Bundeswehr sucht neuen Atombombenträger

Panavia Tornado der Bundeswehr beim Landen auf dem Luftwaffenstütztpunkt Büchel. Bild: Alf van Beem/CC0

Alles zu den amerikanischen Atomwaffen in Deutschland und der "nuklearen Teilhabe"

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Während die USA und Russland ihr einziges Rüstungskontrollabkommen zur Begrenzung der atomaren Rüstung in Europa aufgekündigt haben, sucht die Bundeswehr nach einem neuen Atomwaffenträger, denn das Mehrzweckkampfflugzeug Tornado soll früher oder später ausgemustert werden.

Im Februar 2019 traf das BMVg eine Vorentscheidung: entweder eine neue Version des europäischen Eurofighter oder der amerikanischen F/A-18 Super Hornet. Der zukünftige Kampfjet wird mit den neuen Wasserstoffbomben B61-12 ausgerüstet, die in Büchel (Eifel) eingelagert werden. Für die beteiligten Flugzeughersteller geht es ums "big business", für Europa geht es nach der Kündigung des INF-Abkommens um die Frage, ob ein neues atomares Wettrüsten droht.

1. Das Tornado-Atomwaffengeschwader in Büchel

Der Tornado, auch als MRCA (Multi Role Combat Aircraft) bekannt, ist ein zweimotoriger, zweisitziger allwetterfähiger Jagdbomber mit Schwenkflügeltechnik, der für den Tiefflug optimiert wurde. Die Maschinen werden von einer zweiköpfigen Besatzung aus dem Piloten und einem Waffensystemoffizier (WSO) geflogen. Bei einer Länge von 17,23 m beträgt die Spannweite 13,91 m. Die Reichweite ohne Luftbetankung beträgt 2.500 km, die Höchstgeschwindigkeit 1500 km/h im Tiefflug oder 2.400 km/h in 12.000 m Höhe. In größeren Höhen erreicht der Tornado mehr als doppelte Schallgeschwindigkeit, im Tiefflug oder in Meereshöhe ist er zwar deutlich langsamer, aber immer noch deutlich schneller als der Schall.

Der Gefechtsradius mit standardisierter Beladung und einem ebensolchen Flugprofil beträgt etwa 1.350 Kilometer. Bei 14 Tonnen Leergewicht kann das Flugzeug mit einem Gesamtgewicht von mehr als 28 Tonnen noch abheben, also großen Mengen an Munition und Treibstoff mitführen. Die konventionelle Waffenlast besteht aus einer umfassenden Auswahl verschiedenen Systeme: 2 x Bordkanonen Mauser 27 mm, Raketen AIM-9L Sidewinder, AGM-88B HARM, Lenkbomben (Guided Bomb Units) GBU-24 Paveway III, GBU-38, GBU-54(V)3 (LJDAM), Raketen Kormoran zur Seezielbekämpfung oder Marschflugkörper TAURUS KEPD 350 Abstandswaffe.

Der Tornado kann aber nicht nur konventionelle Munition, sondern als Dual Capable Aircraft (DCA) auch Nuklearbomben abwerfen. Als Atomwaffenträger sind mindestens 46 Tornados ausgerüstet, obwohl nicht einmal für die Hälfte dieser Maschinen Atomwaffen tatsächlich in der BRD eingelagert sind! Es handelt sich um freifallende H-Bomben der Typvarianten B61-3 (bis zu 130 Kilotonnen TNT-Äquivalent) und B61-4 (variable Sprengkraft 0,3 bis 50 KT). Die nuklearen Bomben werden in der Regel unter den Flügeln oder dem Rumpf an Pylonen aufgehängt.

Um eine Atombombe abwerfen zu können, ist eine besondere Avionikausstattung notwendig: Im Cockpit bedient die Besatzung das Ein- und Freigabegerät Aircraft Monitoring and Control System (AMAC), um den PAL-Entriegelungscode, die Detonationsstärke und die gewünschte Explosionshöhe etc. einzustellen. Die entsprechenden Befehle werden über die Interface Control Unit (ICU) auf elektrischem und elektronischem Wege an die Elektronik in der Bombe weitergeleitet. So müssen alle Nuklearbefehle und Informationen die ICU passieren, um die Bombe auf einen scharfen Einsatz vorzubereiten (Prearming).

Zur Sensorausstattung der Flugzeuge gehört ein Emitter Locator System (ELS) zur Identifizierung von Radarsignalen, Forward Looking Infrared (FLIR) und ein externer Recce-Behälter (Recce = Reconnaissance) mit die Photoaufklärung mit mehreren Kameras verschiedener Brennweite.

So ist der Tornado für den extremen Tiefflug optimiert. Manuell kann problemlos in Höhen von bis zu 100 Fuß (30 m) geflogen werden. Ein automatisches Geländefolgesystem bestehend aus dem Terrain Following Radar, einem Radarhöhenmesser und dem Flugkontrollrechner machen automatischen Tiefstflug bis 60 Meter über Grund möglich. Egal ob bei schlechtem Wetter oder bei Nacht. Eine Flugstunde mit dem Tornado kostet etwa 42.834 Euro (Stand: 2009!)

Dieser Flugzeugtyp wurde seit den siebziger Jahren von Großbritannien, Italien und Deutschland entwickelt. Die Bundeswehr setzt die Maschine seit 1981 ein. Bis 1992 beschaffte die Bundeswehr insgesamt bis zu 357 Jagdbomber. Die ersten 332 Flugzeuge waren Tornado IDS (Interdiction Strike), die für den konventionellen und nuklearen Angriff auf Bodenziele sowie für die Photo-Aufklärung vorgesehen waren. So kann der konventionell bewaffnete Jagdbomber durch Zuladung eines externen Recce-Pod unter dem Rumpf als Aufklärer eingesetzt werden. Bei der Bundeswehr trugen die Tornado IDS die Kennungen 43+01 bis 46+22. Danach kamen 35 Flugzeuge vom Typ ECR (Electronic Combat Reconnaissance) zur elektronischen Aufklärung und Bekämpfung der gegnerischen Luftabwehr hinzu. Sie hatten die Kennungen 46+23 bis 46+57.

