Insect Allies: Das Pentagon scheint biologische Waffen zu entwickeln

Bild: DTRA

Biologische Waffen können gefährlicher als Atomwaffen sein, die Biowaffenkonvention muss gestärkt werden

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Die Gefahr, die von Atomwaffen, richtiger Kernwaffen genannt, entsteht, ist sicher jedem bewusst. Daher gibt es viele Sicherheitsmaßnahmen und ein globales Bewusstsein der Gefährlichkeit dieser Waffen. Aber letztlich müssen Kernwaffen durch Menschen zum Einsatz gebracht werden und haben immer eine lokale, wenn auch furchtbare Wirkung. Biologische Waffen dagegen können nicht nur irrtümlich, sondern auch durch Unfälle, Tests oder einfach Unachtsamkeit zu einem globalen Risiko werden, dessen wir uns bisher überhaupt nicht bewusst sind.

Genetisch veränderte Krankheitserreger stellen eine existentielle Gefahr für die Menschheit dar, die einem nuklearen Winter nicht nachsteht. Aber die verheerenden Auswirkungen eines Atomkrieges basieren immerhin auf bewussten Entscheidungen von Menschen. Trotz dieser ungeheuren Gefahr gab es in den letzten Wochen massiert Berichte über die mögliche Entwicklung von biologischen Kampfstoffen oder "dual nutzbaren" biologischen Mitteln.

Telepolis war mit unter den ersten Medien, die am 28. September die Hintergründe für mögliche Gefahren beleuchtete (Entwickeln die USA neue biologische Waffen). Am 6. Oktober stellte Telepolis nüchtern zusammen, warum Russland die USA beschuldigte, Waffen in Georgien zu testen. Und am 7. Oktober folgte ein Bericht über die heute mögliche schnelle genetische Veränderung ganzer Populationen durch moderne Gentechnologie. Handelt es sich um Panikmache oder um berechtigte Sorge um die Zukunft der Menschheit?

Verdeckte und offene Forschung

Hatten im Mittelpunkt des Artikels vom 28. September mögliche geheime Versuche mit biologischen Waffen gestanden, so gibt es auch eine ganz offene Forschung, die der Landwirtschaft helfen soll, oder für die Abwehr von biologischen Waffeneinsätzen dienen sollen. Dass die Landwirtschaft ein Einfallstor für den Einsatz von biologischen Waffen sein könnte, hatte schon 2001 Telepolis erörtert: Der biologische Krieg könnte zuerst in der Landwirtschaft stattfinden.

Im Wissenschaftsmagazin Science erschien am 5. Oktober der Artikel von besorgten Wissenschaftlern, die befürchten, dass unter dem Deckmantel von Agrarforschung neue biologische Waffensysteme entwickelt werden. Die namhaften Wissenschaftler berichten über das Projekt mit dem Namen "Insect Allies" (Verbündete Insekten). Insekten sollen als Transportmittel für Pflanzenviren eingesetzt werden, um diese Viren auf landwirtschaftlich genutzte Pflanzen zu übertragen. Mit dieser Methode ließen sich Pflanzen, die bereits auf Feldern wachsen, schnell und umfassend genetisch verändern. Die Autoren der Studie weisen darauf hin, dass die Methode schnell und leicht manipulierbar ist, um dann als biologische Waffe eingesetzt zu werden. Das Max Planck Institut für evolutionäre Biologie in Plön, schreibt über das Projekt:

Ende 2016 hat die DARPA (Defense Advanced Research Projects Agency) - eine Behörde des US-Verteidigungsministeriums, die Forschungsprojekte für das Ministerium finanziert - ein auf vier Jahre angelegtes Forschungsprogramm öffentlich ausgeschrieben. Sie fördert darin Projekte im Umfang von insgesamt 27 Millionen US-Dollar mit dem Ziel, genetisch veränderte Viren freizusetzen, die das Erbgut von Nutzpflanzen im Freiland verändern können. Mitte 2017 gab das erste von drei Konsortien mehrerer amerikanischer Forschungseinrichtungen seine Teilnahme an dem DARPA-Programm bekannt. Wie aus Pressemitteilungen der für das Programm ausgewählten Institutionen hervorgeht, erforschen die beteiligten Wissenschaftler dabei, ob sie die Viren mithilfe von Grashüpfern, Blattläusen und - zu den Pflanzenläusen gehörenden - Weißen Fliegen auf Mais und Tomaten übertragen können. Bis zum Ende Programms soll die Technik in großem Stil in Gewächshäusern einsetzbar sein.

Max Planck Institut für evolutionäre Biologie

Die Forscher weisen darauf hin, dass es praktisch keine öffentliche Diskussion über die Projekte gibt. Selbst in Fachkreisen wäre die "Forschung weitgehend unbekannt", erklärte Guy Reeves vom Institut.

