Erhöhen hoch verarbeitete Lebensmittel das Mortalitätsrisiko?

Bild: Hyper nova/CC BY-SA-4.0

Nach einer Untersuchung gibt es einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Menge an verzehrten Fertiggerichten, Snacks oder Nachspeisen und erhöhtem Todesrisiko

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Stark industriell verarbeitete Lebensmittel können nicht nur dicker machen, nach einer Studie von französischen Wissenschaftlern können sie auch die Mortalität erhöhen. Wer also Zeit beim Essen einspart und hoch verarbeitete (ultra-processed) Produkte verzehrt, könnte womöglich sein Leben verkürzen. In ihrer Studie, die in JAMA Internal Medicine erschienen ist, gingen die Wissenschaftler der durch Untersuchungen unterstützten Vermutung nach, dass ein höherer Konsum von hoch verarbeiteten Lebensmitteln mit einem höheren Risiko für Krankheiten verbunden ist. Sie haben untersucht, ob dadurch das allgemeine Mortalitätsrisiko steigt.

Zu solchen hoch verarbeiteten Lebensmitteln zählen Fertiggerichte, Schokolade, Chips, Süßspeisen, Würste und Burger, gepöckeltes, geräuchertes und anderweitig behandeltes Fleisch, eingekochtes Gemüse, Milch- und Fruchtgetränke oder sogar Baby-Konserven, alles haltbar und schmackhaft gemachte Fertiglebensmittel oder solche, die man nur warm machen muss, sowie Snacks und Nachspeisen, die nicht selbst frisch gemacht werden. Sie sind energiedichter, enthalten mehr Fett und gesättigte Fette, mehr Salz und Zucker, aber weniger Fasern.

Nach einer britischen Studie führen nicht die vorverarbeiteten Lebensmittel als solche zu mehr Gewicht bzw. gibt es hier einen Zusammenhang, sondern entscheidend sollen die verarbeiteten Zutaten sein. Das wäre einleuchtend, denn wenn frische, unbehandelte Lebensmittel Zuhause oder in Restaurants gekocht oder zubereitet werden, dürfte der Unterschied neben der Qualität vor allem an den oft vielen Zusatzstoffen liegen, die in hoch verarbeiteten Lebensmitteln eingearbeitet werden, um sie haltbar, ansehnlich und schmackhaft zu machen. In den USA, in Kanada und Großbritannien würden bereits knapp über 60 Prozent der von den Menschen zu sich genommenen Lebensmittel hoch verarbeitet sein.

Die französischen Wissenschaftler schreiben, hoch verarbeitete Lebensmittel seien industriell aus vielen Zutaten hergestellte Lebensmittel, die normalerweise zusätzlich Zusatzstoffe aus technischen und/oder ästhetischen Gründen enthalten: "Hoch verarbeitete Lebensmittel werden meist in Form von Snacks, Nachspeisen oder Fertigspeisen verzehrt", ihr Konsum habe in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen.

Für ihre Untersuchung wählten die Wissenschaftler aus einer 2009 begonnenen Langzeitstudie über 44.000 Personen über 45 Jahre aus (73 Prozent waren Frauen), die während der ersten zwei Jahre des Follow-up mindestens drei webbasierte 24-Stunden-Protokolle über ihre Ernährung ausgefüllt hatten. Gesammelt wurden Informationen über den Lebensstil, die körperliche Aktivität, Gewicht und Größe und soziodemografische Eigenschaften. 2017 wurde ein Follow-up, eine Verlaufskontrolle, vorgenommen. Für jeden Teilnehmer wurde der Anteil der hoch verarbeiteten Lebensmittel an der gesamten Ernährung berechnet.

Während des Beobachtungszeitraums starben 602 Teilnehmer. Unter Berücksichtigung anderer Risikofaktoren ergab sich eine recht deutliche Korrelation zwischen dem Risiko eines vorzeiten Todes und der Menge der zu sich genommenen hoch verarbeiteten Lebensmittel. Jede Zunahme des Anteils hoch verarbeiteter Lebensmittel um 10 Prozent steigerte das Mortalitätsrisiko um 14 Prozent.

Verbunden ist der Konsum hoch verarbeiteter Lebensmittel auch mit einem jüngeren Alter, geringeren Einkommen (unter 1200 Euro monatlich), geringerer Bildung, höheren BMI (Über 30), weniger körperlicher Bewegung und Single-Dasein. Es kommt also doch viel zusammen. Wer schon dicker ist, bewegt sich wahrscheinlich auch weniger, wer alleine lebt, kocht selbst kaum, wer wenig Geld hat, kauft billig ein, wer geringere Bildung hat, weiß vielleicht weniger über gesundheitliche Zusammenhänge oder steht dem gleichgültiger gegenüber. Auch jüngere Menschen achten vielleicht nicht so viel auf ihre gesunde Ernährung, da Alter und Tod noch weiter entfernt sind. Durchschnittlich haben hoch verarbeitete Lebensmittel einen Anteil von 14 Prozent am Gewicht der verzehrten Lebensmittel und von 29 Prozent an den gesamten Kalorien.

Natürlich betonen die Wissenschaftler, dass sie nur eine Korrelation, keine Kausalität zwischen der Menschen der verzehrten hoch verarbeiteten Lebensmittel und der erhöhten Mortalität belegen konnten. Es seien weitere Studien notwendig. Allerdings ist fraglich, ob sich mehr als einleuchtende Zusammenhänge in solchen komplexen Prozessen feststellen lassen, bei denen viele Faktoren eine Rolle spielen, vielleicht auch solche, die nicht erfasst wurden.

Einleuchtend ist allerdings schon, wenn sie vermuten, dass die vielen Zusatzstoffe, die Verpackung, die möglicherweise gesundheitsschädliche Chemikalien an die Lebensmittel abgibt, oder die Verarbeitung, etwa mit hohen Temperaturen, das gesundheitliche Risiko vergrößern könnten. Wie bei so vielen Produkten, wird nicht viel und zuvor gewusst, welche mittel- und langfristigen Risiken sie für die menschliche Gesundheit (und die Umwelt) enthalten. Wir sind gewissermaßen Versuchskaninchen in vielen Experimenten, die mit uns angestellt werden und die wir zulassen, vielleicht auch nur aus Bequemlichkeit.