Von dem Tornado gibt es also drei Versionen: 1. Jagdbomber für Luftangriffe mit konventionellen Bomben oder Raketen,
2. Jagdbomber für Luftangriffe mit Atombomben vom Typ B61-und/oder B61-4,
3. EloKa-Störflugzeug Tornado (Electronic Combat Reconnaissance - ECR) zur Ausschaltung der gegnerischen Luftverteidigung (Suppression of Enemy Air Defenses - SEAD).

Der Tornado ist im Laufe seiner Einsatzzeit durch Programme zur Kampfwerterhaltung (KWE) oder Kampfwertanpassung (KWA) wiederholt modernisiert worden. Letzter Standard ist ASSTA 3.1 oder 4.1 (Avionics System Software Tornado in Ada). Dabei wurden u. a. die Bildschirme für den Waffensystemoffizier im hinteren Cockpit erneuert und eine Verbesserung und Digitalisierung der Datenlinksysteme durchgeführt.

Die Maschinen wurden in den neunziger Jahren im Jugoslawienkrieg eingesetzt, anschließend waren sechs Tornados vom 20. April 2007 bis 27. November 2010 in Mazar e-Sharif in Afghanistan stationiert, gegenwärtig nehmen vier bis sechs Aufklärer am Krieg in Syrien/Irak teil. Im Oktober 2018 beschloss das Bundeskabinett, den Tornado-Einsatz vom jordanischen Stützpunkt Al-Asrak im Verlauf des Jahres 2019 einzustellen.

Die Maschinen wurden bereits vor dreißig bis vierzig Jahren in Dienst gestellt. Die meisten Maschinen sind mittlerweile ausgemustert worden und müssen bestenfalls noch als kannibalisiertes Ersatzteillager auf den Fliegerhorsten herhalten.

Dabei ist das Problem mangelnder Einsatzbereitschaft keineswegs neu. Bereits im April 2002 berichtete die "Frankfurter Allgemeine Zeitung":

Wegen knapper Finanzmittel droht den Tornado-Kampfflugzeugen der Bundeswehr die Stillegung ab dem nächsten Jahr. Die Maschinen sind dann zu alt. Sollten sie nicht modernisiert werden, droht ihnen der Entzug der zivilen Flugzulassung durch das Luftfahrtbundesamt, berichtet die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung unter Berufung auf die militärische Führung der Bundeswehr. Ohne Modernisierung sei die Flugsicherheit nicht mehr gewährleistet und die Maschinen müssten auf dem Boden bleiben, heißt es im Verteidigungsministerium. Luftwaffe und Marine verfügen insgesamt über 300 Tornados. Im Zuge der Verkleinerung der Bundeswehr soll die Zahl auf 175 reduziert werden. Bislang war die Nutzungsdauer der Militärflugzeuge auf 4.000 Stunden festgelegt, jetzt sollen neue oder überarbeitete Triebwerke, Flugzeugzellen und Steuerungsanlagen (Avionik) eine längere Flugsicherheit gewährleisten. Kostenpunkt: Rund 460 Millionen Euro.

FAZ

Im Jahr 2008 hieß es dann von Seiten der Bundesregierung, man wolle die letzten Tornados "zumindest bis 2020 im Dienst behalten". Weil ein Nachfolgemodell fehlte, entschied die Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) im Jahr 2016, die Tornados sollen bis 2035 in Dienst bleiben. Dementsprechend wies das BMVg am 18. August 2018 das Bundesamt für Ausrüstung und Informationswesen der Bundeswehr (BAAINBw) an, die Nutzungsdauer des Tornados bis zum Jahr 2035 auszuplanen und erst danach die Ausphasung des Waffensystems vorzusehen.

Demgemäß versucht man zur Zeit, die altersschwachen Tornados mit hohem technischem und finanziellem Aufwand flugfähig zu halten, obwohl Ersatzteile und Ersatzteilhersteller fehlen. Gemäß dem "8. Bericht des Bundesministeriums der Verteidigung zu Rüstungsangelegenheiten" vom Dezember 2018, hat das Ministerium "Investives Finanzvolumen wesentlicher Maßnahmen … 2019-2023ff" in Höhe von 931 Millionen Euro für die Tornado-Modernisierung eingeplant. Zur Begründung heißt es in dem Bericht:

Das Waffensystem TORNADO ist ein bewährtes Produkt in Nutzung, welches im Rahmen des Rüstungsmanagements wesentlich durch Maßnahmen zum Erhalt der materiellen Einsatzreife gekennzeichnet ist. Die Umsetzung von Maßnahmen zur Sicherstellung der forderungsgerechten Bereitstellung einsatzbereiter Luftfahrzeuge bildet dabei den Schwerpunkt. (…) Zur Absicherung der Nutzung des Waffensystems bis spätestens 2035 wurden Maßnahmenpakete sowie die zugehörigen Arbeits-, Zeit- und Finanzpläne in enger Abstimmung zwischen Bedarfsträger, Bedarfsdecker und Industrie ausgeplant, um so die langfristige Systembetreuung sowie die quantitative und qualitative materielle Einsatzbereitschaft abzusichern. (…)

Das Waffensystem TORNADO ist derzeit der alleinige Fähigkeitsträger in den Bereichen Nukleare Teilhabe (NT), Niederhalten bodengebundener Luftverteidigung und Taktische Luftaufklärung sowie des Kampfes gegen gegnerisches Potenzial am Boden mit schweren Effektoren und großer Reichweite. Beginnend ab 2025 wird die Einsatzfähigkeit des Waffensystems verstärkt durch absehbare Obsoleszenzen beeinträchtigt.

