegt, bevor sich ein neues Wirklichkeitskonzept mit neuen Akteuren, Medienkanälen und Organisationsformen der Öffentlichkeiten durchsetzt. Das wäre nicht abwegig, zumal sich auch die Weltpolitik neu organisiert, ebenfalls angetrieben durch Trump, der vielleicht wie der Hegelsche Maulwurf wirkt.

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