Die Forscher sehen vor allem den Einsatz von Insekten zur Verbreitung von Genmaterial kritisch, denn die Erkenntnisse aus dem Insect Allies-Programm können relativ leicht abgewandelt werden und so für die biologische Kriegsführung angepasst werden. ‚So könnten Gene beispielsweise funktionsuntüchtig gemacht werden - was in der Regel leichter ist als ihre Optimierung. Das Verfahren muss also nicht einmal weiterentwickelt werden, es reicht aus, es zu vereinfachen, um es als Waffe einsetzen können‘, so Reeves. Angesichts dieser Einwände könnte das DARPA-Programm den Verdacht wecken, dass es nicht friedliche Zwecke, wie von der B-Waffenkonvention gefordert, zum Ziel hat. Dies könnte wiederum zur Folge haben, dass andere Länder selbst eigene Waffen auf diesem Gebiet entwickeln.

Max Planck Institut für evolutionäre Biologie

Aus diesem Grund hatten sich Rechtswissenschaftler von der Universität Freiburg, Wissenschaftler vom besagten Max-Planck-Institut und der Universität von Montpellier zusammengeschlossen, um in einem Artikel die öffentliche Diskussion zu fordern. Ihrer Meinung nach könnte das Projekt "von Vielen" als ein Versuch angesehen werden, biologische Stoffe für feindliche Zwecke und Möglichkeiten ihrer Verbreitung zu entwickeln, was, falls es zutrifft, eine Verletzung der Biowaffenkonvention darstellen würde. Wie bereits in dem Telepolis-Artikel vom 28. September erwähnt, ist diese Konvention derzeit praktisch unwirksam, weil sich einige Staaten, insbesondere die USA, weigern, geeignete Kontrollmechanismen zu vereinbaren.

Die Juristen der Universität Freiburg vertreten innerhalb der Forschergruppe die Position , "dass es sich bei den zum Übertragen der Viren verwendeten Insekten um verbotene Einsatzmittel im Sinne des Übereinkommens handelt". Und wenn man den Auftraggeber der Arbeiten berücksichtigt, können wirklich Bedenken auftreten, dass es sich eben nicht um Arbeiten zugunsten der Agrarforschung handelt. Es war die DARPA (Defense Advanced Research Projects Agency), die Forschungsabteilung des US-Verteidigungsministeriums, welche das Forschungsprojekt finanzierte.

Die weltweite Biowaffenforschung der USA

Wie die großartige investigative Journalistin Dilyana Gaytandzieva feststellt , betreiben die Vereinigten Staaten Biowaffenlabore in 25 Ländern der Welt. Diese Labore werden vom Defense Threat Reduction Agency (DTRA) mit 2,1 Milliarden US-Dollar im Rahmen eines militärischen Forschungsprogramms mit dem Namen "Cooperative Biological Engagement Program" (CBEP) finanziert. Die Labore sind in Ländern der ehemaligen Sowjetunion wie Georgien und Ukraine, im Mittleren Osten, in Südostasien und in Afrika angesiedelt.

Bis Ende der 1970er Jahre, testete das US-Militär chemische und biologische Kriegsführung an der eigenen Bevölkerung. Manchmal waren diese Versuche auch über größere Gebiete und längere Zeiträume durchgeführt worden. Biologische Kampfstoffe wurden in Hawaii, Alaska, Maryland, Florida, Kanada und Großbritannien an der Bevölkerung getestet. Nachdem eine Untersuchung des US-Kongresses den Umfang des Programms enthüllt hatte, wurden die Versuche ins Ausland verlagert.

Es sind private Firmen der USA, die in von der US-Regierung im Ausland kontrollierten Laboratorien geheime biologische Forschung unter der Führung und dem Budget des US-Militärs, der CIA und dem Ministerium für Heimatschutz, übernehmen. Die bereits erwähnte bulgarische Journalistin berichtet von einer dieser geheimnisumwitterten Anlagen:

Die US-Botschaft in Tbilisi transportiert gefrorenes Blut und Krankheitserreger als Diplomatenfracht für ein geheimes US-Militärprogramm. Interne Dokumente, die mir von georgischen Insidern zugespielt wurden, zeigen auf, dass US-Diplomaten in den Transport und die Experimente mit Pathogenen unter diplomatischem Schutz verwickelt waren. Den Dokumenten zufolge waren Wissenschaftler des Pentagon nach Georgien gebracht worden, ihnen diplomatische Immunität verliehen worden, um tödliche Erkrankungen und beißende Insekten im Lugar Center, dem Biolabor des Pentagon in Georgiens Hauptstadt Tbilisi, durchzuführen.

Dilyana Gaytandzieva

In unserem vorherigen Artikel vom September berichteten wir bereits mehr Einzelheiten über das Labor.

Russland ist verständlicherweise höchst beunruhigt über die Aktivitäten der Geheimlabors und fordert Aufklärung. Der Verantwortliche für ABC-Abwehr, Igor Kirillov, legte Dokumente vor, die den Tod von 73 Menschen innerhalb eines kurzen Zeitraums in Georgien dokumentierten. Die USA weisen alle Vorwürfe zurück, ohne aber zu erklären, was genau gemacht wird, oder die Labors für eine internationale Kontrolle zu öffnen. So wie gegenüber den Forschern des eingangs erwähnten Artikels in Science geben die USA keine Antwort auf die aufgeworfenen Fragen.