BMVg

Nach dem "Bericht zur materiellen Einsatzbereitschaft der Hauptwaffensysteme der Bundeswehr 2017" des BMVg vom 26. Februar 2018 waren durchschnittlich 26 Maschinen einsatzbereit. Nach Pressemeldungen vom März 2018 hingegen standen von den 93 noch vorhandenen Tornados im Durchschnitt 63 zur Verfügung, aber nur 16 Maschinen waren wirklich einsatzbereit.

Anscheinend hat sich auch in Teilen des BMVg die Meinung durchgesetzt, dass die Tornado-Vorgabe der Ministerin - mal wieder - in ihrer Nähe zur Realität zweifelhaft war. Nach einem internen Bericht von Anfang 2018, "könnte das Waffensystem Tornado an keinem Nato-Einsatz mehr teilnehmen". Der "Spiegel" fasste die damals festgestellte Mängelliste so zusammen:

Der Bericht nennt dazu sehr viele kritische Details. Demnach gelten das IT-System und die Verkabelung der "Tornados" als völlig veraltet. Der Jet ist daher nicht ausreichend abhörsicher. Er verfügt auch über kein kryptiertes Kommunikationssystem, das bei allen internationalen Einsätzen Pflicht ist.

Ebenso besitzt der "Tornado" bis heute kein von der Nato gefordertes Freund-Feind-Erkennungssystem, das irrtümliche Angriffe auf alliierte Jets oder folgenreiche Verwechslungen von Kampfjets in der Luft vermeiden soll. Der Einbau der Geräte in die deutschen "Tornados" sei allerdings bis 2019 "nicht mehr realisierbar", so der Bericht, ab dann gilt die Technik bei der Nato als verpflichtend. (…)

Die Modernisierung allein für die IT der Jets, so das Papier, werde "Mehrkosten in Millionenhöhe" zur Folge haben. Zudem sei nicht klar, ob das Upgrade technisch überhaupt machbar ist.

Spiegel

Der neue Generalinspekteur General Eberhard Zorn räumte in seinem aktuellen "Bericht zur Materiallage der Hauptwaffensysteme der Bundeswehr" an die für die Misere mitverantwortlichen Politiker des Verteidigungsausschusses des Bundestages vom März 2019 ein, dass beim Tornado weiterhin "Defizite" bestünden. Immerhin hieß es von offizieller Seite, man wolle die "tagesaktuelle Verfügbarkeit" erhöhen.

Offensichtlich taugen die meisten Mehrzweckkampfflugzeuge nur noch dazu, wie in einem Auto mit x-tausend PS auf dem Flughafen spazieren zu fahren. Dabei ist der Tornado kein Einzelfall, sondern symptomatisch für die Bundeswehr. Die Nicht-Einsatzbereitschaft der Bundeswehr unterliegt mittlerweile strenger Geheimhaltung und selbst die Bundestagsabgeordnete werden zur Verschwiegenheit vergattert. So lasse der aktuelle Bericht zur Materiallage Rückschlüsse auf die aktuellen Fähigkeiten der Bundeswehr zu, deren Kenntnisnahme durch Unbefugte die Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland schädigen würden, behauptete der Generalinspekteur.

Schon ein Jahr zuvor, im Februar 2018, hatte der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes Oberstleutnant André Wüstner, in einer dramatischen Erklärung konstatiert:

Die katastrophale Einsatzbereitschaft, die dazu führt, dass wir unsere Bündniszusagen nicht mehr erfüllen können, darf keinen Fachpolitiker überraschen. (…) Die Kernfrage, die Politik parteiübergreifend beantworten muss, ist: Soll Deutschland wieder einsatzbereite Streitkräfte haben oder nicht? Wenn nein, schlage ich die Auflösung der Bundeswehr vor. (…) So wie jetzt kann es nicht mehr weitergehen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass weite Teile der Welt in Flammen stehen.

André Wüstner, Welt

Angesichts der langandauernden Missstände kann man bei den deutschen Streitkräften mittlerweile kaum noch von einer "Armee" sprechen, sondern vielmehr handelt es sich um eine kriminelle Struktur, die Milliarden verballert, um den Staat auszuplündern und in seiner Wehrhaftigkeit zu schwächen. Es hat den Eindruck, als arbeite die Bundeswehrbürokratie gegen die eigene Truppe. Durch eine "einfache" Erhöhung des Militäretats werden sich die jahrzehntealten Probleme nicht bewältigen lassen.

Während die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen eine Erhöhung des Militärhaushaltes für das Jahr 2019 um drei Milliarden Euro forderte, und für 2020 einen Mehrbedarf von vier Milliarden Euro anmeldete und für 2021 eine weitere Erhöhung um fünf Milliarden will, genehmigte ihr der Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) im kommenden Jahr "nur" eine Erhöhung um 1,5 Milliarden Euro von derzeit 43,2 Milliarden auf 44,7 Milliarden Euro. Bis 2021 plant der Finanzminister "lediglich" eine Steigerung des Wehretats um 5,5 Milliarden Euro.

Nach den gegenwärtigen Planungen des Bundesfinanzministers Olaf Scholz (SPD) soll der Anteil der Verteidigungsausgaben am BIP aufgrund des politischen Drucks der US-Regierung zwar kurzfristig auf 1,37 Prozent steigen, mittelfristig aber wieder sinken. Dies empörte den US-Statthalter in Berlin Richard Grenell, was wiederum die deutschen Politiker empörte, so dass Wolfgang Kubicki (FDP) gar die Ausweisung des Diplomaten verlangte.

