Fliegen nach Plan

Während Greta nun langsam wieder Boden unter den Füssen hat, gab es am vergangenen Wochenende etwas zu feiern: 100 Jahre Linienflüge

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Greta Thunberg ist nun in New York angekommen und war am Wochenende noch 1000 Seemeilen von der US-Küste mitten auf dem Atlantik. Dolle Sache. Vermutlich hätte sie auch per Videobotschaft im September an der UN-Versammlung teilnehmen können, aber dolle Sache, keine Frage.

Es ist einfach derzeit nicht mehr zeitgemäß, sich in einen Flieger zu setzen und vor allem wegen irgendeiner Klimakonferenz, deren Sinn sich nur mühsam offenbart, vor Ort zu düsen. Das ist in etwa so, als würde man zum Schutz der heimischen Gewässer erst einmal herzhaft vom Steg aus in den eigenen Badesee pissen.

Also: dolle Sache, und sicher näher am Puls der Zeit.

Wie unpassend, dass gerade am vergangenen Wochenende der zivile Linienflug 100 Jahre alt wurde. Während erst am 15. Juni 1919 von Connemarra, Irland, aus überhaupt eine Nonstop Atlantik Überquerung in einer fliegenden Kiste gelang, nahm am 25. August 1919 ein Vorläufer der heutigen British Airways den kommerziellen Flugbetrieb auf und flog von Hounslow Heath nach Paris – und zurück. Übrigens nahm die gleiche Fluggesellschaft die ersten britischen Inlandsflüge schon am 30. September des gleichen Jahres auf. Seitdem musste man nicht mehr in merkwürdigen Harry-Potter-Zügen durch Nordengland reisen, um außerhalb von London größere Städte zu besuchen.

Vergangenes Jahr hingen weltweit an einem einzigen Tag mehr als 202.000 Flugzeuge in der Luft. Mehr als 2.7 Millionen Flugpassagiere saßen darin. Würde man die alle wie Greta Thunberg in ein Boot verfrachten wollen, würde es vielleicht ein wenig knapper mit den Fensterplätzen werden. Es gibt etwa in Deutschland 500.000 Sportboote, die meisten vermutlich nicht hochseetauglich. Und wenn so eine Nusschale ihre 3 Wochen auf See bleiben muss, um New York zu erreichen, dann kann das schon einmal dürftig im Angebot werden. Auch wenn andere Länder natürlich mit einspringen. Gut, viele Fluggäste würden vermutlich dann sogar die Deutsche Bahn nehmen, auch wenn die natürlich lange nicht so sicher ankommt wie ein Ruderboot über den Atlantik,

Fliegen ist nicht mehr en vogue. Auch wenn sich angesichts gleichen und höheren Fluggastaufkommens vermutlich zu wenige an ihr Lippenbekenntnis zur Umwelt halten. In 100 Jahren sind wir vom exotischen Verkehrsmittel über eine Massenflugbewegung zur Flugscham gekommen. Offiziell zumindest. In weiteren 100 Jahren schauen wir vermutlich auf ein Jubiläum zurück und hätten es toll gefunden, mal wieder ein Boot über den Atlantik zu benutzen, aber da macht das Klima mit seinen Brutalstürmen nicht mit. Und New York ist eh längst im Meer versunken.