Schweden: Witze über Fernost anstatt Nahost?

Screenshot aus dem Video über die zeternden chinesischen Touristen.

Zwischen Schweden und China hat sich aufgrund einer Satire ein ernsthafter Konflikt angebahnt. Ikea und andere Unternehmen fürchten bereits künftige Verluste in Fernost

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Begonnen hat die Affäre mit einer Filmaufnahme von drei chinesischen Touristen, die Mitte September aus einer Jugendherberge in Stockholm von der Polizei herausgetragen wurden. Sie waren zu früh da und bestanden dennoch auf ihrem Zimmer. "Das ist Mord", schrien sie hysterisch und wälzten sich auf der Straße - beste Voraussetzungen, um auf YouTube zum Gespött zu werden.

Die chinesische Botschaft in Stockholm sah dies weniger humorvoll an und forderte eine Ermittlung, da ihre Staatsbürger verletzt worden seien, was von der schwedischen Regierung jedoch abgelehnt wurde. Darauf sprach Peking eine Reisewarnung für Schweden aus.

Öl ins Feuer goss nachfolgend die Satiresendung des schwedischen öffentlich-rechtlichen Sender SVT "Svenska Nyheter", ein seit März 2018 ausgestrahltes Format, das man mit der heute show des ZDF vergleichen kann. Dort wurde am 21. September eine Reiseanleitung für chinesische Touristen in Schweden gezeigt. In dem Clip wurde mehrfach den Chinesen erklärt, wo sie nicht ihre Notdurft verrichten dürften, dazu wurde ein Verbotsschild gezeigt, das einen Asiaten mit Kegelhut zeigt, der seinen Hintern über einen Kothaufen hält und gleichzeitig eine Reisschale mit Stäbchen in den Händen hat.

"Menschen mit Hunden haben nicht ihr Mittagessen bei sich und in Schweden sind alle Menschen gleich, dies gilt jedoch nicht für Chinesen", waren weitere Aussagen der blonden Reporterin im Film. Chinesen seien herzlich willkommen im Königreich Schweden, heißt es zum Schluss. "Doch wenn ihr euch nicht an die Regeln hält, dann prügeln wir die Scheiße aus euch heraus." Prekär ist zudem, dass die Sendung mit der Stimme eines chinesischen Lektors unterlegt war.

Die Sendung sei "voller Vorurteile, Verzerrungen und Provokationen gegenüber Chinesen", kritisierte das Außenministerium Chinas, auch die Botschaft reagierte mit einer Protestnote. Viele Chinesen verstanden sicherlich auch nicht, dass es sich um eine Satiresendung, nicht um eine wirkliche Nachrichtensendung handelt. Dies setzt der Programmdirektor jedoch bei der chinesischen Behörde voraus. Sowohl der Sender als auch der Moderator der "Svenska Nyheter" wollten noch am Montag der geforderten Entschuldigung nicht nachkommen. Auch das schwedische Außenministerium verwies auf die Redefreiheit. In den chinesischen Medien und sozialen Medien reagierte man mit Boykottaufrufen schwedischer Produkte.

Als dann am Mittwoch die Vertreter der schwedischen Industrie ihre Auftragsverlustängste bekannt machten, ruderte man im Staatsfernsehen zurück und gelobte, sich zu entschuldigen. Ob hier ein Zusammenhang besteht, bleibt Spekulation.

Politischer Hintergrund für Chinas überzogene Reaktion auf die drei Touristen könnte der Besuch des Dalai Lama in Schweden während seiner Europareise gewesen sein. Die New York Times spekuliert auch auf chinesisch-schwedische Spannungen wegen der Festnahme eines chinesischstämmigen schwedischen Bürgers in China.

Gedeckt von Meinungsfreiheit?

Vielleicht ist das ein weiterer Präzedenzfall für das Einknicken eines westlichen Staates vor der Wirtschaftsmacht China und deren Neigung, Handelsbeziehungen bei politischen Unbotmäßigkeiten als Druckmittel einzusetzen. Und sicherlich ein Fall von Kulturschock. Chinesen, die in einem autoritären Staat aufwachsen, verstehen nicht, dass im Staatsfernsehen eines anderen Staates individuelle Meinungen geäußert werden können und gar Satire, die es nicht so meint, wie sie es sagt, und darum so viel darf. Doch wo liegen die Grenzen der Meinungsfreiheit in Schweden?

Direkt unter dem auf YouTube veröffentlichten Video der Satiresendung steht ein interessanter Beitrag zu dieser Frage. Ein Zhengyang Wu, der nach eigenen Angaben seit 30 Jahren in Schweden wohnt, kritisierte, dass die wahren Rassisten Schwedens in den Massenmedien zu Hause seien und sich an die friedlichen Ostasiaten hielten, da diese sie nicht gewaltsam attackierten. Ein ähnliches Programm über Somalier, Iraker, Syrer oder Personen aus Ex-Jugoslawien sei in Schweden undenkbar. Er nannte die Verantwortlichen "feige".

Vielleicht fand bei der Satire durchaus ein scheinbar risikoloses Abreagieren an "Dritten" statt. Auch ist die Drohung, jemanden die Scheiße aus dem Leib zu prügeln, keine klassische Satire, sondern scheint eher eine Anleihe aus dem Stammtischsprech zu sein ohne wirkliche humoristische Brechung. So stellen sich viele wohl die Gespräche von Schwedendemokraten und von anderen Rechtsextremen vor, wenn diese über Migranten aus Nahost jenseits der Mikrofone sprechen.

Vielleicht gibt es auch bei den Machern des SVT die Neigung, sich abwertend gegenüber anderen zu äußern, ihnen die Grenzen aufzuzeigen. Diesmal waren die Chinesen dran. Doch diese schützten nicht die Regeln der politischen Korrektheit, sondern die Handelsbeziehungen.

Dem chinesischen Botschafter Gui Congyou ist die Entschuldigung des TV-Verantwortlichen nicht genug. Er forderte am Donnerstag weiterhin eine Bestrafung der Polizisten, die die chinesischen Touristen hinaustrugen und eine erneute Entschuldigung von SVT, bei der "die rassistische Diskriminierung der Chinesen tief reflektiert werde". Zudem monierte er das Fehlen Taiwans und eines Teils Tibets auf der in der Sendung gezeigten China-Karte.

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