Das Taktische Luftwaffengeschwader 33

Das TaktLwG 33 ist in Büchel (1.100 Einwohner) bei Cochem in der Eifel stationiert. Im Zweiten Weltkrieg war Büchel eine Abschussbasis für den ersten Marschflugkörper und "Vergeltungswaffen" V-1 Kirschkern. Der Fliegerhorst wurde 1954/55 durch die französischen Streitkräfte angelegt. Seit dem 6. August 1955 wird der Flugplatz von der Bundesluftwaffe genutzt. Das Geschwader ist seit 1985 mit dem Flugzeugmuster Tornado als Nachfolger für den F-104 Starfighter ausgerüstet. Diese sind in einer Zweitrolle als Nuklearwaffenträger eingeplant. Das BMVg beschreibt die Aufgabe des Geschwaders verklausuliert so:

Der primäre Auftrag des Taktischen Luftwaffengeschwaders 33 lautet "Luftangriff". Mit verschiedensten Wirkmitteln ist der Verband in der Lage unter anderem Luftnahunterstützung für Bodentruppen zu leisten und harte, tiefe und weit entfernte Ziele zu bekämpfen. Das Taktische Luftwaffengeschwader 33 ist somit ein unverzichtbarer Bestandteil der deutschen Luftwaffe.BMVg

Das Geschwader wird seit dem 3. Juli 2018 von Oberstleutnant Thomas Schneider geführt. Es umfasst 2.000 bis 2.500 Soldaten und Zivilbeschäftigte. Das Geschwader gliedert sich wie folgt:

Die Fliegende Gruppe (FlgGrp) setzt sich aus
- Stab mit den Sachgebieten Personal, Einsatz, Waffen, Nachrichtenwesen, Elektronische Kampfführung (EloKa),
- 1. Fliegende Staffel mit 16 Fliegenden Besatzungen,
- 2. Fliegende Staffel mit 16 Fliegenden Besatzungen,
- Flugbetriebsstaffel (FlBetrStff) besetzt den Geschwadergefechtstand, führt die An- und Abflugkontrolle durch, leitet die Wetterbeobachtung.

Die Technische Gruppe (TGrp) gliedert sich in:
- Stab
- Wartungs- und Waffenstaffel stellt die Flugzeuge für den tägl. Flugbetrieb bereit,
- Instandsetzungsstaffel führt Inspektionen und Reparaturen durch,
- Elektronikstaffel wartet die Avionik und Selbstschutzausrüstung der Flugzeuge,
- Nachschub- und Transportstaffel dient der Materialversorgung des Geschwaders.
- Ausbildungswerkstatt bildet Fluggerätmechaniker und Elektroniker für Geräte und Systeme (EGS) aus. Die Ausbildungswerkstatt ist der größte Ausbildungsbetrieb des Landkreises Cochem-Zell.

Die Fliegerhorstgruppe (FlgHGrp) besteht aus ca. 450 Soldaten und gliedert sich in: - Gruppenstab,
- 1. Sicherungsstaffel "S" (= Sonderwaffen) mit drei Infanteriezügen,
- 2. Sicherungsstaffel "S" (= Sonderwaffen) mit drei Infanteriezügen,
- Ausbildungszug,
- Scharfschützenzug,
- Transport-/Begleitzug.

Die Sicherungsstaffeln sind u. a. mit Pistolen, Sturmgewehren, MG 3, Panzerabwehrsystemen und dem Radpanzer Dingo ausgestattet. Die Truppenunterkünfte für die "Büchelaner" befinden sich in der Fliegerkaserne in Cochum-Brauneck an der Bundesstraße 259.

Zum Buchbestand der beiden Kampfstaffeln zählten 47 Luftfahrzeugen (Stand 2014). Da im Verlauf der gesamten Verwendungszeit alte Maschinen ausgemustert wurden oder verunglückten und durch neue Flugzeuge ersetzt wurden, war die Gesamtzahl der Tornados der Staffeln insgesamt höher. Im Lauf der Jahre hatten die Tornados der beiden Staffeln u. a. folgende Kennungen: 43+01 (ausgemustert im Display), 43+11 (Simulator), 43+25, 43+38, 43+46, 43+48, 43+50, 43+58, 43+70 (ausgemustert), 43+72, 44+06, 44+29, 44+33, 44+64, 45+00, 45+44 (ausgemustert), 44+64, 44+70, 44+72, 44+73, 44+86, 44+87, 44+88, 44+89, 44+91, 44+92, 44+94,44+95, 44+96, 44+97, 44+98, 44+99, 45+00, 45+01, 45+02, 45+03, 45+04, 45+05, 45+06, 45+07, 45+08, 45+09, 45+10, 45+11, 45+17, 45+18, 45+19, 45+20, 45+21, 45+22, 45+23, 45+24, 45+25, 45+57, 45+66, 45+71, 45+88, 46+02, 46+07, 46+11, 46+22, 46+33, 46+38, 46+43, …

Das Geschwader nimmt an den jährlichen GREEN FLAG WEST-Manövern im Südwesten der USA teil. Hier wird die Kriegführung mit konventionellen Waffen geübt.

Wiederholt kam es zu Flugunfällen: Im März 2009 überschlug sich ein Tornado auf der Landebahn und blieb auf dem Dach liegen. Am 16. Januar 2014 stürzte ein Tornado bei Laubach nahe der Autobahn 48 Koblenz-Trier in den Wald; die beiden Besatzungsmitglieder konnten sich mit ihren Schleudersitzen retten, allerdings musste der leicht verletzte Pilot mit seinem Rettungsfallschirm aus den Bäumen herausgeschnitten werden.

Der Fliegerhorst wird gegenwärtig modernisiert. Dazu hat das BMVg von 2018 bis 2023 151 Millionen Euro eingeplant. Dabei werden die Landebahn und die Löschmittelanlage erneuert. Außerdem wird der Flugplatz für die Aufnahme des Eurofighter hergerichtet, dazu wird ein entsprechendes Instrumentenlandesystem installiert. Büchel kann somit als Ausweichflughafen für den Eurofighter fungieren. Darüber hinaus werden die Bürogebäude und Unterkünfte saniert. Nicht zuletzt wird auch die mehrfach gestaffelte Zaunanlage um den Fliegerhorst erneuert.

Sollten die Bundeswehr-Piloten im V-Fall einen Atombombenabwurf verweigern, könnten die in Büchel stationierten US-Atombomben auch durch US-Jagdbomber vom Typ F-16 eingesetzt werden. So ist auf der - mehr oder weniger - benachbarten Spangdahlem Air Base ("SP") das 52nd Tactical Fighter Wing (TFW) mit 4.500 Soldaten und 1.000 Zivilangestellten stationiert. Das Geschwader verfügt u. a. über die 480th Fighter Squadron "Warhawks" unter dem Kommando von Oberstleutnant Michael Richard mit bis zu 28 General Dynamics / Lockheed Martin F-16CM/DM (Block 50B/C/D) Fighting Falcon, die Wasserstoffbomben B61-3 und B61-4 einsetzen können. Die Staffel wurde 1987 mit F-16C erneut aufgestellt, aber im Jahr 1994 aufgelöst und die Maschinen ausgemustert oder auf andere Staffeln verteilt. Sie wurde dann am 13. August 2010 mit F-16CM/DM erneut aufgestellt. Es handelt sich um eine der drei letzten "Viper"-Staffeln der US Air Force Europe (USAFE).

Die Fighting Falcon der Staffel hatten im Verlauf der letzten Jahrzehnte u. a. folgende Serials (Identifizierungsnummer, die - manchmal verkürzt - auf dem Höhenleitwerk angegeben wird): 85-398, 85-402, 85-408, 85-410, 85-422, 85-434, 85-442, 85-444, 85-446, 85-448, 85-449, 85-450, 85-451, 85-453, 85-460, 85-461, 85-462, 85-465, 85-474, 85-475, 85-476, 85-477, 85-478, 85-480, 85-511, 85-546, 85-552, 85-572 (zweisitziges Ausbildungsflugzeug), 86-209, 86-216, 86-219, 86-222, 86-224, 86-225, 86-226, 86-227, 86-228, 86-232, 86-366, 87-282, 90-813, 90-818, 90-827, 90-829, 90-833, 90-842, 90-818, 90-827, 90-828, 90-829, 90-833, 90-843 (zweisitziges Ausbildungsflugzeug), 91-302, 91-338, 91-340, 91-342, 91-343, 91-344, 91-351, 91-352, 91-358, 91-360, 91-361, 91-366, 91-388, 91-402, 91-403, 91-407, 91-412, 91-416, 91-417, 91-418, 91-472, 91-481, 92-3918, 96-080, 96-083 …

Die britische Royal Air Force (RAF) stellte ihren Tornado-Einsatz in Syrien (Operation SHADER) am 31. Januar 2019 ein. Die letzten 17 Tornados GR.4 der IX (B) Squadron in Honington und der 31 Squadron in Marham wurden im März 2019 ausgemustert.

Die italienische Aeronautica Militare will ihre 65 Tornado A-200C (Retrofit Enabling Task 8) des Geschwaders Sexto Stormo (Stormo 60) in Ghedi (Lombardei) noch bis 2023 behalten. Dessen Gruppo 1540 "Diavoli Rossi" setzt den Tornado gemäß dem "Stone Axe"-Abkommen als Atomwaffenträger ein.

erklärte am 19. Januar 2017 US-Air-Force-General Tod Wolters die Sicherheitsmaßnahmen auf dem Bundeswehrflugplatz Büchel. Bild: USAF

Atombombenlagerung

Noch in den achtziger Jahren hatten allein die US-Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland rund 5.500 Atomwaffen in rund 130 Special Ammunition Sites (SAS) gelagert. Es handelte sich um eine Vielzahl verschiedener Typen und Modelle - von der Mini-Atommine über Artilleriegranaten, Boden-Boden-Raketen bis hin zu Atombomben und Luft-Boden-Raketen.

Von diesem Bestand ist nach dem Ende des "Kalten Krieges" nicht mehr viel übriggeblieben: Auf dem Fliegerhorst Büchel in der Eifel befindet sich das einzige verbliebene Atomwaffendepot. Theoretisch können hier bis zu 44 Wasserstoffbomben gelagert werden, real sind hier - nach unterschiedlichen Schätzungen - 10 bis 22 H-Bomben der Typen Typ B61-3 oder B61-4 disloziert.

Der Nuklear-Hochsicherheitsbereich wird als "Weapons Storage Area" (WSA) bezeichnet. Es ist die Rede davon, dass die Atomwaffen auf dem Flughafengelände auf drei Standorte verteilt sein sollen. Anders als früher werden nicht mehr alle Bomben in einem einzelnen speziellen Bunker im "Alfer Wald" westlich des Luftstützpunktes gelagert, heutzutage werden die Bomben in elf versenkbaren Materialschächten in den Betonböden der Flugzeughangars wie in einem gepanzerten Fahrstuhlschacht aufbewahrt. Diese Waffenschächte werden als "Weapons Storage Vaults" (WSV) oder "Weapons Storage and Security Systems" (WS3) bezeichnet. Diese "Unterflurmagazine" reichen bis zu 8 Meter tief und werden fernüberwacht. Die Metallkappe des Systems lässt sich nur mit einem bestimmten Code öffnen. Sie bieten gegenüber einem schwer bewaffneten Terrorangriff einen Schutz von circa 30 Minuten. Jedes Magazin kann bis zu vier Bomben aufnehmen, aber nur ein Teil der elf Munitionsschächte mit ihren 44 Bombenpositionen wird tatsächlich genutzt.

Die Atomwaffen befinden sich in Friedenszeiten ausschließlich unter amerikanischer Kontrolle. Zuständig sind die rund 140 GIs der 702 Munitions Support Squadron (702 MUNSS) der US Air Force Europe. (Die Einheit ist dem US-Geschwader auf der Spangdahlem AB zugeordnet. Die US-Soldaten werden in der äußeren Bewachung der Atomwaffen unterstützt durch die 1. und 2. Luftwaffensicherungsstaffel des TaktLwG 33.

Im Februar 2008 kam eine US-Expertengruppe zu der Erkenntnis, dass "die meisten" der Nuklearwaffenlagerstätten in Europa die strengen Sicherheitsanforderungen des US-Verteidigungsministeriums nicht erfüllten. Zwar seien die Bomben - im Prinzip - sicher gelagert, aber dennoch gäbe es Mängel an Zäunen, Beleuchtungen und Gebäuden. Außerdem gäbe es Defizite bei der "Sicherheitskultur" innerhalb der Geschwader, in denen der mögliche Nuklearwaffeneinsatz nur einer von mehreren Kampfaufgaben ist. Weitere Probleme gab es beim Brand- und Blitzschutz, wie die Nuclear Weapons System Safety Group (NWSSG) bereits 1997 konstatierte; man hat zwischenzeitlich versucht, diese Probleme zu lösen. Nicht zuletzt treten bei Atomwaffen auch immer wieder Sicherheitsprobleme auf, die auf die nuklearphysikalische Konstruktion der Bomben zurück zu führen waren und manchmal erst spät entdeckt wurden.

Die Überwachung der Einhaltung der Sicherheitsstandards wird durch die Nuclear Security Inspections überprüft. Die sichere Handhabung der Nuklearwaffen wird in den jährlichen STEADFAST NOON-Exercises. Dabei trainiert die Bodenmannschaft den "Umgang" mit den Atomwaffen: Wie man sie aus den WS3-Schächten herausholt, transportiert und unter die Pylonen der Kampfjets montiert. Außerdem kommt es zu Flugtrainings im Übungsluftraum TRA LAUTER, der in der Region Trier liegt. Manchmal werden Übungsbomben vom Typ 3A und 3E eingesetzt.

Die letzte Nuklearübung fand in Büchel vom 16. bis 20. Oktober 2017 statt. Hinzu kommt das SNOWCAT-Programm (Support of Nuclear Operations With Conventional Air Tactics), an dem auch die europäischen Staaten teilnehmen können, auf deren Territorium keine US-Atomwaffen (mehr) lagern: Dänemark, Griechenland, Norwegen, Polen, Rumänien, Tschechien und Ungarn.

Im April 2018 scheiterte eine Anwohnerin, die gegen die Atomwaffenstationierung vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe geklagt hatte (Aktenzeichen: 2 BvR 1371/13). Die BVG-Richter nahmen die Klage erst gar nicht zur Entscheidung an.

In den letzten Jahren gab es wiederholt Drohungen von Dschihadisten, die US-Atomwaffenlager in Europa anzugreifen. Beispielsweise publizierte Silvio Steffen Koblitz aus Solingen am 23. Juli 2014 eine dreizehnseitige Schrift "Vom Schläfer zum Dschihadisten". Darin rief er u. a. zu Terroranschlägen auf das US-Atomwaffenlager in Büchel und den US-Fliegerhorst Ramstein als Einsatzzentrale für die amerikanische Drohnen- und Nuklearkriegführung auf:

"Verpasst ihnen einen Schlag, den sie niemals vergessen werden. (…) Tötet von den Ungläubigen wen immer ihr wollt (Männer, Frauen, Greise und Kinder), wie immer ihr wollt (erschießen, erstechen, todkitzeln, erdrosseln, erwürgen, ertränken, vergiften, vergasen, hinabwerfen, herunterstoßen, erschlagen …), wo immer ihr wollt (in Bussen, Zügen, Taxis, Schiffen, Bahnhöfen, Stadien, Museen, Klöstern, Kirchen, Synagogen, Tempeln, Schwimmbädern, Diskotheken, Spielotheken, Bordellen, Kinos, Restaurants, Präsidien, Rathäusern, Ämtern, Stützpunkten, Kasernen, Parkplätzen, Schulen, Kindergärten, Theatern (…), im Verborgenen, geschützt vom Dunkel der Nacht, und leise oder ganz offen bei helllichtem Tag und vor den Augen und Ohren der Menschenmassen.(…) Ich rate jedem, der nach dem Leben im Jenseits strebt, zu tun, was notwendig ist, um diesen Haufen von Dreck auszuräuchern. (…) Drum kommt in unsere Reihen des islamischen Staates. Ein Leben im Gehorsam, voller Ehre und Zufriedenheit und den Schrecken für Kuffar und den Schrecken für Kuffar", forderte Koblitz. Daraufhin wurden die Sicherheitsmaßnahmen rund um das Nuklearwaffenlager erhöht. Seit Mitte 2017 gilt Koblitz als verschollen. Vermutlich wurde er von anderen "IS"-Mitgliedern hingerichtet.

Atombombenmodernisierung

Die Wasserstoffbombe B61 wurde im Januar 1968 bei der US Air Force eingeführt, sie gehört zur Standardbewaffnung amerikanischer Bomber und Jagdbomber. Insgesamt wurden etwa 3.150 Bomben dieses Typs gebaut, derzeit sollen sich noch bis zu 300 Bomben im aktiven Bestand der US-Streitkräfte befinden. Von dem Typ existieren 12 Varianten (B61-0 bis B61-11).

Die verschiedenen Versionen sind einander äußerlich sehr ähnlich. Die Bomben haben eine Länge von etwa 3,60 Meter, der Bombenkörper hat einen Durchmesser von 34 cm und sie wiegen maximal rund 350 Kilogramm. Lediglich die B61-11 hat als "Bunkerbuster" ein etwas abweichendes Aussehen und ist rund 200 kg schwerer als die übrigen Versionen. Die B61-Modelle bestehen aus rund 1.800 Komponenten mit bis zu 6.000 Einzelteilen, die von 9 Hauptauftragnehmern und rund 570 Zulieferern hergestellt wurden. Zu diesen gehören u.a. die Firmen DuPont, Monsanto Chemical Company (jetzt: Bayer), die Y-12 Fabrik in Oak Ridge, die Kansas City Plant und natürlich das Los Alamos National Laboratory (LANL) und das Sandia National Laboratory (SNL) in Albuquerque.

Die Entwicklung der neuen B61-12 begann im September 2008 mit einer entsprechenden Machbarkeitsstudie, um die technologischen Rahmenbedingungen einer Modernisierung zu sondieren. Damit ist die B61-12 die erste Neuentwicklung einer amerikanischen Atomwaffe seit dem Ende des "Kalten Krieges". Sie soll die älteren Varianten ersetzen. Die Flugtest der Prototypen begannen am 1.Juli 2015 und endeten am 9. Juni 2018 auf der Tonopah Test Range in Nevada.

Zu den Bomben heißt es in einer BITS-Studie vom September 2012 (S. 6ff):

Alle Versionen der B61 sind thermonukleare Waffen, in denen ein erster, mit konventionellem Sprengstoff gezündeter atomarer Fissionssprengsatz (Primary) die Energie bereitstellt, um den zweiten, stärkeren Fusionssprengsatz (Secondary) zu zünden, während zusätzlich ein verstärkter Neutronenfluss zum Einsatz kommen kann, der die Explosionswirkung noch einmal verstärkt. (…)

Bei einer thermonuklearen Bombe wie der B61 besteht das Nuclear Explosive Package (NEP oder physics package) aus zwei Komponenten: der Primärsprengsatz, das Primary, ist i. d. R. aus einer Kugel aus Plutonium-239, die von einem Mantel aus konventionellen Sprenglinsen umgeben ist, deren Zündung die Kugel nach dem Implosionsprinzip zu einer überkritischen Masse komprimiert und so eine energiereiche Kettenreaktion auslöst. Diese liefert die Strahlungsenergie, die die Kernfusion im "Secondary", auslöst, in dem Lithium-6-Deuterid und hochangereichertes Uran (sowie Plutonium) zum Einsatz kommen können. Durch die so genannte Interstage wird die freigesetzte Strahlungsenergie vom Primary auf das Secondary geleitet. Interstage und Secondary befinden sich im sogenannten Canned Sub-Assembly (CSA). Um die Kettenreaktion in Gang zu setzen und zu verstärken, kommen einerseits Neutronengeneratoren zum Einsatz, andererseits wird zusätzlich gasförmiges Tritium eingesetzt. (…)

Als konventionellen Sprengstoff verwenden alle noch vorhandenen B61-Modelle inzwischen PBX-9502 (Plastic-Bonded Explosive). Es handelt sich um einen hochbrisanten Sprengstoff, der das Nuklearmaterial in Millisekunden zu einer kritischen Masse verdichtet, der aber zugleich insensitive ist. Das heißt, er reagiert auf äußere Einwirkungen (Schläge, Feuer, etc.) ausgesprochen träge, um eine irrtümliche Auslösung einer Explosion in Folge eines Unfalls zu vermeiden. Sprengstoffe, die beide Eigenschaften zugleich besitzen, bezeichnet man als Insensitive High Explosives (IHE).

BITS

Die neue B61-12 ist eine "Allround"-Atombombe mit einer variablen Sprengkraft (0,3 Kilotonnen KT, 1,5 KT, 10 KT und 50 KT), verschiedenen Abwurfhöhen und variablen Zündhöhen. Sie wird darüber hinaus eine größere Treffgenauigkeit von nur noch 30 m CEP (Circular Error Probable) durch eine neue Schwanzsektion von Boeing haben. Der Gefechtskopf wird als "earth penetrator" ausgelegt, der erst ein paar Meter in den Boden eindringt bevor er zeitverzögert detoniert, um so gegnerische Bunkeranlagen zu "knacken". Durch die Verwendung einer neuen Abbremstechnik und eines Zündverzögerungsmechanismus kann die Bombe auch im extremen "laydown"-Tiefflug (15 m-Flughöhe) abgeworfen werden, während für das Trägerflugzeug noch genügend Fluchtzeit bleibt, um nicht von der eigenen Bombe vernichtet zu werden.

Gegen einen nicht-autorisierten Einsatz sind die Waffenstoff-Bomben seit den sechziger Jahren durch ein elektronische Codeschloss gesichert, das Permissive Action Link (PAL). In der BITS-Studie (S. 30) heißt es dazu:

Um die B61-Bomben gegen einen unautorisierten Einsatz zu schützen, ist deren Arming, Fuzing, and Firing System (AF&F) bereits seit langem mit einem elektronischen Codeschloss, dem Permissive Action Link (PAL) ausgestattet. Die strategischen Modelle B61-7 und B61-11 verwenden ein siebenstelliges PAL-System der Kategorie Cat D mit zehn Millionen Wahlmöglichkeiten (0000000 bis 9999999), die taktischen B61-Modelle verfügen sogar über ein zwölfstelliges PAL-System der Kategorie Cat F mit einer Billion Möglichkeiten (000000000000 bis 999999999999). Während des Fluges gibt die Besatzung des Flugzeuges den Code über das Aircraft Monitoring and Control System (AMAC) ein, das die Signale über die Interface Control Unit (ICU) in die Bombe einliest. Seit einer Modernisierungsmaßnahme, die 2003 abgeschlossen wurde, kann der Code jetzt jederzeit verschlüsselt bleiben. Seit etlichen Jahren ist eine weitere Verbesserung des AF&F-Systems in der Diskussion.

Hinzu kommen mehrere Environmental Safety Devices (ESD), die eine Zündung zum Beispiel erst erlauben, wenn bestimmte Parameter (Zeit, Höhe etc.) zutreffen oder eine ausreichende Übereinstimmung zwischen der realen Flugbahn der Bombe mit der im Voraus berechneten gegeben ist. Beim so genannten ENDS-System (Enhanced Nuclear Detonation Safety) sind die elektrischen Komponenten des Zündmechanismus zusätzlich so angebracht, dass eine unbeabsichtigte Zündauslösung nahezu ausgeschlossen ist. Die Sicherheit der Bombe bei (Flug-)Unfällen oder wenn Unbefugte Verfügung über sie erlangen sollten, soll unter allen Umständen gewahrt bleiben.

BITS

Am Bau der neuen Bombe sind mehrere Institutionen des militärisch-industriellen Komplexes beteiligt. Im alten "Y-12 National Security Complex" bei Oak Ridge in Tennessee werden die thermonuklearen Komponenten hergestellt. Dafür wird bereits verwendetes, wiederaufbereitetes Nuklearmaterial benutzt. Y12 wird von Consolidated Nuclear Security, LLC - unter Beteiligung von Lockheed Martin und Bechtel - betrieben. Im "Kansas City Plant" in Missouri wird die Steuerungs-Elektronik auf Basis der Joint Direct Attack Munition (JDAM) produziert - wie auch alle weiteren nichtnuklearen Komponenten. Diese Anlage wird vom Honeywell-Konzern betrieben.

In den "Sandia National Laboratories" in New Mexico und Kalifornien wird das wichtigste neue Teil der B61-12 durch Boeing produziert: die beweglichen, kleinen Flügel am Heck (Tail Subassembly [TSA] oder tail fin kit). Die B61-12 wäre die erste Nuklearbombe, die mit einem derartigen Steuerungssystem ausgestattet wird. Sie soll von einer dummen Eisenbombe zu einer möglichst präzisen Lenkwaffe werden. Sie kann damit besser gegen unterirdische und gehärtete Ziele eingesetzt werden. Boeing produziert in den "Sandia National Laboratories" 400 bis 500 Stück dieser Lenkflügel. Programmleiter bei Sandia ist Brad Boswell. Schließlich werden alle Komponenten zur "Pantex-Plant" nach Amarillo (Texas) transportiert und dort zur fertigen Bombe zusammengebaut.

Mit den Prototypen der B61-12 werden seit Oktober 2015 Flug- und Abwurfversuche durchgeführt. Die Bombe und ihre Aufhängung sind so konstruiert, dass sie von mehreren Flugzeugmustern eingesetzt werden kann: B-2A Spirit, B-21 Raider, F-15E Strike Eagle, F-16C/D und F-16 MLU Fighting Falcon, F-35 Lightning II und möglicherweise dem Tornado.

Das Serienmodell der B61-12 sollte ursprünglich 2017/18 fertiggestellt und in Europa disloziert werden. Die Serienproduktion der neuen Wasserstoffbombe wird aber voraussichtlich erst ab März 2020 beginnen. Nachdem die strategische Bomberflotte in den USA auf den neuen Bombentyp umgerüstet sein wird, werden die ersten B61-12 vermutlich erst ab 2024 auch in Büchel stationiert.

Die National Nuclear Security Administration (NNSA) schätzte die Kosten für die Entwicklung der neuen Bombe auf 11,8 Milliarden Dollar. Dies bedeutet eine Verdreifachung der Entwicklungskosten, da diese 2010 noch mit 4 Milliarden Dollar taxiert wurden. Es ist geplant, ab 2020 insgesamt etwa 400 Stück der B61-12 herzustellen. Damit die neue Bombe überhaupt produziert werden kann, müssen an den Standorten der vier beteiligten Labors und Fabriken neue Anlagen errichtet werden. Dies kostet einen weiteren zweistelligen Milliardenbetrag.

Mit dem Austausch der vorhandenen US-Wasserstoffbomben - im Verhältnis von circa 1 : 1,3 - werden nicht nur alte Bomben durch neue ersetzt, sondern durch die technischen Eigenschaften der neuen B61-12 (variable Sprengkraft, laydown-Tiefflug-Abwurf, bunkerbuster und extreme Treffgenauigkeit) ergeben sich für die Militärplaner erweiterte operative Möglichkeiten.

In diesem Zusammenhang forderte Elbridge A. Colby, der bis 2018 Chefstratege im Pentagon war und nun als Director for Defense Plans am Center for a New American Security (CNAS) in Washington arbeitet, "die richtige Strategie und die richtigen Waffen, um einen begrenzten Atomkrieg zu führen und zu gewinnen". Und: "Wir müssen bereit sein, Atomwaffen gezielt einzusetzen. Natürlich kann man die apokalyptische Gefahr solcher Waffen nicht komplett kontrollieren, aber wir sollten zu einem gezielten Einsatz bereit sein."